Die EU-Kommission nimmt die geplante Übernahme von Downtown Music durch das größte Musikunternehmen der Welt, Universal Music , genauer unter die Luppe. Nach einer ersten Untersuchung werde eine eingehende Prüfung des 775 Millionen Dollar schweren Deals eingeleitet, teilte die Behörde in Brüssel mit. Zur Begründung hieß es, es gebe Bedenken, dass mit der Übernahme durch den Marktführer der Wettbewerb auf dem Markt für Servicedienstleistungen für unabhängige Künstler und Labels verringert werde. Zudem erhalte Universal Zugriff auf „sensible Geschäftsdaten“.
Gegründet 2007 in New York gehört Downtown mit Gesellschaften wie Fuga oder CD Baby zu den führenden Anbietern von sogenannten „Artist & Label“-Services. Als solcher arbeitet Downtown mit Künstlern und Labels zusammen, die nicht mit einem der drei Majors verbunden sind, wie die führenden Konzerne Universal, Sony und Warner Music genannt werden. Zu den Angeboten gehören Vertrieb, Marketing oder das Einsammeln von Tantiemen. Zudem gehört zum Unternehmen ein Verlagsarm.
Im Gegensatz zur EMI-Zerschlagung, die Anfang der 2010er Jahre die Kommission beschäftigte, geht es so nicht um Rechte an Aufnahmen oder Songs. Downtown hält keine Musikrechte mehr, nachdem man vor vier Jahren ein Paket mit 145.000 Rechten an das US-Unternehmen Concord verkauft hat. Branchenmedien zufolge zahlte Concord damals mehr als 300 Millionen Dollar für den Katalog.
Wie die Majors mit Indies arbeiten
Die Majors verfügen über große eigene Labels und Verlage, sie investieren aber schon seit Jahren gezielt in Servicestrukturen. Die Downtown-Übernahme soll so formal auch über Universals Servicesparte Virgin vollzogen werden. Einerseits geht es darum, für Künstler anschlussfähig zu sein, die angesichts des weitgehend digitalen Marktes keinen Rundumvertrag mit einem Label wollen, sondern mehr selbst in die Hand nehmen wollen oder mit kleineren Partnern arbeiten und nur einzelne Dienstleistungen suchen. Zudem fungieren die Majors längst als Vertriebspartner für viele Indie-Labels, also solche, die nicht mehrheitlich zu den Konzernen gehören.
Sony erwarb schon 2015 den Vertrieb The Orchard und übernahm 2022 für mehr als 400 Millionen Dollar AWAL, einen großen und erfolgreichen Serviceanbieter. Universal kaufte im Oktober vergangenen Jahres das Indie-Label PIAS samt seinem Vertrieb für andere Indies. Warner Music wiederum stärkte weniger die eigene Servicesparte ADA, kaufte aber mit 300 Entertainment und 10K Projects zwei prominente Indie-Labels. 10K-Gründer Elliot Grainge ist der Sohn von Universal-Music-Chef Lucian Grainge und führt mittlerweile im Warner-Konzern das berühmte Label Atlantic Records.
Die im Dezember angekündigte Downtown-Übernahme hatte Kritik von Indie-Labels und Verbänden hervorgerufen. Der europäische Indie-Dachverband Impala begrüßte die Entscheidung der Kommission. Alle Branchen brauchten starke, große Unternehmen als Zugpferde und es müsse „gute Option“ geben, wenn Unternehmensgründer ihre Firmen verkaufen wollten, wurde Impala-Chefin Helen Smith in einer Mitteilung zitiert: „Allerdings gibt es einen Punkt, an dem ‚groß’ zu groß für das Ökosystem ist.“ Von der Vorsitzenden des deutschen Indie-Verbands VUT, Birte Wiemann, hieß es: „Für alle Fans des fairen Wettbewerbs und der Marktvielfalt ist heute ein Tag des Aufatmens“.
„Absichtliche Fehlinterpretation von Marktdaten durch eigennützige Parteien“
Universal teilte in einem Statement mit, man sei nach wie vor zuversichtlich, dass die Übernahme „ein verbessertes Angebot im wachsenden und hart umkämpften“ Services-Markt schaffen werde, der aktuell aus rund 100 Unternehmen bestehe. Hierzu zählt unter anderem die französische Firma Believe.
Weiter erklärte der Konzern, mit der Kommission „konstruktiv“ zusammenzuarbeiten, um die Vorteile des Deals darzulegen, sowie um die „absichtliche Fehlinterpretation von Marktdaten durch eigennützige Parteien“ zu adressieren, die nur einen winzigen Bruchteil der Tausende unabhängigen Labels repräsentierten, aus denen die globale Indie-Community bestehe. Universal hatte im Dezember erklärt, die Übernahme in der zweiten Hälfte dieses Jahres abschließen zu wollen. An diesem Plan halte man fest.
Die Kommission hat bis zum 26. November Zeit, um über den Deal zu entscheiden. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Universal Unternehmensteile von Downtown verkaufen muss, um die Übernahme vollziehen zu können. Das hatte die Kommission im Zuge der EMI-Übernahme zur Auflage gemacht. Noch gibt es aber keinerlei Tendenz. Die Untersuchung werde „ergebnisoffen“ geführt, hieß es in der Mitteilung der Kommission weiter.