Die indisch-amerikanische Ökonomin Gita Gopinath verlässt Ende August überraschend den Internationalen Währungsfonds und kehrt auf einen Lehrstuhl an die Harvard University zurück. Gopinath nannte keine Gründe für ihren Rückzug aus dem IWF und teilte lediglich mit, sie freue sich darauf, in Harvard „die Grenzen der Forschung in den Bereichen internationale Finanzen und Makroökonomie weiter voranzutreiben.“
Gopinath war seit 2022 erste stellvertretende geschäftsführende Direktorin und damit die Nummer zwei hinter der geschäftsführenden Direktorin Kristalina Georgieva gewesen. Traditionell wird die Position der Nummer zwei auf Vorschlag der Vereinigten Staaten besetzt. Damit erhält die Administration Trump die Gelegenheit, Einfluss auf den Fonds zu nehmen, dessen Aufgabenspektrum sie nach den Worten von Finanzminister Scott Bessent reduzieren möchte.
Die im Jahr 1971 in Indien geborene Ökonomin hatte schon zwischen 2010 und 2019 an der Harvard University gelehrt. Ihre besondere Expertise sind die internationalen Handels- und Finanzbeziehungen. Im Jahr 2023 erhielt sie den Bernard-Harms-Preis des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Im Jahr 2017 war sie Ko-Autorin eines Aufsatzes, der am Beispiel Spaniens zeigte, wie die niedrigen Zinsen vor der Großen Finanzkrise 2008/2009 Investitionen in wenig produktive Projekte begünstigt hatten, die zu einer erheblichen Schwächung der spanischen Wirtschaft beitrugen.
Freundin der Globalisierung
In den vergangenen Jahren befasste sie sich intensiv mit den Wesenszügen wichtiger Währungen; hierbei betonte sie, dass sich die Bedeutung einer Währung als internationales Zahlungsmittel und als internationale Kapitalanlage gegenseitig bedingten. Aus ihrer Sicht ist die führende Rolle des Dollars auf mittlere Sicht nicht angreifbar, aber auf lange Sicht keineswegs gesichert. Eine besondere Aufmerksamkeit schenkt sie spezifischen Bedingungen, unter denen Schwellenländer Wirtschafts- und Geldpolitik betreiben.
Gopinath war im Jahr 2019 als Chefökonomin zum Währungsfonds gewechselt, womit sie eine der für einen Ökonomen vermutlich einflussreichsten öffentlichen Positionen wahrnahm. Während der Pandemie befürwortete sie unermüdlich ein Festhalten an der bedrohten Globalisierung. Nach Ablauf ihres dreijährigen Vertrags wollte sie schon 2022 nach Harvard zurückkehren, doch dann ereilte sie der Ruf, als erste stellvertretende Direktorin eine leitende Position in der Exekutive des Fonds zu übernehmen. Zu ihren Zuständigkeiten gehören unter anderem die internationalen Beziehungen des Währungsfonds und seine Forschungsarbeiten.