Deutschland scheidet aus – doch der Weg zeigt klar nach vorn

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Die DFB-Frauen sind im EM-Halbfinale ausgeschieden. Spanien war letztlich zu stark. Neue Ansätze geben allerdings Hoffnung für die Zukunft der deutschen Mannschaft.

Aus Zürich berichtet Kim Steinke

Es hat (noch) nicht gereicht. 113 Minuten lang verteidigte Deutschland gegen das anlaufende Spanien leidenschaftlich und auf Augenhöhe, erarbeitete sich auch eigene Chancen. Dann gelang Weltfußballerin Aitana Bonmatí der Geniestreich: Sie brachte den Ball im kurzen Eck des deutschen Tores unter. Eine Unaufmerksamkeit und das EM-Halbfinale war entschieden.

Die DFB-Frauen unterlagen dem Weltmeister mit 0:1 in der Verlängerung und schieden aus dem Turnier in der Schweiz aus. Dabei fehlten gegen die spanische Dominanz nur ein paar entscheidende Prozente – an Kaltschnäuzigkeit, Technik und vor allem Mut.

Die Europameisterschaft ist für den DFB trotz des unglücklichen Ausscheidens ein Erfolg. Deutschland hat sich bis ins Halbfinale gekämpft und ein Land hinter sich vereint. Der Umbruch unter Bundestrainer Christian Wück trägt erkennbare Früchte – und das macht Mut. Der nächste Schritt ist unausweichlich.

Noch vor wenigen Wochen hat Christian Wück mit seinem jungen Kader einige überrascht. Der 52-Jährige verzichtete für die EM auf etablierte Kräfte wie Felicitas Rauch (50 Länderspiele) und Sara Doorsoun (59), die jahrelang präsent im DFB-Team waren. Stattdessen setzte er auf Franziska Kett und Carlotta Wamser – zwei Spielerinnen, die bis dato erst drei und zwei Länderspiele in ihrer Vita hatten. Sie wurden nun wichtiger denn je.

Wamser sprang bereits im Auftaktspiel gegen Polen (2:0) für die früh verletzte Kapitänin Giulia Gwinn (Innenband) ein – und überzeugte. Nach ihrer Roten Karte gegen Schweden (1:4) und dem verpassten Viertelfinale gegen Frankreich (6:5 im Elfmeterschießen) spielte sie gegen Spanien nun groß auf. Kett musste ebenso plötzlich im Viertelfinale ran, ersetzte die gesperrte Wamser.

Bundestrainer Wück nahm sich nach dem Ausscheiden Zeit für ein Lob: “Normalerweise hebe ich keine Spielerinnen hervor”, sagte er, ehe er dann doch Wamser und Kett namentlich erwähnte: “Das Trainerteam wusste, dass wir ihnen das zutrauen, aber dass sie wirklich so performen, gegen solche Top-Nationen, das ist aller Ehren wert.” Beide haben Geschwindigkeit, eine gute Ballbehandlung und ein konsequentes Zweikampfverhalten – aber vor allem Verantwortung übernommen, nachdem sie ins kalte Wasser geworfen wurden.

Und damit blieben sie nicht die Einzigen. Der Bundestrainer hat auch Rebecca Knaak entgegen der Kritik, sie sei zu langsam und nicht handlungsschnell, gestärkt und zu einer konstanten Innenverteidigerin geformt.

Bei Sjoeke Nüsken zeigte sich ein ähnliches Bild. Unter Wück-Vorgänger Horst Hrubesch spielte sie sich in die deutsche Stammformation, wurde zum Taktgeber des Teams – nur, um bei der EM noch einmal mehr aus sich herauszukommen.

Nachdem Gwinn sich verletzt und Minge die Kapitänsbinde übernommen hatte, beförderte der Bundestrainer Minge zur Vizekapitänin und neuen Elfmeterschützin. Im Viertelfinale gegen Frankreich verschoss sie zwar einen Foulelfmeter. Im zweiten Versuch gegen Frankreich verwandelte sie allerdings eiskalt vom Punkt und ließ ihrer Freude freien Lauf: Nachdem sich Deutschland für das Halbfinale qualifiziert hatte, rannte Nüsken über den ganzen Platz zu den deutschen Fans. Sie streckte die Faust nach oben, sprang in die Luft und heizte den mitgereisten Zuschauern ein.