Mehr Investitionen, weniger Regulierung und schon gar keine Wokeness: Amerikas neue KI-Strategie ist der wahr gewordene Traum des Silicon Valley. Doch bei zwei Themen müssen die Firmen weiter lobbyieren.

Die neue KI-Strategie der Regierung sieht die neue Technologie einzig als Chance und nicht mehr als mögliche Gefahr, wie es unter Biden der Fall war.
Die Träume von Silicon-Valley-Unternehmern sind am Mittwoch wahr geworden: Donald Trump hat eine lange erwartete Reihe von Massnahmen und Exekutivverordnungen vorgestellt, welche den USA die Führerschaft in künstlicher Intelligenz garantieren sollen. Zusammengenommen sichern sie Amerikas KI-Sektor einen massiven Ausbau von Infrastruktur und Staatsunterstützung zu, bei einem gleichzeitigen Abbau von Regulierungen und Umweltauflagen.
Drei Exekutivverordnungen unterzeichnet
Das Herz des Vorhabens ist der «KI-Aktionsplan», ein 28-seitiges Dokument, gemäss dem die künftige KI-Strategie Washingtons auf drei Säulen steht: einer Beschleunigung von KI-Innovationen, einem Ausbau der inländischen KI-Infrastruktur und einer weltweiten Führerschaft von KI «made in USA». Wie Washington diese Ziele erreichen kann, wird anhand von 30 konkreten Handlungsanweisungen ausgeführt: etwa eine bessere Ausbildung von Fachkräften, eine beschleunigte Integration von KI im Staatsapparat oder Verbesserungen in den Lieferketten, um Roboter künftig in den USA produzieren lassen zu können. Auch der Export von KI-Chips soll begünstigt werden.
«Genau so, wie wir das Rennen im Weltall gewonnen haben, ist es unerlässlich, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten diesen Wettlauf gewinnen», heisst es in dem Dokument. Passend dazu unterzeichnete Präsident Trump am Mittwochabend (Ortszeit) drei Exekutivverordnungen: Der Bau von Datenzentren soll viel schneller genehmigt werden, indem Umweltauflagen umgangen werden können. Das Handels- und das Aussenministerium sollen KI «made in USA» im Ausland bewerben dürfen.
KI-Modelle müssen frei von «ideologischem Bias» sein
Zudem müssen KI-Modelle künftig frei von «ideologischem Bias» sein, dürfen also nicht mehr «woke» sein. Das bedeutet konkret auch, dass sie nicht die sogenannte kritische Rassentheorie («critical race theory») vertreten dürfen – eine Theorie, die unter anderem strukturellen Rassismus in der Gesellschaft anprangert. Die Exekutivverordnung schreibt den Modellentwicklern damit indirekt vor, wie sie ihre Modelle künftig zu trainieren haben, damit staatliche Stellen sie nutzen.
Wie bei anderen Themen hat Trump damit eine Kehrtwende im Vergleich zu seinem Vorgänger vollzogen: Joe Biden hatte aus Bedenken über die nationale Sicherheit Exportrestriktionen für KI-Hochleistungschips erlassen, Trump hat diese Restriktionen inzwischen aufgehoben. Auch hatte Biden in seiner KI-Agenda von 2023 noch Zurückhaltung bei der Entwicklung der Modelle angeordnet und die Einhaltung von Sicherheitsstandards verlangt.
Trump hatte diese Pläne bereits durch eine Exekutivverordnung an seinem ersten Amtstag revidiert. Mit Spannung war seitdem erwartet worden, wie die neuen KI-Pläne des Weissen Hauses konkret aussehen würden.
Von Zurückhaltung gegenüber der neuen Technologie ist nichts mehr zu spüren. Der KI-Plan liest sich wie ein wahr gewordener Wunschzettel des Silicon Valley – weniger Regulierung, mehr Investitionen, staatliche Unterstützung auf jeder Ebene.
Das überrascht nicht, denn der Plan stammt buchstäblich aus der Feder des Silicon Valley. Trump hatte den Tech-Investor und Milliardär David Sacks im Januar zu seinem KI- und Krypto-Beauftragten ernannt und ihn angewiesen, die KI-Strategie zu entwickeln.
Michael Kratsios, Tech-Berater von Trump.
Er tat dies unter anderem mit Michael Kratsios; der 38-Jährige ist heute Technologieberater des Präsidenten und war früherer Strategiechef der KI-Firma Scale AI. Auch andere Silicon-Valley-Grössen dürften Sacks bei der Ausarbeitung ins Ohr geflüstert haben – etwa die Tech-Investoren, mit denen Sacks den wöchentlichen Podcast «All In» unterhält und auf deren Konferenz Trump am Mittwochabend sprach.
Trump lobte in seiner Rede den Innovationsgeist von Amerikas KI-Firmen wie Open AI und Meta – aber er machte auch klar, was er von Big Tech erwartet: Die Zeiten, in denen Amerikas Tech-Firmen in China produzierten, in Irland Steuern zahlten und die Nutzer in den USA zensierten, seien vorbei. «Wir erwarten von amerikanischen Tech-Firmen, dass sie sich ganz für die USA engagieren und Amerika an die erste Stelle setzen.»
Er lobte explizit den anwesenden Nvidia-CEO Jensen Huang, der Trump am Mittwoch aus dem Publikum ein Daumen-hoch entgegenstreckte. Huang hatte Trump jüngst Milliardeninvestitionen in den USA versprochen – umgekehrt hob der Präsident Exportrestriktionen für Nvidia-Chips auf. «Ein Sieg im KI-Wettrennen setzt voraus, dass das Silicon Valley einen neuen Geist der nationalen Loyalität beweist», sagte Trump. Es klang ein bisschen wie eine Drohung.
Jensen Huang, der CEO von Nvidia, sass im Publikum, als Donald Trump am Mittwoch den KI-Plan der Regierung vorstellte.
Die Regierung übernimmt in dem Aktionsplan auch die Argumente von KI-Firmen wie Meta und Open AI, dass die USA im Wettrennen gegen China zurückfallen würden, wenn Regulierung nicht zurückgefahren werde. «Das Weisse Haus hat offensichtlich die Empfehlungen der CEO von Big-Tech-Firmen übernommen, den Stempel des Weissen Hauses daruntergesetzt und sich selbst auf den Rücken geklopft», sagte Sacha Haworth von der Nonprofitorganisation Tech Oversight Project gegenüber dem «Wall Street Journal».
Zwei Wünsche von Big Tech bleiben unerfüllt
Seit Trumps Amtsantritt haben die meisten amerikanischen Tech-Konzerne eine Charmeoffensive lanciert: Getreu der «America first»-Doktrin haben sie in den vergangenen Monaten mehr als 1,5 Billionen Dollar an Investitionen in den USA in Aussicht gestellt. Einige davon waren bereits vor Trumps Amtsantritt zugesichert worden.
Zudem haben viele Unternehmen ihre Lobbyarbeit in Washington enorm hochgefahren. Acht der grössten Tech-Firmen – darunter die am Mittwoch von Trump namentlich erwähnten Unternehmen Open AI, Meta und Nvidia – hätten im ersten Halbjahr 36 Millionen Dollar für bundesstaatliches Lobbying ausgegeben, meldete die Organisation Issue One.
In zwei Bereichen blieb den Big-Tech-Vertretern die Erfüllung ihrer Wünsche bisher jedoch versagt: Erstens, dass Gliedstaaten den Zugang zu staatlichen Mitteln verlieren, wenn sie KI regulieren. Eine entsprechende Auflage flog in letzter Sekunde aus der jüngst verabschiedeten Steuerreform Big Beautiful Bill. Und zweitens, dass KI-Firmen ihre Modelle an sämtlichen Datensätzen trainieren dürfen, auch an urheberrechtlich geschützten. Zurzeit laufen zahlreiche Rechtsstreitigkeiten zwischen Urhebern und KI-Firmen, weil sich Letztere ungefragt an den Daten der Ersteren bedient haben sollen.
Doch auch bei diesen Themen dürfte das Lobbying weitergehen. Trump ist gerade einmal sechs Monate im Amt – und die richtigen Stellvertreter des Silicon Valley sitzen bereits an den Schalthebeln in Washington.