Es gibt ganz klar Bewegung auf der Nachfrageseite. Deutschland ist wieder mit Abstand der größte Elektromarkt in Europa, und auch regulatorisch ist ein bisschen was in Bewegung gekommen. Wir freuen uns über die Maßnahmen, die die neue Bundesregierung getroffen hat. Die erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten beispielsweise werden gerade Gewerbetreibenden viele Möglichkeiten geben, noch kurzfristig in diesem Jahr umzustellen. Das Thema Stromsteuer unterstützt Deutschland als Industriestandort.
Aber reichen diese Maßnahmen?
Steuerliche Förderungen, aber auch die Förderung der Ladeinfrastruktur sind eine Bewegung in die richtige Richtung und zu begrüßen. Wir wissen, dass es noch weitere Instrumentarien gibt, die in anderen europäischen Ländern für sehr viel Bewegung gesorgt haben. Ich möchte hier besonders das französische Sozial-Leasing erwähnen, bei dem der Staat die Leasingraten für untere und mittlere Einkommensklassen subventioniert. Wir wissen, dass gerade der untere Preisbereich von Elektrofahrzeugen deutlich stärker durch derartige Programme stimuliert werden kann. Diese Diskussion führen wir auch in Deutschland zurzeit.
Wir haben ganz klare Ziele im Bereich der Dekarbonisierung unseres Unternehmens und unseres Fahrzeugangebots. Es ist allerdings auch wahr, dass wir vor fünf Jahren alle gemeinsam einen schnelleren Hochlauf der Elektromobilität erwartet haben. Und dann ist es natürlich auch richtig, dass wir unsere entsprechende Planung jeweils überprüfen und an die neuen Bedingungen anpassen. Das tun wir im Moment.

Haben Sie also zu früh zu stark auf die Elektromobilität gesetzt?
Im Gegenteil: Wir haben sehr früh stark mit unserer „Multi Energy“-Strategie auf die Elektromobilität gesetzt. Das heißt, wir befinden uns heute in der sehr guten Position, dass wir dem Kunden alle unsere Modelle mit jedem Antrieb anbieten können. Wir profitieren von der Flexibilität, die unsere Strategie im Einkauf und in den Werken bietet. Wir bauen hier in Rüsselsheim den Astra. Den können Sie als vollelektrisches Fahrzeug, als Plugin-Hybrid, als Hybrid oder als Verbrenner haben. Das Werk ist praktisch zu 100 Prozent flexibel beim Verbau der Antriebe. Wir können also wirklich sehr gut reagieren auf Schwankungen, die im Hochlauf zwangsläufig vor uns liegen.
Wenn man alle Motoren auf einer Plattform bieten muss, sind das nicht zu viele technische Kompromisse, die manche Vorteile des reinen Elektroantriebs schmälern?
Mit dem neuen Grandland und dem neuen Frontera sind die Plattformen von Anfang an komplett elektrisch konzipiert worden. Das bedeutet, dass die Batterien in einem Block verbaut sind, anstatt sie wie zuvor im entsprechenden Raum zu verteilen. Das macht den Elektroantrieb zudem leistungsfähiger. Und so gehen wir Schritt für Schritt voran. Wir entwickeln die Plattformen und Modelle kontinuierlich weiter und optimieren sie für die vollelektrische Mobilität. Die ersten vollelektrischen Modelle Corsa und Mokka hatten Reichweiten von etwas über 300 Kilometer, heute kommen sie auf mehr als 400 Kilometer Reichweite. Und in wenigen Wochen werden wir die Grandland-Variante mit bis zu knapp 700 Kilometern auf dem Markt haben.
Wie sind Ihre Aussichten für die weitere Elektrifizierung Ihrer Modellpalette?
Opel hat bereits seit letztem Jahr als erster deutscher Hersteller ein komplett elektrifiziertes Lineup. Wir sind jetzt bereits bei 15 Prozent Elektromix in Deutschland. Im aktuellen Bestelleingang sehen wir, dass die Tendenz deutlich ansteigt. Ich gehe davon aus, dass Opel dieses Jahr mehr als die Hälfte aller Fahrzeuge vollelektrisch oder elektrifiziert verkauft.
Der neue Stellantis-Konzernchef Antonio Filosa will künftig mehr Verantwortung und Entscheidungsmöglichkeiten zu den Marken und den Regionalmanagern für die Märkte verlagern. Bieten die neuen Möglichkeiten denn auch Chancen für Opel, etwa für das Motorenangebot? Ihr neues SUV Grandland hat derzeit ein eher schmales Angebot an Motoren, ein Mildhybrid, ein Plug-in, ein Elektromodell.
Wir haben zum Grandland ja noch nicht alle Antriebsversionen vorgestellt. Es war uns aber wichtig, mit dem batterieelektrischen Modell zu starten, um zu zeigen, dass die neue Mittelklasseplattform wirklich auf Elektrotechnik aufbaut. Derzeit gibt es den Grandland mit zwei Batteriegrößen und Reichweiten, nun gibt es zusätzlich ein Elektromodell mit Allradantrieb und 320 PS. Dann haben wir eine Long-Range-Batterie in Vorbereitung, mit einer Reichweite von an die 700 Kilometern. Und es gibt auch eine starke Plug-in-Version mit 195 PS und 85 Kilometern rein elektrischer Reichweite.
Was geschieht mit den anderen Modellen?
Opel hat das früher schon beliebte Sportkürzel GSE wiederbelebt. Zunächst werden wir mit dem vollelektrischen Mokka GSE sportliche Akzente setzen. Wir stecken mitten in der Produktplanung für die nächste Modellgeneration.
Werden diese künftigen GSE alle elektrisch angetrieben?
Opel hat eine lange Tradition mit Performance-Modellen und Motorsport. Das sportliche GSE-Kürzel haben wir zuletzt für Plug-in-Motoren im Astra, Astra Sports Tourer und in der früheren Version des Grandland verwendet. Aber wir haben von Anfang an gesagt, dass unser Ziel ist, auch im elektrischen Zeitalter aufregende Modelle auf den Markt zu bringen. Und wir denken, dass der Name GSE künftig zeigen kann, dass Elektromobilität eben auch eine ganze Menge Spaß machen kann.
Welche Perspektiven haben Sie für den Antrieb?
Da müssen wir nun ein paar grundsätzliche Fragen beantworten zum künftigen Motorenangebot. Wir werden den Kunden beim Antrieb auch in Zukunft eine Wahlmöglichkeit geben, solange es in den kommenden Jahren noch Unsicherheit gibt und solange nicht klar ist, mit welcher Geschwindigkeit die Umstellung der Antriebstechnik vor sich geht. Uns ist wichtig, dass wir auf dem Weg zur Elektromobilität alle mitnehmen können, die Händler und die Kunden in allen Ländern.
Auch der in Rüsselsheim hergestellte Opel Astra ist schon seit drei Jahren auf dem Markt. Wird da etwas passieren?
Der Astra wird zu gegebener Zeit ein sehr interessantes Update bekommen.
Zuletzt gab es Probleme sowohl mit den Standard-Benzinmotoren und deren Keilriemen, jetzt auch noch einen Rückruf für viele Dieselmodelle. Ist das ein Zeichen dafür, dass unter der Führung des früheren Stellantis-Chefs Tavares die Sparpolitik zu weit ging?
Wir haben zum einen ein umfassendes Programm präsentiert, um unsere Kunden zu schützen. Für die Puretech-Benzinmotoren wurde die Garantie unter bestimmten Voraussetzungen auf zehn Jahre verlängert, damit den Kunden geholfen wird, wenn der Motor nicht die erwartete Laufleistung bieten kann. Zugleich haben wir auch die Motoren weiterentwickelt, sodass wir nun für die Zukunft sehr zuversichtlich sind.
Tatsache ist, dass das Angebot an bezahlbaren Kleinwagen drastisch abgenommen hat und dass gerade im früheren Einstiegsbereich, der Kleinwagen für 15.000 oder 18.000 Euro, viel Marktvolumen verloren gegangen ist. Die EU-Vorschriften für die Technikausstattung der Autos gilt für die Kleinwagen genauso wie für alle anderen, im Verhältnis zum Preis eines Kleinwagens ist der Anteil der Kosten aber besonders hoch. Zum Teil brauchen die Autos dafür auch eine neue elektrische Architektur, und weil wir beispielsweise beim Opel Crossland nicht mehr diesen Aufwand betreiben konnten, mussten wir dieses Modell aus dem Programm nehmen.
Was verlangt die EU nun in modernen Kleinwagen?
Wir müssen heute in die neuen Kleinwagen eine Erkennung für Geschwindigkeitslimits einbauen und eine Warnung bei Überschreitung dieser Geschwindigkeit, eine Müdigkeitserkennung, Spurhalteassistenten, eine aufwendige Luftdrucküberwachung für jeden einzelnen Reifen und vieles mehr. All das macht die Autos teurer und schwerer. Daher wünschen wir uns, dass das Thema der bezahlbaren Kleinwagen wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt wird. Mein erstes Auto war ein Corsa A, der nur 735 Kilogramm wog.
Was könnte man weglassen?
Manche der vorgeschriebenen Assistenten sind womöglich im Stadtverkehr nicht so wichtig. Ein Spurhalte- und ein Müdigkeitsassistent sind wichtig für stundenlanges Fahren auf der Autobahn, aber nicht für den Stadtverkehr. Da ist die Frage, ob das unbedingt erforderlich ist, und ob das in Europa im Interesse der Mobilität für alle sein kann.
Die Zollpolitik der USA könnte nun Stellantis-Fabriken in Kanada und Mexiko in Bedrängnis bringen. Gäbe es denn eine Chance, von dort den Van Chrysler Voyager oder das SUV Jeep Wagoneer S mit einem Opel-Emblem auf dem europäischen Markt zu verkaufen?
Opel ist eine europäische Marke und entwickelt sich in eine andere Richtung. Wir haben in den letzten Jahren unser Geschäft im gesamten Mittelmeerraum sehr gut entwickeln können. Wir sind einer der großen Player in der Türkei, erfolgreich in Marokko und auch in Ägypten oder Algerien präsent. Wir werden uns darauf konzentrieren, weitere Modelle im Mittleren Osten und in Afrika auf den Markt zu bringen.
Stellantis hat 14 Marken und vertreibt in Europa neuerdings auch noch Fahrzeuge des chinesischen Elektroautoherstellers Leapmotor. Stehen sich die Marken nicht gegenseitig im Wege?
Das Mehrmarkenmodell von Stellantis in Deutschland ist ein Erfolg. Das zeigt sich in den Ergebnissen der Händler und in der Marktdurchdringung.
Jede Marke hat ihr eigenes Anforderungsprofil. Wir haben mit Alfa Romeo in Deutschland eine sehr große Community. Es ist eine starke Marke mit großer Strahlkraft und einem engagierten Händlernetz, und es gab in den letzten Jahren einige Neuerungen wie den neuesten Alfa Junior, der sich wirklich gut schlägt in Deutschland. Alfa Romeo wächst dieses Jahr in Deutschland im Marktanteil. DS wird jetzt in Kürze zwei neue Modelle auf den Markt bringen, von denen eines wieder in Rüsselsheim produziert wird. Davon versprechen wir uns neue Impulse. Marken wie Alfa Romeo und DS hilft zudem das Stellantis-Händlernetz, denn dort können regional starke Marken die anderen unterstützen.
Ist der Chefwechsel bei Stellantis jetzt auch ein Antrieb für alle, ein bisschen kreativer zu sein, weil nach dem Abgang von Carlos Tavares nicht mehr alle die Zentrale in Paris fürchten müssen? Wird es auch für Opel möglich, mit einer Designstudie oder einem Nischenmodell Aufsehen zu erregen, wie das Alfa Romeo gemacht hat?
Wir setzen sehr viel auf die Verantwortung und die Initiative jedes Einzelnen. Ich erwarte von unserem Team hier in Deutschland, dass es kreativ nach Lösungen sucht. Der deutsche Markt ist anders als der Süden Europas. Opel hat klar den Auftrag, innerhalb von Stellantis den Norden und Osten Europas zu bedienen. Das ist unser Territorium, da sind wir mit Abstand die meistverkaufte Stellantis-Marke. Dort nutzen wir die Möglichkeiten, die wir haben, um unsere Produkte voranzubringen. Nehmen Sie den Grandland. Das ist ein deutlicher Schritt nach vorne im Vergleich zum Vorgänger.
Was ist für die IAA zu erwarten?
Eine Menge. Wir werden einerseits die sportlichen Modelle zeigen, die wir schon angekündigt haben, und wir werden in guter Opel-Tradition mit einem Konzeptfahrzeug einen Ausblick auf die Zukunft geben. Dieses Jahr steht hier die Emotion der Elektrifizierung im Vordergrund.