Da wundert sich die Klimalobby: Die Erde wird immer heißer, aber die Leute reden lieber über die Rente. Haben die nicht kapiert, wie schlimm die Zukunft wird? Doch, haben sie. Umfragen zeigen immer wieder, dass die Deutschen das Klima als großes Problem betrachten, zuletzt eine von Forsa in der vergangenen Woche. Aber man kann den Klimawandel bedrohlich finden und muss trotzdem nicht ständig darüber sprechen. Das gilt für alle Krisen, fürs Klima aber besonders.
Denn da ist die harte Wahrheit Nummer eins: Wie das Wetter in Deutschland wird, das entscheidet sich nicht an den deutschen Emissionen, sondern an den USA, China und Indien. Diese Feststellung hat nichts mit Moral zu tun. Historisch haben die Industrieländer viel mehr CO2 ausgestoßen als die Schwellenländer. Jetzt aber kommen die meisten Klimagase aus Asien, schon allein wegen der großen Bevölkerung. Also muss man mehr über internationale Kooperation reden als über deutsche Tempolimits.
Mehr Klimaschutz mit weniger Aufwand
Die Industriestaaten sollten trotzdem vorangehen. Darum müssen sie ein attraktives Vorbild sein. Sie haben zu zeigen: Klimaschutz ist möglich, ohne dem Wohlstand zu schaden. Und da ist die harte Wahrheit Nummer zwei: Deutschland macht das nicht gut. Die Kosten sind enorm, der Erfolg mäßig. Das liegt auch an der deutschen Klimadebatte. Ständig streitet das Land, ob es mehr Klimaschutz braucht oder nicht – dabei wäre eine andere Frage viel wichtiger: Können wir mehr Klimaschutz mit weniger Aufwand haben? Das wäre schon möglich.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Zumindest legen das Forschungsergebnisse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung nahe. Das sind keine Klimawandel-Leugner. Im vergangenen Jahr haben die Wissenschaftler Klimaschutz-Maßnahmen aus Industrieländern untersucht. 1500 Gesetze betrachteten sie, großen Erfolg konnten sie nur 69 bescheinigen. Das heißt: Auf jedes hilfreiche Klimaschutz-Gesetz kommen 20, deren Nutzen bestenfalls unsicher ist.
Warum? Gucken wir uns mal den Fall beim Verkehr an. Da führt die Europäische Union 2027 ein Emissionshandelssystem ein, das den CO2-Ausstoß von Autos einer harten Obergrenze unterwirft. Es gibt Bedenken, ob das ausreicht. Wie teuer wird Benzin? Hält die Politik das durch? Zweifel sind möglich, aber es gibt ja noch eine andere Regel: Von 2035 an werden in der EU keine neuen Verbrennerautos verkauft. Der Klimaschutz hat also Gürtel und Hosenträger. Aber das ist noch nicht alles.
Warum die laute Debatte manchmal falsch ist
In Deutschland werden Elektroautos von der Kfz-Steuer befreit. Elektrische Dienstwagen genießen ein Privileg in der Einkommensteuer. Zwischendurch gab es Kaufprämien für Elektroautos. Da hat man gewissermaßen zu Gürtel und Hosenträgern noch ein Seil durch die Gürtelschlaufen gezogen. Vielleicht sollte man aufhören, bevor die Angst vor einer rutschenden Hose dazu führt, dass man auch noch die Hosenbeine abschneidet.
Dahinter steckt ein ernsthafter Punkt. Jedes zusätzliche Gesetz nützt dem Klima immer weniger. Aber es bringt immer neue Regeln. Die kosten Geld, zumindest sorgen sie für weiteren Aufwand. Und sie schreiben immer mehr Technologie fest. Dabei schreitet die Forschung immer weiter voran und findet immer neue Wege, Klimaschutz ein bisschen billiger zu machen – doch die passen nicht immer ins alte Gesetz. So wird Klimaschutz viel teurer als nötig. Das geht auch beim Heizen so, in der Stromerzeugung und so weiter. Von den überflüssigen Regeln könnte man durchaus ein paar abschaffen. Das wäre kein Schaden fürs Klima, aber ein Nutzen für die Deutschen.
Damit hier kein Missverständnis entsteht: Der Staat hat noch genug zu tun. Nur eben keine platte Symbolpolitik. Es geht um langweiliges, solides Durchregieren in den ureigensten Staatsaufgaben. Zum Beispiel muss die Regierung dafür sorgen, dass die Stromnetze schneller ertüchtigt werden. Und dass Bahnstrecken nicht mehr 20 Jahre für ihren Ausbau brauchen. Solche Projekte finden in der Öffentlichkeit wenig Echo. Nötig sind sie trotzdem. Deshalb gilt: Lieber nicht laut über Symbolpolitik streiten, sondern still an der Substanz arbeiten.