Wall Street-Rekordgewinne durch Trumps Zollpolitik

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Inmitten der Zollkriege schreiben Amerikas Grossbanken Rekordgewinne an der Wall Street. Doch sollte Trump tatsächlich den Notenbankchef absägen, wäre die Bonanza schnell vorbei, warnen die CEOs.

Trumps Handelskriege sorgen für Volatilität an den Börsen, und davon wiederum profitieren US-Grossbanken, die all diese Transaktionen finanzieren und durchführen.

Trumps Handelskriege sorgen für Volatilität an den Börsen, und davon wiederum profitieren US-Grossbanken, die all diese Transaktionen finanzieren und durchführen.

Seth Wenig / AP

Als Donald Trump vergangenen November die Präsidentenwahl gewann, «tanzten die Banker auf den Strassen», wie es der CEO der Grossbank JP Morgan, Jamie Dimon, damals formulierte. Was die Banker jubeln liess, war der Glaube, dass die Rückkehr des Unternehmers Trump ins Weisse Haus eine Welle von Firmenübernahmen, Börsengängen und Investitionen auslösen würde.

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Tatsächlich kam es anders: Die Unsicherheit über Trumps Wirtschaftspolitik lähmt viele Unternehmen. Statt zu investieren, warten viele Firmen ab. Den bisherigen Tiefpunkt bildete der globale Handelskrieg, den der Präsident zu Beginn des zweiten Quartals plötzlich lostrat. Panik brach an Finanzmärkten weltweit aus.

Umso verblüffender ist, wie gut Amerikas Grossbanken einen Weg durch dieses Chaos geschlagen und diese Woche solide Gewinne präsentiert haben. Insbesondere bei Goldman Sachs sprang der Gewinn um 22 Prozent im Jahresvergleich in die Höhe auf 3,7 Milliarden Dollar. Auch bei Morgan Stanley wuchs der Profit zweistellig auf 3,5 Milliarden Dollar.

Gewinne dank starkem Handel

Hinter den Gewinnen steckt eine Entwicklung der zwei Geschwindigkeiten: Bei genauerem Hinsehen zeigt sich nämlich, dass sich die Gewinne vor allem an der Wall Street zugetragen haben. Trumps angekündigte Zölle gegen Dutzende Länder und seine Steuerreform führten zu einem Anstieg der Aktivitäten an den Aktien-, Währungs- und Anleihemärkten. Von diesem höheren Handelsvolumen wiederum profitierten direkt die zuständigen Geschäftsbereiche der Banken, denn sie führen die Transaktionen durch und finanzieren sie.

Es ist ein Trend, der sich durch die ganze erste Jahreshälfte zieht: Bereits im ersten Quartal, also mit Trumps Amtsantritt, hatte die Volatilität und damit die Aktivität an den Finanzmärkten zugenommen, weil die Anleger verunsichert waren bezüglich Trumps politischem Kurs.

Wie JP Morgan, Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs and Morgan Stanley bei den Präsentatione ihrer Quartalsergebnisse dieser Woche sagten, verdienten Amerikas fünf grösste Banken im vergangenen Quartal insgesamt 34 Milliarden Dollar im Handel. Das sind 17 Prozent mehr noch als vor einem Jahr, als der Demokrat Joe Biden im Weissen Haus sass.

Jane Fraser, CEO der Citigroup.

Jane Fraser, CEO der Citigroup.

Mike Blake / REUTERS

«Volatilität wird ein Bestandteil, und kein Makel, der neuen Weltordnung sein, und wir werden davon profitieren», sagte etwa Jane Fraser, die Chefin der Citigroup. Die Handelsumsätze der Bank stiegen im zweiten Quartal auf 5,9 Milliarden Dollar, ein Plus von 16 Prozent im Jahresvergleich .

Ähnlich legten die Handelsumsätze von JP Morgan um 15 Prozent auf 8,9 Milliarden Dollar zu. Die Aktienhändler von Goldman Sachs verzeichneten in den drei Monaten gar den grössten Umsatzanstieg in der Geschichte der Wall Street.

Auch die Händler der Bank of America, Amerikas zweitgrösster Bank, setzten einen Handelsrekord für das zweite Quartal. «Nach dem ´Liberation Day´ haben wir eine sehr grosse Marktvolatilität gesehen», sagte Jim DeMare, der das Geschäft mit globalen Märkten bei der Bank of America verantwortet. Es habe viel Kundenaktivität gegeben, «und als die Sorgen etwas nachliessen, konsolidierte sich der Markt. Danach kam es zu einer Neupositionierung bei Aktien, Zinsen und Devisen.»

Investment Banking hinkt hinterher

Volatilität ist zwar grossartig für die Wall Street – aber schlecht für Unternehmen, die Börsengänge planen, Firmen übernehmen oder andere Grossinvestitionen tätigen wollen. Sie alle schrecken in Zeiten der Unsicherheit vor solchen Aktivitäten zurück. Entsprechend zeigt sich in der Geschäftssparte Investment Banking eine ganz andere Entwicklung.

Der Kontrast könnte nicht grösser sein: Die Handelsumsätze der fünf grössten Kreditinstitute stiegen im ersten Halbjahr um 10 Milliarden Dollar im Jahresvergleich, wie Bloomberg berichtete. Der Umsatz im Investment Banking hingegen wuchs in diesem Zeitraum um nicht einmal 1 Milliarde Dollar.

Die gleichen Kräfte, die den Handel an der Wall Street ankurbeln, liessen also die Akteure bei Grossinvestitionen, Börsengängen und Übernahmen zögern. Damit setzt sich ein Trend fort, der bereits seit dem Ende der Pandemie 2021 anhält: das Investment Banking ist gelähmt Wie die «Financial Times» erhoben hat, war es nun das 14. Quartal hintereinander, dass die Investment Banking-Sparte nicht einmal ein Viertel dessen zum Umsatz der Grossbanken beigetragen hat, was von der Wall Street kam.

Nicht nur das Weisse Haus verunsicherte die Unternehmen in den vergangenen drei Monaten, sondern auch geopolitische Entwicklungen wie Israels Krieg gegen Iran.

Allerdings flackere Licht am Ende des Tunnels auf, sagten diese Woche die Chefs der Grossbanken: So turbulent das Quartal mit dem «Liberation Day» angefangen habe, so hoffnungsvoll habe es mit der Steuerreform und Hoffnungen auf Handelsabkommen statt -krieg geendet. Auch steigt gemäss Medienberichten allmählich die Nachfrage nach grösseren Fusionen und Übernahmen, also solchen mit einem Volumen von mindestens einer halbe Milliarde Dollar. Von solchen würden dann insbesondere die Grossbanken profitieren, weil sie sich auf diese Nische spezialisiert haben.

Speziell Goldman Sachs und Morgan Stanley sagten bei der Präsentation ihrer Quartalsergebnisse am Mittwoch, dass sich die Kapitalmarktaktivitäten allmählich erholten. Es sei ein «super interessantes, hochgradig unsicheres Umfeld», fasste der CEO von Goldman Sachs, David Solomon, die Entwicklungen zusammen.

Die Anteilseigner der Grossbanken wiederum scheinen diesen Optimismus zuteilen: Jüngst stieg der Aktienkurs von Goldman Sachs zum ersten Mal auf mehr als 700 Dollar. Auch die Papiere der Citigroup kletterten nach der Präsentation der Quartalszahlen am Dienstag um vier Prozent auf den höchsten Stand seit 2008.

Doch man darf nicht vergessen: Die gleiche Stabilität, auf die man im Investment Banking nun hofft, könnte umgekehrt für weniger Handel an der Wall Street sorgen und dort das Handelsvolumen dämmen.

Unabhängigkeit der Notenbank verteidigen

Den Chefs der Grossbanken war es angesichts der aktuellen Entwicklungen im Weissen Haus auch ein Anliegen in den Telefonaten mit Investoren und Analysten zu betonen, wie wichtig die Unabhängigkeit der Notenbank sei.

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan

Imago/Tschaen Eric/Pool/Abaca / www.imago-images.de

Der Chefs von Goldman Sachs, der Bank of America und der Citigroup erklärten am Mittwoch, dass die politische Unabhängigkeit der Zentralbank entscheidend für die gesamte amerikanische Wirtschaft und die Finanzmärkte sei. Sie stützten damit den CEO von JP Morgan, der tags zuvor als Erster deutliche Worte gefunden hatte. «Das Herumspielen mit der Fed kann negative Folgen haben», sagte Jamie Dimon gegenüber Journalisten, «das absolute Gegenteil von dem, was man sich vielleicht davon erhoffen mag.»

Wenn die erste Jahreshälfte im Zeichen der Handelskriege und der Steuerreform stand, könnte die zweite vom Streit um die Notenbank überschattet werden. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Trump tatsächlich als erster Präsident der jüngeren amerikanischen Geschichte einen sitzenden Notenbankchef entlässt – und wie das globale Finanzsystem darauf reagiert. Tanzende Bankenchefs auf den Strassen dürfte man dann kaum sehen.