Die Internationale Meeresbodenbehörde verhandelt wieder über den Abbau von Manganknollen in der Tiefsee. Es geht um ökologische Schäden, wirtschaftliche Folgen – und den möglichen Profit einzelner Firmen.
Heute beginnt die jährliche Vollversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA in Kingston in Jamaika. Dabei wird darüber verhandelt, wer, ob und wann Staaten und Bergbauunternehmen Rohstoffe in der Tiefsee abbauen dürfen.
Drei Varianten und ein Ernstfall
Es liegen mehrere Vorschläge auf dem Tisch. Zum einen wird über ein festes Regelwerk, den sogenannten “Mining Code”, gesprochen. Er würde den Abbau erlauben, allerdings mit festen Regeln und Umweltstandards, die von den jeweiligen Unternehmen eingehalten werden müssten.
Die zweite Variante sieht eine vorsorgliche Pause vor, die “precautionary pause”, bis mehr über die Folgen des Tiefseebergbaus bekannt ist. Noch strenger wäre die Einigung auf ein sogenanntes “Moratorium”, das sprachlich zwar auch eine Pause beinhaltet, im Kontext des Tiefseebergbaus aber ein faktisches Verbot des Abbaus nach sich ziehen würde.
Können sich die Staaten auf keine der vorgeschlagenen Möglichkeiten einigen, könnte es theoretisch zu einem ungeregelten Abbau ohne internationale Kontrolle kommen.
Ökologische und wirtschaftliche Schäden
Die Verhandlungen sind auch deshalb schwierig, da das genaue Ausmaß der ökologischen Folgen noch nicht vollständig bekannt sind. Denn beim Abbau von Manganknollen wird Material vom Meeresboden teilweise kilometerweit in das darüberliegende Wasser geschleudert, Lärm und Sedimentwolken beeinflussen auch Organismen, die nicht am Meeresboden leben.
Was das langfristig für das Ökosystem bedeutet, ist aber noch nicht abzusehen. Noch Jahrzehnte nach Tests zum Abbau zeigen sich zum Beispiel die Spuren der Geräte im Tiefseeboden. Viele Tiere in der Tiefsee wachsen sehr langsam. Es könnte Jahrhunderte dauern, bis Schäden die in der Tiefsee verursacht werden ausgeglichen sind.
Diese Schäden können sich auch wirtschaftlich bemerkbar machen. “Wenn die Ökologie beeinträchtigt wird, wirkt sich das auf Tiere, zum Beispiel Fische, aus, was zu Nahrungsproblemen, Existenzproblemen und weniger Einkommen führt”, so der Meeresökonom Rashid Sumaila von der University of British Columbia in Kanada. Laut seinen Berechnungen könnte das wirtschaftliche Risiko besonders in den Bereichen Fischerei und Tourismus in Küstenregionen um bis zu 14 Prozent steigen. Auch das muss in den Verhandlungen in Jamaika berücksichtigt werden.
Die USA im Alleingang
Die Verhandlungen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde umgehen möchte “The Metals Company” aus Kanada. Im März veröffentlichte der CEO des Unternehmens, Gerard Barron, ein Statement, in dem er die ISA kritisierte. Die kommerzielle Industrie sei bei der Behörde nicht willkommen, so Barron.
Unternehmen müssen sich bei der ISA einen Staat suchen, der sie bei ihrem Vorhaben zum Tiefseebergbau in internationalen Gewässern unterstützt. Nachdem “The Metals Company” sich zunächst über den Inselstaat Nauro eine Lizenz zum Abbau bei der Behörde verschaffen wollte, hat sich das Unternehmen jetzt als Abkürzung die USA als Verbündeten außerhalb der ISA gesucht. Da Washington das internationale Seerechtsübereinkommen nicht unterzeichnet hat, sind die Regelungen im Rahmen der ISA für die USA nicht direkt bindend.
Maßnahmen unwahrscheinlich
Das Vorhaben verstoße zwar wahrscheinlich gegen Völkerrecht, schätzte die Rechtswissenschaftlerin Nele Matz-Lück von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Situation gegenüber dem Science Media Center Deutschland ein. “Die Möglichkeiten, dem Einhalt zu gebieten, sind gering. Vor einen internationalen Gerichtshof, wie den IGH in Den Haag, kann man die USA ohne ihre Zustimmung nicht zitieren”, sagt sie. Gegenmaßnahmen über Handelssanktionen hinaus seien unwahrscheinlich.
Bei der UN-Ozeankonferenz in Nizza im Juni haben sich immerhin 20 Staaten, darunter auch Deutschland, in einer gemeinsamen Erklärung gegen nationale Alleingänge – auch der USA – in Sachen Tiefseebergbau ausgesprochen. Seit der Konferenz unterstützen darüber hinaus insgesamt 37 Länder ein Moratorium oder eine vorsorgliche Pause in Sachen Tiefseebergbau – vier Staaten sind in Nizza dazugekommen.
National keine Regulierung
Bei der ISA verhandelt wird jedoch auch nur über den Tiefseebergbau in internationalen Gewässern. Was jeder Staat vor der eigenen Haustür abbaut, lässt sich international nicht regulieren. Norwegen hatte so beispielsweise Tiefseebodenbergbau in den eigenen Gewässern der Arktis geplant. Dieses Unterfangen ist derzeit ausgesetzt.
Wirtschaftlichkeit zweifelhaft
Ob der Abbau der Manganknollen überhaupt wirtschaftlich ist und ob die Rohstoffe für die Energiewende nötig wären, steht derweil auch in Frage. “So einzigartig sind die Manganknollen gar nicht”, sagt Andreas Manhart vom Öko-Institut in Freiburg. Manche Fachleute halten die Knollen in ihrer Bandbreite für überschätzt. “Wenn man die komplette Analyse fährt, findet man fast das halbe Periodensystem. Aber das findet man auch im Pflasterstein.”
Wirtschaftlich aus der Tiefsee gewonnen werden könnten Kupfer, Kobalt und Nickel. Mit ein wenig Aufwand auch das namensgebende Mangan. Allerdings sei gerade bei diesen vier Elementen der wirtschaftliche Bedarf für die Energiewende gar nicht so hoch, so Manhart. Denn immer mehr Batteriehersteller produzieren ohne Kobalt und teilweise auch ohne Nickel. Kupfer und Mangan ließen sich auch an Land ausreichend gewinnen.