Nach dem Deal der USA und Japan wächst auch in der Europäischen Union die Hoffnung auf eine schnelle Einigung im Zollkonflikt. Mit einem Basiszollsatz von 15 Prozent wie im US-Japan-Abkommen könnten die meisten EU-Staaten gut leben, sagten EU-Diplomaten am Mittwoch. Dass es auch für die EU in diese Richtung gehe, zeichne sich seit einigen Tagen ab, betonten zwei Diplomaten. Aus Verhandlungskreisen hieß es am Mittwochabend, dass das nicht bedeute, dass eine Einigung in Reichweite sei. Die Verhandlungen liefen auf Hochtouren. Der Deal von US-Präsident Donald Trump mit Japan wecke Fantasien. Es seien aber noch entscheidende Fragen offen.
Letztlich hänge weiterhin alles von der Laune einer einzigen Person ab, sagten mehrere Beteiligte. Wenn Trump einen Deal wolle, könne es schnell gehen. Umgekehrt seien alle Zusagen seiner Chefunterhändler wertlos, solange Trump sie sich nicht zu eigen mache.
Handelskommissar Maroš Šefčovič hatte am Mittwochnachmittag europäischer Zeit abermals mit dem amerikanischen Handelsminister Howard Lutnick gesprochen. Es war das erste hochrangige Gespräch seit dem ergebnislosen Besuch von Šefčovič am Donnerstag der vergangenen Woche in Washington. Es hatte in der Zwischenzeit aber zahlreiche Gespräche auf politischer und technischer Ebene gegeben.
Dass Trump auf einen Deal dringt, der einen Zollsatz von 15 bis 20 Prozent beinhaltet, war schon seit dem Besuch von Šefčovič in Washington klar. Die große offene Frage ist, ob es der EU gelingt, auch den Zoll für Autos zu senken. Für diese erheben die USA schon jetzt einen höheren Zoll von 25 Prozent. Die noch höheren Zölle von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium will die EU offenbar hinnehmen, dringt aber auf Quoten mit niedrigeren Sätzen.
15 Prozent als Zielgröße
Šefčovič hatte die Botschafter der EU-Staaten am Mittwoch unmittelbar im Anschluss über sein Gespräch mit Lutnick informiert. Das Briefing sei aber nur kurz gewesen, hieß es anschließend. Details wurden zunächst nicht bekannt. Ziel bleibt eine Verhandlungslösung vor der von Trump ausgerufenen Deadline für einen „Deal“ am 1. August. Trump hatte Anfang April einen Zoll von 20 Prozent auf fast alle Waren aus der EU verhängt, ihn aber dann zunächst auf zehn Prozent gesenkt. Inzwischen droht er mit einem Zoll von 30 Prozent, der ohne Übereinkunft am 1. August in Kraft treten soll.
Parallel zu den Verhandlungen treibt die EU die Verabschiedung der Gegenzölle voran. Eine erste Liste steht, ist aber ausgesetzt. Sie umfasst US-Einfuhren im Wert von 21 Milliarden Euro, darunter Jeans und Motorräder. Hinzu soll eine zweite Liste mit Waren im Wert von rund 72 Milliarden Euro kommen, darunter Flugzeugteile und Bourbon-Whiskey. Das ist verglichen mit der EU-Einfuhr im Wert von 380 Milliarden Euro, die die US-Zölle trifft, wenig. Die EU-Staaten sollen sie an diesem Donnerstag endgültig verabschieden. Das gesamte Paket – von dann insgesamt 93 Milliarden Euro – würde am 7. August in Kraft treten, wenn sich die EU und die USA nicht einigen. Der Zollsatz, den die EU auf die betroffenen Güter erheben würde, werde, genau wie von Trump für die EU angedroht, auf 30 Prozent festgesetzt, berichtete die Agentur Bloomberg. Die Kommission bestätigte das nicht.
Paris und Berlin für harten Kurs
Offenbar wächst auch ansonsten in der EU die Bereitschaft, hart zurückzuschlagen. Frankreich und Deutschland seien sich inzwischen einig, auch das als „Mittel der letzten Wahl“ geltende Anti-Erpressungs-Instrument einzusetzen, wenn es keinen Deal gebe, hieß es. Es erlaubt der EU Schritte gegen Länder, die Zölle und andere Handelsbarrieren einsetzen, um politischen Druck auszuüben. Die Europäer könnten in Reaktion darauf etwa den Zugang zum europäischen Markt für Dienstleistungen einschränken, was die USA hart treffen würde. Der Einsatz des Instruments werde vorbereitet, sagten Diplomaten. In der Kommission hieß es indes, es gebe noch keine klare Mehrheit unter den EU-Staaten, das Instrument tatsächlich jetzt schon einzusetzen. Unklar blieb vor allem, ob auch Italien an Bord ist, das wie einige osteuropäische Staaten bisher auf Zurückhaltung dringt.
Ziel sei es, den Märkten zu signalisieren, dass die EU zu allem bereit sei, sagten Diplomaten. Wenn die dann deutlich reagierten, könnte das Trump doch noch zum Einlenken bewegen. Zuletzt hatten seine Unterhändler nach Informationen der F.A.Z. verlangt, dass die EU einen Zollsatz zwischen 15 und 20 Prozent akzeptiert. Anders als jetzt mit Japan vereinbart wollten die USA aber bei den Autozöllen bisher nicht von den 25 Prozent abrücken.
Trump-Deadline für Einigung am 1. August
Das Abkommen der USA mit Japan hatte US-Präsident Trump in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch bekanntgegeben. Für Einfuhren aus dem asiatischen Land sollen demnach künftig Zölle von 15 Prozent gelten. Das liegt deutlich unter den 25 Prozent, die Trump noch vor wenigen Wochen in einem Brief an den Ministerpräsidenten Shigeru Ishiba angedroht hatte.
Auch die bestehenden Zölle von 25 Prozent auf importierte Autos aus Japan sollen auf 15 Prozent fallen. Das ist von besonderem Gewicht, denn Autos sind Japans mit Abstand wichtigster Exportartikel in den USA. Japan kommt damit glimpflicher davon als befürchtet wurde. Freilich sind die nun festgelegten Zölle noch immer eine erhebliche Belastung, die es in diesem Ausmaß vor Trumps Rückkehr ins Weiße Haus in diesem Jahr nicht annähernd gab. An den Finanzmärkten wurde das Abkommen mit Erleichterung aufgenommen. Der Nikkei-Index gewann 3,5 Prozent an Wert, und die Aktienkurse japanischer Autokonzerne wie Toyota und Honda stiegen deutlich. Auch die Kurse deutscher Hersteller wie Mercedes-Benz, Volkswagen und BMW legten zu, wohl in der Hoffnung, dass auch für sie letztlich niedrigere Zölle als 25 Prozent anfallen werden.
Sein Abkommen mit Japan bejubelte Trump auf seiner Plattform Truth Social als „vielleicht den größten Deal, der je gemacht wurde“. Auch die japanische Seite zeigte sich zufrieden. Chefunterhändler Ryosei Akazawa schrieb auf der Plattform X: „Mission Accomplished.“ Viele Details sind aber noch offen. Trump zufolge wird Japan 550 Milliarden Dollar in den USA investieren und den Amerikanern 90 Prozent der daraus resultierenden „Gewinne“ überlassen. Wie dies kalkuliert werden soll, ist allerdings unklar. Nach Angaben Trumps hat Japan außerdem zugesagt, Handelsbarrieren für den Import von Autos sowie von Reis und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus den USA abzubauen. Was Autos betrifft, besteht derzeit ein gewaltiges Ungleichgewicht. Japan hat im vergangenen Jahr weniger als 17.000 Fahrzeuge aus den USA importiert, im Gegenzug aber fast 1,4 Millionen exportiert. Die bestehenden Einfuhrzölle von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium sind von dem jetzt geschlossenen Abkommen offenbar unberührt.
Japan ist wichtiger Handelspartner der USA
Während die Einigung nun als gute Nachricht für die japanischen und möglicherweise auch die europäischen Autohersteller gewertet wurde, zeigt sich die amerikanische Autoindustrie um einiges kritischer. Matt Blunt vom Branchenverband American Automotive Policy Council sprach von einem „schlechten Deal für die US-Industrie und US-Autoarbeiter“. Er sagte, damit würden für Importe aus Japan niedrigere Zölle anfallen als für amerikanische Hersteller, wenn sie Fahrzeuge und Komponenten aus Werken in Kanada und Mexiko importieren.
Japan ist für die USA der fünftwichtigste Handelspartner, wenn Exporte und Importe zusammengerechnet werden, hinter Mexiko, Kanada, China und Deutschland. Vor allem wegen des großen Unterschieds bei Autoexporten haben die USA ein erhebliches Handelsdefizit mit Japan, im vergangenen Jahr waren es 68,5 Milliarden Dollar. Das Importvolumen der USA aus Japan lag bei mehr als 148 Milliarden Dollar, exportiert wurden Waren im Wert von knapp 80 Milliarden Dollar.