Warum Frankreich eine Führungsrolle will

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Im Ringen um das Luftkampf­system FCAS bleiben die Fronten verhärtet. Der Chef des franzö­sischen Unternehmens Dassault Aviation, Eric Trappier, be­kräftigte am Dienstagabend die von deutscher Seite abgelehnte Forderung nach einer Neujustierung der industriellen Ver­antwortlichkeiten. „Es muss klar fest­gelegt werden, wer was macht, und es braucht eine echte Führung“, sagte er auf der Halbjahrespressekonferenz seines Unternehmens. Das sei nötig, um das Projekt effizient und zeitgerecht voranzu­bringen.

FCAS sieht den Bau eines komplexen Systems aus Kampfjets der sechsten Generation, Drohnenschwärmen und Da­ten­wolken vor. Es ist mit geschätzten Gesamtkosten von bis zu 100 Milliarden Eu­ro das teuerste Rüstungsprojekt Europas und wird getragen von Deutschland, Frankreich und Spanien. Bislang stellen sie unabhängig voneinander Kampfflugzeuge der vierten Generation her: Deutschland und Spanien sind zusammen mit Italien und Großbritannien Teil des Eurofighter-Konsortiums, Frankreich baut die Rafale in Eigenregie.

Bis Mai 2026 endet sukzessive in den verschie­denen FCAS-Entwicklungssäulen die Ar­beitsphase 1B, in der Technologien für einen Flugdemonstrator getestet und entwickelt werden. Anfang 2026 sollen nach bisheriger Planung die Arbeitsphase 2 und damit der Bau eines Flugdemonstrators starten. Fertiggestellt werden soll das System in den 2040er-Jahren, wobei einige Bauteile schon früher verwendet werden könnten.

Ein „Architekt“ müsse Entscheidungen treffen

Dassault beansprucht bei FCAS eine noch stärkere Führungsrolle für sich. Das heiße mitnichten, dass man alles allein machen wolle, betonte Trappier. Auch seien Berichte, wonach Dassault bis zu 80 Prozent der Arbeitsanteile für die Kampfjetentwicklung anstrebe, unwahr. Doch die Vergabe wichtiger Aufgaben an Projektpartner sei etwas anderes als die Steuerung des Gesamtvorhabens.

In zen­tralen Fragen wie der Aerodynamik oder Tarnkappentechnik müsse ein „Architekt“ Entscheidungen treffen können und dürfe es keine ständigen Kompromisse geben. Dieser müsse befähigt sein, seine Zulieferer auszuwählen und diejenigen, die ihre Arbeit nicht gut machen, austauschen zu können. „So läuft das in einem Industrieprojekt, egal in welchem Bereich, ob Verteidigung, Zivilbereich oder Bauwesen“, sagte Trappier.

Die bisherige Aufgabenteilung des 2020 gestarteten FCAS-Projekts sieht grundsätzlich eine französische Führung vor, während Deutschland beim Kampfpanzerprojekt MGCS den Hut aufhat. In leitender Verantwortung beteiligt sind aber an beiden Vorhaben mehrere Industrieunternehmen. Im Fall von FCAS sind das neben Dassault die in Bayern ansässige und den Eurofighter produzie­rende Airbus -Rüstungssparte und Indra aus Spanien. In Berlin pocht man darauf, diesen kooperativen Ansatz fortzuführen. So soll Airbus weiter als Partner auf Augenhöhe agieren, Mitspracherechte haben und adäquate Arbeitsanteile er­halten.

Merz beharrt auf den bisher getroffenenen Verabredungen

Da mit Blick auf die zu Ende gehende Arbeitsphase 1B die Zeit drängt, wird das Thema nun auf höchster Staats- und Regierungsebene diskutiert. Der französische Präsident und der deutsche Bundeskanzler wollen das Projekt genauso wie MGCS vorantreiben, erklärte der Élysée-Palast im Vorfeld des Treffens von Emmanuel Macron und Friedrich Merz an diesem Mittwoch in Berlin. Das biete genauso wie das Treffen der beiden Verteidigungsminister Boris Pistorius und Sébastien Lecornu am Tag drauf Gelegenheit, über FCAS zu sprechen.

Das französische Drängen auf eine stärkere Führungsrolle von Dassault hatte Merz kürzlich schon deutlich zurückgewiesen. „Ich möchte un­bedingt, dass wir bei den Verabre­dungen bleiben, die wir im Hinblick auf FCAS mit Frankreich und Spanien getroffen haben“, sagte er Anfang Juli.

Eine Einigung zeichnet sich bislang nicht ab. Der im Raum stehende franzö­sische Vorschlag, Airbus im Gegenzug zu einer stärkeren Führungsrolle von Dassault eine beschleunigte Entwicklung der FCAS-Drohnen und deren Integration in die bestehenden Eurofighter-Flotten zu ermöglichen, wird von deutscher Seite abgelehnt. Nicht nur will man die Kampfflugzeugentwicklung nicht praktisch vollständig in französische Hände geben und damit eine souveräne Kernkompetenz verlieren. Auch wird die vergleichsweise simple Drohnenentwicklung in technologischer Hinsicht als nicht gleichwertig erachtet.

Trappier bestätigte am Dienstag, dass es keine Annäherung in den Verhandlungen gebe. Er wies darauf hin, dass die Airbus-Seite Dassaults Führungsrolle einerseits anerkenne, andererseits aber wolle, dass alle Entscheidungen von den drei Industriepartnern gemeinsam getroffen werden müssten. Davon halte er nichts. „Nennen Sie mir ein einziges Beispiel für ein anspruchsvolles Industrieprojekt auf der Welt, bei dem es keinen Führer gibt, der seine vertraglichen Verpflichtungen einhält“, sagte er.