Auf Metallplatten mit einer dünnen Reifschicht liegen cremigweiße Eisovale mit Holzstiel akkurat aufgereiht und eilen auf dem Fließband weiter. Ein roter Lichtstrich prüft die Ausrichtung. Dann verschwinden sie in einer Maschine. Sekundenbruchteile später werden sie, von einem Greifer am Stiel gehalten, in eine Wanne voll flüssiger weißer Schokolade mit Mandelsplittern getunkt. Augenblicke danach ist diese Magnum-Variante schon einzeln in Folie verschweißt und in Kartons verpackt, fertig für den Weg in die Supermärkte und Kioske in ganz Deutschland und weit darüber hinaus – zum Teil bis nach Singapur.
Magnum, der Name steht für Großes. Ein Eis am Stiel für Erwachsene, wie Ende der Achtzigerjahre der Auftrag an die Entwickler lautete. Vor allem aber steht er inzwischen für weit mehr. Denn zum 1. Juli hat sich der Konsumgüterkonzern Unilever von seinem Eiscremesegment getrennt. Von nun an firmiert das unter „The Magnum Ice Cream Company“ und soll zum Jahresende an die Börse gebracht werden. „Cooles IPO“ heißt es im Blog der Consorsbank dazu. Der Umsatz der Eissparte wird mit rund 8 Milliarden Euro in 2024 angegeben, der globale Marktanteil im Einzelhandel liegt demnach bei gut 20 Prozent.
Börsengang zum Jahresende
Magnum steht nun als Dach über der Premiumlinie und den Marken von Langnese wie Cornetto, Nogger, Flutschfinger, Capri, Calippo oder Twister ebenso wie Viennetta oder Cremissimo. Im neuen Schriftzug des Unternehmens ist nur noch die zum Herz geformte rot-weiße Spirale enthalten, der Name Langnese, für den sie bislang stand, aber nicht. Dieser tritt in den Hintergrund, und das Unilever-U, das noch an vielen Stellen auf dem Werksgelände in Heppenheim zu sehen ist, soll demnächst verschwinden, wie es beim Rundgang heißt. Aber sonst bleibt fast alles, wie es ist, an dem Standort, an dem fast zwei Milliarden Eisportionen im Jahr produziert werden.

Als der Abspaltungsplan von Unilever vor genau einem Jahr bekannt wurde, war in dem südhessischen Ort mit knapp 27.000 Einwohnern die Angst umgegangen. Denn gleichzeitig hatte der britisch-niederländische Konsumgüterkonzern mit Marken wie Knorr, Lipton, Dove und Coral den Abbau von mehreren Tausend Stellen angekündigt. Am Standort mit der Adresse Langnesestraße 1 mit mehr als 600 Beschäftigten machte man sich Sorgen, wie der Betriebsratsvorsitzende Bastian Martin berichtet. Umso größer die Freude, dass es nun in neuer Konstellation weitergeht und es große Pläne gibt. „Unser größter Standort wächst wieder“, sagt Werksleiter Guillaume Cuney, der den Standort seit vier Jahren leitet. Heppenheim ist mit 100.000 Quadratmeter Fläche das größte Werk in Europa und das drittgrößte weltweit.
Dass bei einem der größten Arbeitgeber am Ort nun niemand mehr um seinen Job fürchten muss, sondern kräftig eingestellt wird, freut Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) sehr. Und ganz besonders, dass, wie Cuney ankündigte, in den nächsten fünf Jahren ein hoher zweistelliger Millionenbetrag in das seit 1960 bestehende Langnese-Werk investiert werden soll. Burelbach wertet das als ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland. Das sei auch eine gute Nachricht für das regionale Handwerk, denn es bringe Aufträge.
Milch von 6000 Kühen
Angesichts vieler Auflagen bei den geplanten Baumaßnahmen würde sich Cuney zwar deutlich weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung wünschen, wie beispielsweise in den Niederlanden. Doch der Standort Heppenheim biete eine zentrale Lage und sei auch deshalb ideal für die fast 60 Prozent der gesamten Eisproduktion des Unternehmens. Die Logistik spielt dabei eine wichtige Rolle. Denn wie ein Sprecher sagt, sind die Logistikkosten beim Eis etwa ebenso groß wie die der Produktion. Für die benötige man allein jeden Tag die Milch von 6000 Kühen und 7800 Badewannen Orangensaft.
Neben den Investitionen ins Werk, die auch in eine weitere, 19. Produktionslinie fließen sollen, ist auch eine neue Kühllagerhalle geplant, wie Cuney berichtet. Die ist in die Investitionssumme aber noch nicht eingerechnet, da sie von einem Partnerunternehmen auf einem zum Firmengelände gehörenden Areal errichtet und betrieben werden soll. „Wir sind keine Logistiker, das können andere besser“, so der Werksleiter. Die hohen Kosten für Energie hatten das Ergebnis der Eissparte bislang belastet und waren nach Brancheninformationen ein Grund dafür, dass Unilever das Segment abtrennen wollte. Durch die neue Konstellation und modernere Produktionslinien soll das Unternehmen umweltfreundlicher und effizienter werden. Insgesamt will man rund 30 Prozent Energie einsparen. Die neue Kühlhalle könnte dafür sorgen, dass rund 20 Prozent weniger Ammoniak für die Kühlung benötigt würden, sagt Cuney. Auch die Vermeidung von Abfall spielt dabei eine Rolle. Schon jetzt beliefere das Unternehmen beispielsweise eine Biogasanlage mit Produktionsabfällen, die eigens in einer Entpackungsanlage von Folien oder Plastikdosen befreit werden. Denn in den Wannen neben den Produktionsstraßen sammeln sich im Laufe des Tages Tonnen an Ausschuss.
Investiert wird im Unternehmen auch in den Nachwuchs. Jedes Jahr würden zehn bis zwölf Auszubildende eingestellt, berichtet Personalleiter Frank Wegerle. Viele arbeiteten sich im Laufe der Jahre bis ins Management hoch. Weil der demographische Wandel auch im Werk deutlich sichtbar sei, wo der Altersdurchschnitt bei 44 liege und rund 250 Mitarbeiter mehr als 50 Jahre alt seien, würden ständig neue Leute gesucht. Insbesondere Fachkräfte aus dem Lebensmittelhandwerk haben gute Chancen. Und die blieben dann meist auch, so habe die Belegschaft eine durchschnittliche Verweildauer von 22 Jahren.
20 Jahre „beim Langnese“
Mit vielen Benefits wie Sportangeboten, Gesundheitswochen und einer guten betrieblichen Altersvorsorge sei das Unternehmen in der Region als Arbeitgeber sehr beliebt, sagt der Betriebsratsvorsitzende Martin, der auch selbst schon mehr als 20 Jahre „beim Langnese schafft – wie wir hier sagen“. Er sei froh, dass nun für die nächsten Jahre die Arbeitsplätze gesichert seien und Heppenheim auch weiterhin der Standort sei, von dem aus Innovationen auf den Markt kommen.
Solche sind die jüngste Magnum-Variante mit Pistazien-Eis oder eine Eispraline im Snack-Format. „Dafür müssen Eis, Soße und Schokoladenüberzug zusammengebracht werden“, erläutert Cuney. In Heppenheim laufen sie zu Tausenden vom Band und purzeln in die Portionsbecher. Die Magnum-Bonbons sind die Premium-Fassung des Eiskonfekts, das vor allem Kinogänger lieben. Sie sollen dazu beitragen, den Eisgenuss auch zu Hause auf der Couch und als Dessert zur Essenslieferung attraktiv zu machen. Denn auch wenn man sich über die heißen Tage im Sommer freut, so will der Eisproduzent auch im Winter gerne mehr seiner Leckereien verkaufen.