KI in der Medizin: Chancen und Risiken

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Künstliche Intelligenz wird in vielen Bereichen eingesetzt. Ihre volle Entfaltung könnte die Technologie jedoch in der Medizin zeigen. Und dabei mehr als hilfreich sein.

Künstliche Intelligenz ist vielerorts noch ein Buch mit sieben Siegeln, doch in bestimmten Berufen ist ihr Einsatz heute bereits üblich. Kurz gesagt, wird damit die Technologie bezeichnet, die Computer in die Lage versetzt, Aufgaben zu erledigen, für die normalerweise menschliche Intelligenz erforderlich ist. Denn: Die Maschine lernt.

Die Vorteile sind eindeutig: Eine KI wird nicht krank, liefert Ergebnisse in mindestens gleichbleibender Qualität oder verbessert sich sogar. Und sie ist deutlich schneller als der Mensch. Aus zur Verfügung gestellten Datensätzen erkennt sie innerhalb weniger Sekunden bis Minuten wiederkehrende Muster, die einen Vergleich möglich machen.

In der Medizin wird in bestimmten Fachgebieten bereits längst mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet. Wo sind die Chancen für die Zukunft und wo liegen die Gefahren? t-online sprach mit der KI-Expertin Ulrike Attenberger.

t-online: Frau Attenberger, wird die KI die Medizin revolutionieren?

Ulrike Attenberger: Ja, und diese Revolution ist schon im Gange. Dazu sollte man wissen: Bestimmte KI-Mechanismen sind bereits heute in einer Reihe von medizinischen Apparaturen verbaut. Viele Menschen haben das Bild von komplett eigenständig operierenden Robotern im Kopf, wenn sie an KI in der Medizin denken. Doch dieses Bild ist falsch. Die Künstliche Intelligenz wirkt schon viel länger im Hintergrund mit, als es den Menschen bewusst ist. Zudem hängt die Frage, wie sehr KI Teil der Medizin ist respektive wird, auch vom Fachgebiet ab.

Was macht KI besser, vielleicht sogar besser als ein Arzt?

Sie kann sehr schnell Daten erheben und vergleichen, schneller als jeder Mensch es könnte. Zum Beispiel auch Bilddaten. Und sie sieht mitunter auf diesen Bildern Dinge, die das menschliche Auge so nicht erkennen könnte.

Geben Sie gern ein Beispiel.

Eine gut programmierte KI kann innerhalb von Minuten Tausende Datensätze miteinander vergleichen und analysieren. Aktuell noch in der Erforschung ist der Einsatz der KI nicht nur für die Analyse von Datensätzen, sondern auch für die Wahl der erfolgversprechendsten Therapieform bei einer spezifischen Diagnose. Aber klar ist: Je mehr hochwertige Datensätze sie zur Verfügung gestellt bekommt, desto genauer kann sie werden. Sie lernt eben.

Ulrike Attenberger
Ulrike Attenberger (Quelle: Pivat/t-online)

Dr. Ulrike Attenberger ist Leiterin der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin an der MedUni Wien. Sie ist außerdem federführend im Arbeitskreis “KI in der Medizin” des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer.

Sehen Sie das heute schon?

Eine gut trainierte KI kann in der Brustkrebserkennung heute schon besser sein als ein junger, unerfahrener Arzt. In der Radiologie gilt aktuell die Vorgabe, dass (Röntgen-)Aufnahmen der Brust/ Mammographien immer von zwei spezialisierten Ärzten beurteilt werden müssen. Ein künftig potenzieller Einsatz der KI könnte hier sein, die Rolle des Zweitbefunders zu übernehmen.

Könnte KI auch bei Notfällen hilfreich sein?

Ja; wissenschaftlich getestet werden unter anderem Sprachaufzeichnungen bei einem Einsatz etwa im Rettungswagen oder in der Ambulanz. Im Schockraum könnte die KI anhand der aufgezeichneten Gespräche zum Beispiel durch Abgleich mit verfügbaren Daten eine Diagnose stellen und Therapieansätze vorschlagen. Da wäre sie natürlich perspektivisch eine enorme Erleichterung. Zum Beispiel auch in Nachtdiensten, wenn weniger Personal zur Verfügung steht. Auch bei OPs oder in Katheterräumen kann das ein Vorteil sein.

Aber die KI entscheidet nicht, oder?

Nein, es gilt der Grundsatz: Medizinischer Experte sticht die KI. Denn: Sie kann Fehler machen. Menschen, die bereits mit ihr arbeiten, kennen das Phänomen der Halluzinationen, also wenn die KI etwas dazu erfindet, was im Ausgangsmaterial, mit dem sie gefüttert wurde, nicht vorhanden ist.

Und: Der Mensch ist ja mehr als ein Organ; die enge Arzt-Patienten-Beziehung bzw. enge Beziehung zwischen Pflege und Mensch hat einen unbestrittenen salutogenen Effekt (fördert die Gesundwerdung, Anmerkung der Redaktion). Hierüber werden oft auch Informationen über das Sozialgefüge eines Patienten gewonnen, die die Heilung beeinflussen kann, die der KI jedoch entgehen (würden).

Einige Experten sagen, die KI sei bereits so gut, dass es ethisch nicht vertretbar wäre, sie nicht für alle einsetzbar zu machen