Behörden und Unternehmen des Bundes vergeben jährlich etwa 16.000 Aufträge im Umfang von mehr als 50.000 Euro. Künftig sollen es noch mehr werden, um Mittel aus dem neuen Schuldenprogramm in die Infrastruktur zu investieren. Für Unternehmen, die sich um die Aufträge bewerben, setzt die Bundesregierung nun aber die Anforderungen hoch: Neben anderen Vergabebedingungen müssen sie künftig Vorgaben zur Höhe von Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten, die das Arbeitsministerium erlässt. Sonst werden sie vom Auftrag ausgeschlossen.
Dies sieht der Entwurf für ein „Bundestariftreuegesetz“ vor, den Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) fertiggestellt hat. Das Bundeskabinett soll ihn dem Ablaufplan zufolge im August beschließen. Damit sende die Regierung ein „starkes Signal“, sagte Bas: „Aufträge des Bundes sollen nur noch an Unternehmen vergeben werden, wenn sie tarifliche Standards gewährleisten.“ Bis auf einige kleinere Anpassungen entspricht ihr Entwurf einer Vorlage ihres Amtsvorgängers Hubertus Heil (SPD). Die FDP hatte diesen in der Ampelkoalition abgelehnt, weil er nach ihrer Ansicht einen unverhältnismäßigen Bürokratieaufbau verursacht hätte.
Ministerium legt für einzelne Branchen Lohnhöhen fest
Inwieweit das Gesetz mehr Unternehmen an Tarifverträge binden kann, ist fachlich umstritten. Da es im Rahmen der Tarifautonomie rechtlich schwierig wäre, Unternehmen direkt gesetzlich an einen bestimmten Tarifvertrag zu binden, geht man es anders an: Das Arbeitsministerium legt für einzelne Branchen per Rechtsverordnung Lohnhöhen, Sonderzahlungen und Urlaubsansprüche fest, die es aus vorhandenen Branchentarifverträgen ableitet. Bewirbt sich ein Unternehmen um einen öffentlichen Auftrag, dann muss es sich daran binden.
Der erhoffte Druck hin zu mehr Tarifbindung entsteht dadurch, dass sich der Bürokratieaufwand vor allem für Unternehmen ohne ministeriell anerkannten Tarifvertrag spürbar erhöht. Während die einen im Zweifel nur belegen müssen, dass der Tarifvertrag für sie tatsächlich gilt, haben die anderen umfangreiche Nachweispflichten zu erfüllen. Zu den hierfür „geeigneten Unterlagen“ können „Lohnabrechnungen, Zahlungsbelege, Arbeitsverträge und Arbeitszeitaufzeichnungen“ gehören, heißt es im Entwurf. Daraus müsse sich „ergeben, wie lange die jeweilige Arbeitnehmerin oder der jeweilige Arbeitnehmer an der Erbringung der unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallenden Leistung mitgewirkt hat“.
Neben Unternehmen ohne Tarifvertrag müssten auch solche mit Haustarifvertrag die Nachweise erbringen, falls ihr Tarifvertrag die Vorgaben nicht in allen Punkten übertrifft. Daneben entsteht ihnen mit der Umsetzung ein Mehraufwand. Sie müssen die Lohn- und Arbeitszeitregeln für ihre mit öffentlichen Aufträgen befassten Mitarbeiter vorübergehend ändern. Der Entwurf stellt aber klar, dass dies nur für solche Mitarbeiter gilt, die unmittelbar an dem Bundesauftrag arbeiten, also nicht etwa für Buchhaltungskräfte, die die Löhne dieser Kollegen abrechnen.
Was sagt Merz?
Abweichend von Heils Vorlage sieht der neue Entwurf zwei Einschränkungen vor. Zum einen soll das Gesetz nur für Aufträge von mehr als 50.000 Euro gelten, zuvor war eine Schwelle von 25.000 Euro geplant. Zum anderen sollen Aufträge der Bundeswehr bis Ende des Jahres 2032 ganz ausgenommen bleiben. Begründet wird das damit, dass diese sehr schnell ein „erhöhtes Niveau der Wehrhaftigkeit und Abschreckung“ erreichen müsse.
Inwieweit Bas’ Vorlage auch aus Sicht von CDU/CSU dem Koalitionsvertrag entspricht, war zunächst offen. Die Freigabe von Gesetzentwürfen fürs Kabinett erfolgt stets durch das Kanzleramt. Der Koalitionsvertrag gibt vor, Bürokratie im Tariftreuegesetz auf „ein absolutes Minimum“ zu begrenzen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte indes in seiner Sommerpressekonferenz am Freitag gesagt, dass seine Regierung für „weniger Regulierung“ sorge. „Wir nehmen das Thema Bürokratierückbau wirklich ernst.“ Arbeitsministerin Bas stufte das Gesetz als notwendige Ergänzung des Schuldenprogramms für die Infrastruktur ein. „Lohndumping mit Steuergeld schieben wir einen Riegel vor“, sagte sie. Zudem sorge es für höhere Löhne und stärke „die Binnennachfrage in außenpolitisch schwierigen Zeiten“. Mit diesem Vorhaben und ihrem Paket für stärkere Rentenerhöhungen setzt Bas zwei Versprechen der SPD an die Gewerkschaften um.