Mini-Seismometer
Android-Smartphones werden zu Erdbeben-Detektoren
21.07.2025 – 11:39 UhrLesedauer: 2 Min.

Android-Smartphones nutzen ihre Sensoren, um Erdbeben zu erkennen und Millionen Menschen rechtzeitig zu warnen. Die Trefferquote ist überraschend hoch.
Ein Erdbebenwarnsystem, das die Sensoren von Android-Smartphones nutzt, hat sich nach dreijähriger Testphase als hocheffektiv erwiesen. Das System “Android Earthquake Alerts” (AEA) erreicht rund 2,5 Milliarden Menschen in 98 Ländern und übertrifft damit herkömmliche Warnsysteme bei Weitem.
Die Forscher von Google, der University of California und Harvard haben ihre Ergebnisse nach dreijähriger Testphase im Wissenschaftsjournal “Science” veröffentlicht. Dem Bericht zufolge erkannte das System zwischen 2021 und 2024 durchschnittlich 312 Erdbeben monatlich mit Magnituden zwischen 1,9 und 7,8.
Die Technologie nutzt Beschleunigungssensoren in Android-Geräten, die ursprünglich zur Erkennung der Bildschirmausrichtung entwickelt wurden. Diese registrieren die charakteristischen P- und S-Wellen von Erdbeben, die sich schneller ausbreiten als die oft gefährlicheren Oberflächenwellen. Das System ist direkt in Android-Geräte integriert und läuft automatisch im Hintergrund – Nutzer müssen keine App herunterladen oder installieren.
Bei einem Erdbeben entstehen verschiedene Wellentypen: P-Wellen (Primärwellen) sind schnell, aber schwach und erreichen Smartphones zuerst, während S-Wellen (Sekundärwellen) langsamer sind und den Boden seitlich hin und her schwingen lassen. Die Zeitdifferenz zwischen beiden Wellen nutzt das Warnsystem, um Menschen vor den stärkeren Oberflächenwellen zu warnen.
Sobald ein Smartphone entsprechende Bewegungen erkennt, sendet es die Daten samt ungefährer Standortinformationen an Google-Server. Diese analysieren die Informationen und berechnen Ursprungsort, Tiefe und Stärke des Bebens. Ab einer Magnitude von 4,5 erfolgt automatisch eine Warnung.
Die Bilanz der dreijährigen Testphase zeigt eine hohe Zuverlässigkeit: Von insgesamt 1.279 versendeten Warnungen erwiesen sich lediglich drei als Fehlalarme. Zwei davon entstanden durch Gewitter, einer durch eine Massenbenachrichtigung, die viele Geräte gleichzeitig zum Vibrieren brachte.
Nutzerbefragungen ergaben, dass 36 Prozent der Warnungen vor dem spürbaren Erdbeben eintrafen, 28 Prozent zeitgleich und 23 Prozent danach. Rund 85 Prozent der Befragten bewerteten das System als “sehr hilfreich”.
AEA unterscheidet zwischen zwei Alarmtypen: “Take Action”-Warnungen bei erwarteten starken Erschütterungen (ab Intensität 5) fordern zu Schutzmaßnahmen auf und werden auch bei aktivierter Ruhefunktion angezeigt. “Be Aware”-Hinweise informieren bei schwächeren Beben dezenter über die Situation.
Das System erreicht Entfernungen von bis zu 200 Kilometern bei P-Wellen und 350 Kilometern bei S-Wellen. In der Türkei beispielsweise werden monatlich etwa 312 Erdbeben erfasst.
Experten sehen jedoch auch Schwächen: Bei sehr starken Erdbeben ab Magnitude 6,5 stößt das System an seine Grenzen, da es nur einen Punkt als Quelle berechnet, während sich Bruchzonen über hunderte Kilometer erstrecken können. Dies zeigte sich bei den verheerenden Erdbeben in der Türkei im Februar 2023, deren Stärke das System zunächst unterschätzte.
Experten sehen das Smartphone-System als Ergänzung zu herkömmlichen Messstationen, nicht als Ersatz. Die Handy-Sensoren sind deutlich ungenauer als professionelle Geräte, gleichen dies aber durch ihre große Anzahl aus.
Vor der Einführung von AEA hatten lediglich 250 Millionen Menschen Zugang zu Erdbebenwarnsystemen, die hauptsächlich in Japan, Mexiko, Taiwan, Südkorea, den USA, Israel, Costa Rica und Kanada existierten. Das Android-System erweitert diese Abdeckung nun auf 2,5 Milliarden Nutzer und schließt wichtige Lücken in erdbebenreichen Gebieten ohne entsprechende Infrastruktur.