Harvard und US-Regierung streiten vor Gericht

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Donald Trump baute nach der Anhörung vor dem Bundesgericht in Boston schon vor, sollte der Fall nicht so ausgehen, wie die Regierung sich das wünscht. Die Richterin sei ein „absolutes Desaster“, schrieb der amerikanische Präsident am Montag auf seiner Onlineplattform. „Das sage ich schon, bevor ich ihr Urteil überhaupt gehört habe.“ Harvard sei „antisemitisch, antichristlich und antiamerikanisch“, aber bei dieser Richterin gingen alle Fälle „automatisch“ zugunsten der Universität aus.

Bundesbezirksrichterin Allison Burroughs hatte in Boston wenige Stunden vorher Zweifel an der Argumentation der Trump-Regierung durchscheinen lassen, die Harvard unter Berufung auf Antisemitismus mehr als zwei Milliarden Dollar Forschungsgelder entziehen will.

Sie selbst sei „beides, jüdisch und Amerikanerin“, sagte Burroughs im Austausch mit dem Anwalt der Trump-Regierung über die Frage, wie der Kampf gegen Antisemitismus etwa mit der Kürzung der Finanzmittel für die Krebsforschung zusammenhänge. „Sie entziehen nicht Laboren Fördermittel, die antisemitisch gewesen sein könnten, sondern kappen die Finanzierung auf eine Art und Weise, von der man sagen könnte, sie schade Amerikanern und Juden“, fuhr die Richterin fort.

„Hätten Kleingedrucktes lesen sollen“

Anwalt Michael Velchnik, selbst Absolvent der Harvard-Universität, widersprach dieser Darstellung scharf. Die Regierung zieht sich in ihrer Argumentation auf Vertragsrecht zurück. Man betrachte es als legitimes Mittel, Bundesgeld im Kampf gegen Antisemitismus zurückzuhalten, sagte Velchnik. Harvard „hätte das Kleingedruckte lesen sollen“. Es liege bei der Regierung, die Finanzierung von Universitäten zu beenden, wenn sie „nicht mehr im Einklang mit den Prioritäten“ stehe.

Richterin Burroughs kritisierte in der zwei Stunden langen Anhörung jedoch das Vorgehen der Regierung. Harvard habe Schritte im Kampf gegen Antisemitismus eingeleitet; die Regierung wiederum habe „keine Unterlagen, keine Verfahren, keine Prozesse geschaffen, um zu prüfen, ob diese Maßnahmen ausreichend sind“. Die möglichen Folgen für das Verfassungsrecht seien in ihren Augen „erschütternd“.

Die Privatuniversität hatte im April einen mehr als dreihundert Seiten langen Bericht zu antisemitischen Vorfällen auf dem Campus veröffentlicht, viele davon im Zusammenhang mit propalästinensischen Protesten. Darin legte die Hochschule auch Maßnahmen dar, mit denen sie auf die Vorfälle reagieren will. Die Regierung behauptet jedoch, diese Schritte seien unzulänglich.

Mit allen Mitteln gegen Harvard

Trumps Kampf gegen amerikanische Hochschulen stammt dabei nicht erst aus der Zeit der großen propalästinensischen Proteste im vergangenen Jahr. Er hatte schon im Wahlkampf versprochen, die „einst großartigen“ amerikanischen Bildungseinrichtungen „von den Linksradikalen zurückzuerobern“.

Im Falle Harvards drohte die Regierung nicht nur mit der Streichung von Forschungsmitteln, sondern auch mit dem Entzug der Steuerbefreiung. Außerdem entzog die Regierung der Universität vorübergehend die Zulassung zur Immatrikulation ausländischer Studierender – eine Maßnahme, die vor Gericht vorläufig gestoppt wurde. Trumps Vorwurf, Richterin Burroughs sei parteiisch, dürfte im Zusammenhang mit diesem Urteil stehen: Ende Juni hatte sie eine einstweilige Verfügung verlängert, die das Verbot ausländischer Studenten vorläufig außer Kraft setzte.

Die Universität hatte im April Klage eingereicht und argumentiert, das Vorgehen der Regierung verstoße gegen die in der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit und Bundesgesetze. In der Klageschrift hieß es, die Regierung halte Bundesgeld als „Druckmittel“ zurück, „um die Kontrolle über akademische Entscheidungen in Harvard zu erlangen“. Eskaliert war die Auseinandersetzung zwischen der ältesten Universität und der Regierung der Vereinigten Staaten vor drei Monaten, als Harvard die Forderung nach weitreichender Kontrolle über akademische Vorgänge zurückgewiesen hatte.

Einer der Anwälte Harvards, Steven Lehotsky, argumentierte am Montag, die Universität ziehe „für unsere verfassungsmäßigen Rechte“ vor Gericht. In diesem Fall gehe es „um die Kontrolle der Bundesregierung über die inneren Abläufe“ in Harvard. Richterin Burroughs stimmte der Argumentation Harvards insofern zu, als dass sie äußerte, man dürfte die Verfassung nicht verletzen, „um einen Vertrag zu beenden“. Es gebe Beschränkungen dafür, „was sich beenden lässt und warum und wie“.

Im Falle Harvards beträfen die Kürzungen mehr als 950 Forschungsprojekte. Die Privatuniversität hat das Gericht gebeten, bis Anfang September eine Entscheidung zu treffen. Damit bestünde die Chance, dass es angesichts der von der Regierung angesetzten Fristen gar nicht erst zu den angekündigten Kürzungen kommt.