Britische Studie zeugt Kinder mit drei genetischen Eltern

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Stand: 18.07.2025 12:35 Uhr

Auf diese Daten hat die Fachwelt gewartet: In Großbritannien wurden acht Kinder geboren, die nach einer Mitochondrien-Spende genetisch von drei Eltern abstammen. Die Auswertung zeigt: Die Kinder sind bisher wohlauf.

Dass ein Kind genetisch gesehen drei Eltern haben kann, liegt an einer Besonderheit in unseren Zellen. Der größte Teil des Erbguts, der DNA, befindet sich im Zellkern. Menschen erhalten es bei der Zeugung von Vater und Mutter.

Zusätzlich gibt es aber noch eine weitere Quelle für Erbgut: die Mitochondrien. Das sind wichtige Bestandteile von Körperzellen, sie spielen eine große Rolle im Stoffwechsel und werden auch “Kraftwerke der Zelle” genannt. Und: Mitochondrien enthalten kleine Mengen eigener DNA, also ein eigenes Erbgut. Das wird immer von der Mutter an die Nachkommen weitergegeben.

Muskeln und Nerven besonders stark betroffen

Erkrankungen, die durch Fehler in der Mitochondrien-DNA ausgelöst werden, kommen – laut den Autoren der jetzt in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie – bei geschätzt einem pro 5.000 Menschen vor. Oft zeigen sich die Erkrankungen in Organen, die besonders viel Energie benötigen – etwa Nervenzellen oder Muskeln. Mögliche Symptome sind vielfältig, etwa Krampfanfälle, Muskelschwäche oder Herzprobleme. Die Schwere der Erkrankungen kann sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

Bei den Kindern mit den drei Eltern hatten die Mütter Fehler in dieser Mitochondrien-DNA, die zu schwerwiegenden Erkrankungen führen können. Um diese nicht weiterzugeben, haben sie eine Mitochondrien-Spende von einer gesunden Frau erhalten. So stammt das Kind genetisch vom Vater, der eigentlichen Mutter und der Mitochondrien-Spenderin ab.

Kerne der Eltern in gespendeter Eizelle

Bei diesem Verfahren wird aus einer gespendeten Eizelle einer gesunden Frau der Kern entfernt. Dann werden die Kerne von Eizelle und Spermium von Mutter und Vater entnommen und in die kernlose, gespendete Eizelle überführt.

Der Clou dabei ist: Der wichtigste Teil der Erbinformation, der zum Beispiel bestimmt, wie wir aussehen, stammt so weiterhin von der Mutter und dem Vater. Denn dafür ist die DNA im Zellkern zuständig. Aber die Mitochondrien in der Eizelle stammen von der Spenderin und tragen keine krankmachenden Mutationen.

Dieses Verfahren wurde in der jetzt vorgestellten Studie bei 32 Frauen durchgeführt. Dabei sind acht Schwangerschaften und schließlich acht Kinder entstanden.

Kinder offenbar wohlauf

“Die Studie ist sehr wichtig und stellt einen Durchbruch in der mitochondrialen Medizin dar”, sagt Nils-Göran Larsson. Er leitet eine Arbeitsgruppe am Institut für Medizinische Biochemie und Biophysik am Karolinska-Institut in Stockholm und forscht selbst zu Krankheiten, die durch Mitochondrien-DNA ausgelöst werden. “Es sei daran erinnert, dass mitochondriale Erkrankungen verheerend sein können und bei den betroffenen Kindern erhebliches Leid verursachen, das manchmal zu einem frühen Tod führt.”

Bei den acht Kindern konnte das offenbar verhindert werden. Laut der Studie sind die Kinder weitestgehend gesund – einige medizinische Schwierigkeiten konnten behandelt werden und stehen wahrscheinlich nicht im direkten Zusammenhang mit der Mitochondrien-Spende. Ein Kind hatte beispielsweise eine Form von Epilepsie, die auch bei gesunden Kindern auftritt und nach einiger Zeit von alleine wieder verschwindet.

Die Medizinethikerin Heidi Mertes von der Ghent Universität in Belgien freut sich, dass die Kinder offenbar bei guter Gesundheit sind. Doch sie mahnt auch zur Vorsicht: “Die Ergebnisse zeigen zwar, dass die Technik durchführbar ist und zu einer erheblichen Verringerung der Mutationslast bei den entstehenden Kindern führen kann, sie zeigen aber auch, dass wir sehr vorsichtig sein müssen.”

Einige Mitochondrien der Mutter wurden doch übertragen

Denn: Bei dem Transfer der Kerne aus der Eizelle der Mutter in die Eizelle der Spenderin können auch fehlerhafte Mitochondrien der Mutter mitübertragen werden. Das konnte bei drei der acht Kinder nachgewiesen werden. Aber: “Es ist unwahrscheinlich, dass diese geringen Mengen an mutierter mtDNA eine mitochondriale Krankheit verursachen”, sagt Nils-Göran Larsson vom Karolinska-Institut in Schweden. Es seien jedoch weitere Folgestudien erforderlich.

Hinzu kommt: Die untersuchten Kinder sind noch recht jung. Nur eines ist älter als zwei Jahre, fünf sind jünger als ein Jahr.

“Die Nachbeobachtungszeiten sind noch nicht ausreichend, um Risiken einer späteren Erkrankung zu beurteilen”, sagt Marcus Deschauer, Leiter der Arbeitsgruppe für erbliche seltene neurologische Erkrankungen an der Technischen Universität München. Es sei denkbar, dass sich eine Erkrankung aufgrund von Mutationen in der Mitochondrien-DNA auch im späteren Verlauf des Lebens der Kinder noch zeige.

Chance auf gesunde Kinder für Patientinnen

Für ausgewählte Frauen mit einer Erkrankung aufgrund von Veränderungen in der Mitochondrien-DNA könne eine solche Mitochondrien-Spende jedoch eine Möglichkeit sein, die Chance auf gesunde Kinder zu erhöhen, so Deschauer. “Wenn das Verfahren der Mitochondrien-Spende in Deutschland erlaubt werden würde.”

Die rechtliche Bewertung des Verfahrens sei jedoch unter Juristen umstritten, sagt Jochen Taupitz. Er ist Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht der Universitäten Heidelberg und Mannheim. Dabei ginge es zum einen um die Frage, ob es sich bei einem solchen Eingriff um eine Eizellspende und einen Eingriff in die Keimbahn handle. Beides ist in Deutschland verboten.

Beratung der Familien sehr wichtig

Einen Punkt betonen viele Fachleute: Vor einem solchen Verfahren müssten die betroffenen Personen umfassend beraten werden. Zum einen gebe es in manchen Fällen andere Möglichkeiten wie eine genetische Untersuchung des Embryos, Eizellspenden oder den Verzicht auf genetisch verwandte Kinder wie bei einer Adoption. Viele der Familien, die im Rahmen der jetzt publizierten Studie beraten wurden, hätten sich gegen das Verfahren der Mitochondrien-Transplantation entschieden, schreiben die Autoren in der Publikation.

Auch die Medizinethikerin Mertes betont: Den betroffenen Personen müsse klar sein, dass es sich nicht um eine Behandlung zur Risikobeseitigung, sondern um eine Behandlung zur Risikominderung handle.