Dax-Chefs werben für Deutschland

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Im Berliner Regierungsviertel ist es leer geworden, die meisten Abgeordneten sind in ihre Wahlkreise zurückgekehrt. Am Montag aber wurde es zumindest im Kanzleramt noch einmal richtig voll. Rund 50 Unternehmensvertreter kamen mit Friedrich Merz (CDU) zusammen, um gemeinsam für den Standort Deutschland zu werben. Ganz vorn mit dabei waren die Initia­toren der Initiative „Made for Germany“, Deutsche Bank-Chef Christian Sewing und Siemens-Chef Roland Busch. „Deutschland ist zurück, es lohnt sich, wieder in Deutschland zu investieren“, sagte Merz nach dem rund einstündigen Treffen. Es gebe einen Stimmungsumschwung in der Wirtschaft, der nun „verstetigt“ werden müsse. Die Initiative der Unternehmen sei dafür ein „kraftvolles Signal“. Merz fügte hinzu, mit den Investitionen der Unternehmen sei die Erwartung verbunden, dass die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt würden. „Wir stehen vor einer der größten Investitionsinitiativen, die wir in Deutschland in den letzten Jahrzehnten gesehen haben.“

631 Milliarden Euro wollen die insgesamt 61 beteiligten Unternehmen gemäß einer gemeinsamen Mitteilung bis 2028 in Deutschland investieren. Ein dreistelliger Milliardenbetrag davon sollen zusätzliche Investitionen sein. Zu Investitionssummen für konkrete Projekte war nichts zu erfahren. Regierungssprecher Stefan Kornelius sprach von einem „wuchtigen Signal“, das sich an die Menschen in Deutschland und an ausländische Investoren richte. Kritik, es handele sich um eine Showveranstaltung, wies er zurück. „Das ist keine PR-Aktion, sondern eine konzertierte Ak­tion. Regierung und Industrie zeigen, dass in diesem Land Investitionen möglich sind und sich lohnen.“ Neben Merz nahmen an dem Treffen im Kanzleramt auch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Wirtschaftsministerin Kathe­rina Reiche (CDU) teil. Federführend in der Planung waren neben Sewing und Busch die Kommunikationsagentur FGS und das Medienhaus Axel Springer.

„Es wird nicht investiert, weil plötzlich eine Art Standortpatriotismus ausbricht“

Friedrich Merz kommt die Unterstützung aus der Wirtschaft sehr gelegen. Nach dem koalitionsinternen Streit um die Stromsteuer und die Besetzung der Richterstellen am Bundesverfassungsgericht ist man im Kanzleramt froh über gute Nachrichten. Immer wieder betonte Merz zuletzt, dass sich die Prognosen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute aufhellten. „Unser Land ist einer der attraktivsten Investitionsstandorte der Welt“, sagte er am Montag. Was er nicht erwähnte, war die anhaltende Unsicherheit, die wegen der Zollpolitik des ame­rikanischen Präsidenten Donald Trump auf den Wachstumsprognosen lastet. Sollten der im April angedrohte Basiszoll von 20 Prozent oder die jetzt im Raum stehenden 30 Prozent kommen, könnte das die Hoffnung auf einen Aufschwung schnell zunichte machen.

Die von den Unternehmen der Initia­tive zugesagte Investitionssumme von 631 Milliarden Euro bis 2028 vergleicht sich mit privatwirtschaftlichen Investitionen – ohne Wohnungsbau – von 493 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Ökonomen erwarten nicht, dass die Initiative einen bedeutenden wirtschaftlichen Impuls auslösen wird. „Ich würde den Effekt solcher Initiativen so einschätzen, dass er kaum über den heutigen PR-Tag hinausreicht“, sagt der Konjunkturchef des Ins­tituts für Weltwirtschaft in Kiel, Stefan Kooths. „Es wird ja nicht investiert, weil plötzlich eine Art Standortpatriotismus ausbricht. Am Ende des Tages entscheiden die Rahmenbedingungen darüber, ob in Deutschland investiert wird oder nicht.“ Diese hätten sich noch nicht verbessert, sagt Kooths. Impulse für Investitionen seien gut, aber nicht genug, stellt Clemens Fuest, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, dem Kanzler ein durchwachsenes Zeugnis aus. „Leider hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die weder Ausgaben begrenzen noch Wachstumskräfte stärken.“

Investitionen um sechs Prozent zurückgegangen

Die Initiative kommt zu einer Zeit, in der Ökonomen die seit 2022 andauernde Wachstumsschwäche vor allem mit zu geringen Investitionen begründen. Der Woh­nungsbau steckt seit Jahren in der Krise, auch die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes scheuen in der Stagnation neue Investitionen. Die Bundesregierung versucht mit schuldenfinanzierten Milliardenpaketen für die In­frastruktur und die Verteidigung gegenzusteuern. Maßgeblich aber sind die In­vestitionen der Privatwirtschaft, die fast viermal so viel investiert wie die öffent­liche Hand (siehe Grafik).

Seit dem Hoch vor der Pandemie im Jahr 2019 sind die Investitionen der Privatwirtschaft insgesamt bis 2024 um fast sechs Prozent zurückgegangen, inflationsbereinigt und ohne den Wohnungsbau gerechnet. Zwölf Prozent weniger als noch 2019 investierten die Unternehmen im vergangenen Jahr in Ausrüstungen, also in Maschinen oder den Fuhrpark. Das Minus im Nichtwohnungsbau, also vor allem im gewerblichen Wirtschaftsbau, betrug 14 Prozent. Beschleunigt investierte die Privatwirtschaft aber in Forschung und Entwicklung plus 23 Prozent.

Die Investitionsschwäche im Inland geht einher mit einer Schwäche grenzüberschreitender Investitionen. Seit 2021 hat der Umfang neuer ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland sich mehr als halbiert. Halbiert aber haben sich auch die deutschen Direktinvestitionen im Ausland. Die Deutsche Bundesbank begründet die grenzüberschreitende Investitionsschwäche mit der hohen politischen und wirtschaftlichen Un­sicherheit in den vergangenen Jahren. Nicht nur in Deutschland, auch global haben die Direktinvestitionen sich zuletzt verhalten entwickelt.

Auffällig war, wer am Montag nicht im Kanzleramt dabei war, aber das Geschehen aus der Ferne kommentierte. Der Verband Gesamtmetall konterte Merz’ positive Darstellung mit den Zahlen zum Beschäftigungsabbau in der Metall- und Elektroindustrie. Binnen eines Jahres seien 98.400 Arbeitsplätze verloren gegangen, gegenüber 2023 140.000 und gegenüber dem bisherigen Höchststand im Jahr 2019 230.000. Hauptgeschäftsführer Oliver Zander mahnte, die Sozialversicherungsbeiträge dürften „auf keinen Fall weiter steigen“.

Vorbild Frankreich

Vorbild für das Investorentreffen ist die Veranstaltung „Choose France“, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seit 2018 einmal im Jahr im Schloss von Versailles abhält – anders als in Berlin nicht nur für eine Stunde, sondern einen Tag lang. In bilateralen Gesprächen, Diskussionsrunden und bei einem Galadinner im Spiegelsaal animiert Macron dort Wirtschaftsführer aus aller Welt, in Frankreich zu investieren. Indem der Élysée-Palast geplante Vorhaben im Vorfeld abklopft, konnte er in den vergangenen Jahren stets stattliche Summen präsentieren. 53 Investitionsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 40,8 Milliarden Euro waren es bei der diesjährigen Ausgabe von „Choose France“, davon 20,8 Milliarden Euro bis dato unter Verschluss gehaltene Vorhaben.

Anders als in der Veranstaltung in Berlin reichte die Teilnehmerliste in Frankreich in diesem Jahr von den Chefs der amerikanischen Bank Goldman Sachs, des Medienkonzerns Netflix und der Investmentsparten der Staatsfonds aus Qatar und Singapur über die Vizepräsidentin des chinesischen Autoherstellers BYD bis zu den Vorstandsvorsitzenden von Siemens, BASF und ENBW. Es gilt als offenes Geheimnis, dass einige Projekte ohnehin geplant waren. Auch folgen nicht allen Ankündigungen Taten, wobei laut Élysée-Palast bis 2024 nur rund zehn von insgesamt 178 im Rahmen von „Choose France“ vorgestellten Investitionsprojekten nicht umgesetzt wurden.

Kritik gibt es in Frankreich zudem daran, dass sich Macron gern mit den Mächtigen dieser Welt trifft, anstatt sich um die Nöte kleinerer Betriebe zu kümmern. Viele internationale Investoren loben den guten und direkten Austausch dagegen seit Jahren, nicht zuletzt deutsche Unternehmen. Diese positive Grundstimmung spiegelt sich im Barometer der Beratungsgesellschaft EY, in dem Frankreich zuletzt sechs Jahre in Folge Europas beliebtester Standort für ausländische Investoren war.