Der Mittelstand wartet auf Besserung

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Die wirtschaftliche Erholung im deutschen Mittelstand lässt auf sich warten. Der Umsatz der kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) fiel im Juni um 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Das geht aus dem Datev-Mittelstandsindex hervor, den die F.A.Z. exklusiv veröffentlicht.

Im Mai war der Umsatz erstmals seit zwei Jahren nicht geschrumpft. Damit verbundene Hoffnungen auf eine schnelle, wirtschaftliche Erholung hätten sich nicht erfüllt, schreibt Datev. „Ohne gezielte Entlastungen und Anreize ist der Mittelstand, das Fundament unserer Wirtschaft, zunehmend gefährdet“, erklärte Robert Mayr, der Vorstandsvorsitzende der Datev eG.

Minus in allen Branchen und Größenklassen

Der Umsatzrückgang zog sich im Juni durch nahezu alle Wirtschaftsbereiche und alle Größenklassen der KMU. Im verarbeitenden Gewerbe und im Handel lag der Umsatz 5,9 Prozent niedriger als vor einem Jahr, im Bauhauptgewerbe um sieben Prozent. Unverändert stecken die kleinen und mittelgroßen Unternehmen in der Schere zwischen sinkendem Umsatz und steigenden Lohnkosten. Die Löhne und Gehälter der KMU stiegen im Juni um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Zugleich verschlechtert sich der Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung im Mittelstand ging im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,3 Prozent zurück.

Datev Mittelstandsindex: Umsatz

Mit der von der Mindestlohn-Kommission beschlossenen Anhebung des Mindestlohns auf 14,60 Euro vom Jahr 2027 an kommen auf Teile des Mittelstands neue Schwierigkeiten zu. Knapp ein Viertel der Löhne in Kleinstunternehmen in Deutschland – das sind die Unternehmen bis zehn Mitarbeiter – zahlen nach den Datev-Angaben weniger als 14,60 Euro je Stunde. Eine Anhebung des Mindestlohns werde starke Auswirkungen in strukturschwachen Regionen vor allem in Ostdeutschland und in ländlichen Kreisen haben, warnte Mayr.

Nächste Last: der höhere Mindestlohn

Datev Mittelstandsindex: Lohn

Auf dem flachen Land werden üblicherweise niedrigere Löhne gezahlt als in städtischen Ballungsräumen, so dass die Erhöhung des Mindestlohnes dort besonders zu Buche schlägt, positiv als höhere Einkommen für Beschäftigte, negativ als höhere Arbeitskosten für die Unternehmen. Je nach Branche ist dieses Land-Stadt-Gefälle indes nicht gegeben oder dreht sich um. Das zeigt eine Detailanalyse von Datev.

Danach sind Gastronomieunternehmen auf dem Land durch die Mindestlohnerhöhung nicht stärker getroffen als die Konkurrenz in der Stadt. Datev-Chefvolkswirt Timm Bönke vermutet als Erklärung, dass Gastronomie und Betriebe auf dem Land mehr als den Mindestlohn zahlen müssen, um überhaupt Arbeitskräfte zu finden. Damit wirkt die Mindestlohnerhöhung sich weniger stark aus. Im Bereich sonstiger Dienstleistungen, worunter unter anderem Friseure fallen, droht den kleinen Anbietern in der Stadt dagegen eine höhere Belastung durch den Mindestlohn als der ländlichen Konkurrenz. Das könnte daran liegen, dass in der Stadt mehr Arbeitskräfte vorhanden sind, die im Wettbewerb das Lohnniveau drücken.

Datev Mittelstandsindex: Beschäftigung

Noch anders sieht das Bild in den Bereichen Verkehr und Lagerhaltung aus. Hier werden die städtischen Arbeitgeber stärker vom höheren Mindestlohn getroffen als die Arbeitgeber auf dem Land. Das dürfte daran liegen, vermutet Bönke, dass Lieferdienste und Internetkaufhäuser wie Amazon in Städten häufig auf kleine Subunternehmen zurückgriffen, die typischerweise auf Mindestlohnbasis arbeiteten. Auf dem Land sei dieser Wirtschaftsbereich dagegen durch große Logistikzentren bestimmt, die mit besseren Tarifverträgen bereits etwas höhere Löhne zahlten, sagt Bönke.

Der Mittelstandsindex der Datev-Genossenschaft ist ein schnell verfügbarer und aussagekräftiger Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung der kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Datev, der Informationsdienstleister der steuerberatenden Berufe, greift dafür auf anonymisierte und aggregierte Umsatzsteuervoranmeldungen von mehr als eine Million Unternehmen zurück. Die Lohn- und Beschäftigungsindizes werden aus anonymisierten Lohn und Gehaltsabrechnung von mehr als acht Millionen Arbeitnehmern im Mittelstand ermittelt. Diese harten Daten stehen schneller als andere statistische Erhebungen zur Konjunktur zur Verfügung.