Im Handelsstreit gehen die Verhandlungen der Europäischen Union mit den USA weiter. Handelskommissar Maroš Šefčovič wollte am Mittwochnachmittag europäischer Zeit wieder mit dem amerikanischen Handelsminister Howard Lutnick sprechen. Seit dem ergebnislosen Besuch von Šefčovič am Donnerstag der vergangenen Woche hatten beide Seiten nur noch Gespräche auf technischer Ebene geführt. Ein Sprecher sagte, die Kommission werde die EU-Staaten unmittelbar anschließend über den Stand der Verhandlungen informieren. Ziel bleibe eine Verhandlungslösung vor der von Trump ausgerufenen Deadline für einen „Deal“ am 1. August.
Parallel zu den Verhandlungen treibt die EU die Verabschiedung der Gegenzölle voran. Eine erste Liste steht, ist aber ausgesetzt. Sie umfasst US-Einfuhren im Wert von 21 Milliarden Euro, darunter Jeans und Motorräder. Hinzu soll eine zweite Liste mit Waren im Wert von rund 72 Milliarden Euro kommen, darunter Flugzeugteile und Bourbon-Whiskey. Die EU-Staaten sollen sie an diesem Donnerstag endgültig verabschieden. Das gesamte Paket – von dann insgesamt 93 Milliarden Euro – würde am 7. August in Kraft treten, wenn sich die EU und die USA nicht einigen. Das ist verglichen mit der EU-Einfuhr im Wert von 380 Milliarden Euro, die die US-Zölle trifft, wenig.
Trump hatte Anfang April einen Zoll von 20 Prozent auf fast alle Waren aus der EU verhängt, aber dann zunächst auf zehn Prozent gesenkt. Inzwischen droht er mit einem Zoll von 30 Prozent. Genau diesen Zollsatz will die EU-Kommission nach einer Meldung der Agentur Bloomberg dann auch als Gegenzoll erheben.
Offenbar wächst auch ansonsten in der EU die Bereitschaft, hart zurückzuschlagen. Frankreich und Deutschland seien sich einig, auch das als „Mittel der letzten Wahl“ geltende Anti-Erpressungs-Instrument einzusetzen, wenn es keinen Deal gebe, heißt es. Es erlaubt der EU Schritte gegen Länder, die Zölle und andere Handelsbarrieren einsetzen, um politischen Druck auszuüben. Die Europäer könnten in Reaktion darauf etwa den Zugang zum europäischen Markt für Dienstleistungen einschränken, was die USA hart treffen würde.
Ziel sei es, den Märkten zu signalisieren, dass die EU zu allem bereit sei, sagten Diplomaten. Wenn die dann deutlich reagierten, könnte das Trump doch noch zum Einlenken bewegen. Zuletzt hatten seine Unterhändler nach Informationen der F.A.Z. verlangt, dass die EU einen Zollsatz zwischen 15 und 20 Prozent akzeptiert. Anders als jetzt mit Japan vereinbart wollten die USA aber bei den Autozöllen bisher nicht von den 25 Prozent abrücken.
Trump-Deadline für “Deal“ am 1. August
Zuvor hatte Donald Trump ein Abkommen mit einem der wichtigsten Handelspartner der USA verkündet und damit Hoffnung auf eine Entschärfung der von ihm befeuerten Zollkonflikte gemacht. Der amerikanische Präsident gab in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch bekannt, eine Vereinbarung mit Japan geschlossen zu haben. Für Einfuhren aus dem asiatischen Land sollen demnach künftig Zölle von 15 Prozent gelten. Das liegt deutlich unter den 25 Prozent, die Trump noch vor wenigen Wochen in einem Brief an den Ministerpräsidenten Shigeru Ishiba angedroht hatte.
Auch die bestehenden Zölle von 25 Prozent auf importierte Autos aus Japan sollen auf 15 Prozent fallen. Das ist von besonderem Gewicht, denn Autos sind Japans mit Abstand wichtigster Exportartikel in den USA. Japan kommt damit glimpflicher davon als befürchtet wurde. Freilich sind die nun festgelegten Zölle noch immer eine erhebliche Belastung, die es in diesem Ausmaß vor Trumps Rückkehr ins Weiße Haus in diesem Jahr nicht annähernd gab. An den Finanzmärkten wurde das Abkommen mit Erleichterung aufgenommen. Der Nikkei-Index gewann 3,5 Prozent an Wert, und die Aktienkurse japanischer Autokonzerne wie Toyota und Honda stiegen deutlich. Auch die Kurse deutscher Hersteller wie Mercedes-Benz, Volkswagen und BMW legten zu, wohl in der Hoffnung, dass auch für sie letztlich niedrigere Zölle als 25 Prozent anfallen werden.
Sein Abkommen mit Japan bejubelte Trump auf seiner Plattform Truth Social als „vielleicht den größten Deal, der je gemacht wurde“. Auch die japanische Seite zeigte sich zufrieden. Chefunterhändler Ryosei Akazawa schrieb auf der Plattform X: „Mission Accomplished.“ Viele Details sind aber noch offen. Trump zufolge wird Japan 550 Milliarden Dollar in den USA investieren und den Amerikanern 90 Prozent der daraus resultierenden „Gewinne“ überlassen. Wie dies kalkuliert werden soll, ist allerdings unklar. Nach Angaben Trumps hat Japan außerdem zugesagt, Handelsbarrieren für den Import von Autos sowie von Reis und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus den USA abzubauen. Was Autos betrifft, besteht derzeit ein gewaltiges Ungleichgewicht. Japan hat im vergangenen Jahr weniger als 17.000 Fahrzeuge aus den USA importiert, im Gegenzug aber fast 1,4 Millionen exportiert. Die bestehenden Einfuhrzölle von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium sind von dem jetzt geschlossenen Abkommen offenbar unberührt.
Japan ist wichtiger Handelspartner der USA
Während die Einigung nun als gute Nachricht für die japanischen und möglicherweise auch die europäischen Autohersteller gewertet wurde, zeigt sich die amerikanische Autoindustrie um einiges kritischer. Matt Blunt vom Branchenverband American Automotive Policy Council sprach von einem „schlechten Deal für die US-Industrie und US-Autoarbeiter“. Er sagte, damit würden für Importe aus Japan niedrigere Zölle anfallen als für amerikanische Hersteller, wenn sie Fahrzeuge und Komponenten aus Werken in Kanada und Mexiko importieren.
Japan ist für die USA der fünftwichtigste Handelspartner, wenn Exporte und Importe zusammengerechnet werden, hinter Mexiko, Kanada, China und Deutschland. Vor allem wegen des großen Unterschieds bei Autoexporten haben die USA ein erhebliches Handelsdefizit mit Japan, im vergangenen Jahr waren es 68,5 Milliarden Dollar. Das Importvolumen der USA aus Japan lag bei mehr als 148 Milliarden Dollar, exportiert wurden Waren im Wert von knapp 80 Milliarden Dollar.