Nein, die habe ich nicht, und die will ich auch nicht haben. Aber seit einem gemeinsamen Auftritt bei „Maischberger“ vor ein paar Wochen habe ich die von Norbert Röttgen.
Und würden Sie Herrn Röttgen – oder jemand anderen aus der Union – jetzt anrufen und über Möglichkeiten für einen zweiten Anlauf zur Verfassungsrichterwahl sprechen?
Warum sollte ich? Wir haben schon vor der abgesagten Wahl betont, dass wir zu Gesprächen bereit sind, und dass wir sogar bereit dazu sind, den Kandidaten der Union, Günter Spinner, zu wählen. Für uns ist es wichtig, dass das alte Modell für das Vorschlagsrecht zur Richterwahl – drei Vorschläge von der Union, drei von der SPD, je einer von Grünen und FDP – neu diskutiert wird, entsprechend den neuen Kräfteverhältnissen im Bundestag und im Bundesrat. Union und SPD müssen klarmachen, dass sie dazu bereit sind, und dass die Linke dann ein Vorschlagsrecht bekommt.
Ich nenne jetzt keine Namen, aber ich sehe da Möglichkeiten.
Ganz einfach: Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die unsere Demokratie und ihre Institutionen zerstören will. Ihr Kandidat hätte nur ein Ziel: das Ansehen des Gerichts zu beschädigen und seine Legitimität zu untergraben.
Die Linkenspitze hat nach der verpatzten Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler erklärt, sie wolle künftig die „Hoffnung organisieren“ und der „Koalition der Hoffnungslosigkeit“ etwas entgegensetzen. Warum taktieren Sie jetzt, statt der Regierung eine Mehrheit ohne die AfD zuzusichern?
Tun wir gar nicht. Wir haben politische Ziele, dafür haben uns vier Millionen Menschen gewählt. Die schenken wir doch nicht her, unsere Wählerinnen würden sich fragen, warum die Regierung ganz allein über das Bundesverfassungsgericht bestimmt und gleichzeitig jede Art von Kontrolle durch die Opposition verhindert, indem sie Untersuchungsausschüsse und die ordnungsgemäße Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums blockiert.
Vielleicht würden Ihre Wähler auch denken: Die Linke meint es ernst und reicht anderen demokratischen Kräften die Hand?
Wir reichen die Hand, aber wir wollen auch etwas von unseren Zielen durchsetzen. Kompromiss ist das Wesen der Demokratie, das müsste auch die CDU eigentlich wissen.
Einer Sondersitzung des Bundestags während der Sommerpause haben Sie schon eine Absage erteilt.
Aber nicht aus Prinzip. Inhaltlich sind die Union und die SPD keinen Millimeter weiter als am 11. Juli. Was soll es bringen, die Abgeordneten vom halben Erdball zurückzurufen, um dann wieder dasselbe Ergebnis zu haben? Wenn es einen Plan gibt, wie es weitergeht, wenn es Gespräche mit uns gab, dann kann es gern auch eine Sondersitzung geben. Dafür muss die Union auch nicht öffentlich zu Kreuze kriechen und sagen: Ab jetzt reden wir mit euch. Das kann alles unter dem Radar laufen. Aber bisher kam gar nichts.
Wie stehen Sie zur SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf? Sollte sie ihre Kandidatur zurückziehen?
Ich kenne sie nicht. Mit der Personalie beschäftigt sich bei uns Clara Bünger, unsere rechtspolitische Sprecherin, und der vertraue ich in der Frage. Ich habe nur gehört, dass Frau Brosius-Gersdorf in wirtschaftspolitischen Fragen eher einen liberalen Kurs vertritt, und mir gedacht: Mist, wahrscheinlich wäre sie gegen den Mietendeckel. Aber da zählt dann eben das Prinzip Vorschlagsrecht, dass die demokratischen Parteien einander zustimmen, auch mit Zähneknirschen. Solange es nicht richtig an die Grundfesten geht, sollte man zustimmen – wenn wir auch ein Vorschlagsrecht haben.
Für die Union ging es, was die Frage der Schwangerschaftsabbrüche angeht, offenbar an die Grundfesten. Haben Sie dafür Verständnis?
Nein. 80 Prozent der Deutschen finden es falsch, dass Abtreibungen rechtswidrig sind. Die Union sollte endlich kapieren, dass wir nicht mehr in den Sechzigerjahren sind.
Eine weitere rote Linie ist für die Union die Zusammenarbeit mit der Linken. Es geht dabei auch um die Frage, ob die sogenannte Brandmauer gegen die AfD halten kann, wenn die zu Ihrer Partei fällt. Hinzu kommt, dass Ihre stark gewachsene Fraktion nicht gerade gemäßigt wirkt. Wie radikal sind Sie?
Dass eine Zusammenarbeit mit uns dazu führt, dass die Abgrenzung von der AfD scheitert, halte ich für ein sehr theoretisches Argument. Im Wahlausschuss hat die CDU schon gezeigt, dass sie im Zweifel bereit ist, sich gegen ihren Kanzler zu stellen und Mehrheiten mit der AfD in Kauf zu nehmen. Da hat die AfD nämlich schon für den Unionskandidaten Spinner gestimmt. Und an einem Wahlgang für ihn wollte Spahn festhalten, als schon klar war, dass die Mehrheit für Brosius-Gersdorf nicht da ist. Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft: Natürlich sind wir linksradikal, wenn es um Mieten und Wohnen geht. Es ist nicht richtig, dass die Mieten immer weiter explodieren. Wenn mich dann jemand, der als Vermieter nicht zu fairen Preisen vermietet, sondern einen Riesenreibach macht, zu radikal findet, dann soll er das tun. Ich möchte solchen Menschen das Geld, das sie anderen Menschen weggenommen haben, wieder abnehmen. Für sie bin ich gern ein Extremist.
Es geht in der Debatte um die Radikalität der Linken aber nicht nur um Mieten, sondern auch um Forderungen nach der Abschaffung des Kapitalismus, einem Ausstieg aus der NATO oder darum, dass Sie im Parlament Antifa-Schlachtrufe skandieren. Was sagen Sie dazu?
Im Grundgesetz steht nichts davon, dass der Kapitalismus unsere Wirtschaftsordnung sein muss. Gleichzeitig bin ich dafür, dass es Reichtum gibt. Ich habe gar nichts dagegen, zwei Millionen auf dem Konto zu haben und in einer Hängematte am Strand zu liegen. Auch bei Forderungen wie „Leistung muss sich lohnen“ bin ich dabei. Aber das muss auch und vor allem für all die Menschen gelten, die sich jeden Tag auf Baustellen und in Krankenhäusern krummlegen und die echten Leistungsträger unserer Gesellschaft sind. Die Auswüchse des Kapitalismus müssen beschnitten werden, und die Grundbedürfnisse des Lebens dürfen nicht kapitalistisch organisiert werden. Da hilft auch ein bisschen Regulierung nicht, da muss man weitergehen, vergesellschaften und zum Beispiel große Wohnkonzerne enteignen. Und zum Schlachtruf „Alerta, alerta, antifascista“ kann ich nur sagen: Eine antifaschistische Grundhaltung sollte in diesem Land nicht nur die Linkspartei haben.
Antifaschismus mag für Sie für ein demokratisches Grundprinzip stehen, für andere ist es ein linksextremistischer Kampfbegriff.
Ich bleibe dabei, für mich bedeutet Antifaschismus, die Demokratie gegen die AfD und rechtsextreme Tendenzen zu verteidigen. Ich hoffe doch, dass auch wertkonservative Menschen mit dabei sind.