Im Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten sind Bundeskanzler Friedrich Merz und der französische Präsident Emmanuel Macron bereit, mit massiven Gegenmaßnahmen zu reagieren, sollte es keine Einigung geben. Darauf verständigten sich Merz und Macron bei einem Abendessen in der Villa Borsig am Tegeler See.
Der Ort für den ersten Besuch des französischen Präsidenten seit Beginn der Kanzlerschaft Merz war mit Bedacht gewählt worden. In der Industriellenvilla residierte nach dem Zweiten Weltkrieg der Hohe Kommissar André François-Poncet, der als Botschafter in Berlin zwischen 1931 bis 1938 in einem berühmten Buch Deutschlands Weg in die Diktatur dokumentiert hatte. Der Wunsch, die freundschaftliche Verbindung zu Frankreich wiederzubeleben, bestimmte den Abend.
Bundeskanzler Merz begrüßte Macron in französischer Sprache mit „Bienvenue“ und betonte, „wie wichtig mir persönlich das deutsch-französische Verhältnis ist“. Er ging auf Macron zu, der seit langem eine harte Linie gegenüber Washington fordert, auch wenn die Verhandlungen zu den Zöllen in der Hand der EU-Kommission liegen.
„Die beiden Seiten sind sich einig, dass sie sich weitere handelspolitische Instrumente vorbehalten sollten, sollten die Verhandlungen nicht zu einem Erfolg führen“, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius nach dem gut dreistündigen Gespräch. Merz und Macron seien bereit, „neue Maßnahmen zu entwickeln“.
Verdruss über die EU-Kommission
Auf französischer Seite überwog Erleichterung darüber, dass Berlin nicht frühzeitig einknicken will. Macron betonte den Wunsch, „für Stabilität und möglichst niedrige Zölle zu sorgen, aber natürlich auch als die Partner respektiert zu werden, die wir sind”. Die von Trump angedrohten 30-Prozent-Zölle gegen die EU sind aus französischer Sicht nicht akzeptabel. In Paris war in den vergangenen Wochen der Verdruss über die verhaltene Reaktion der EU-Kommission gewachsen. Macron sagte in der Villa Borsig: „Wir stehen in ständigem Kontakt mit unseren anderen europäischen Kollegen und mit der Präsidentin der EU-Kommission, um unsere Reaktion auf den Zollstreit zu überprüfen, voranzutreiben und zu koordinieren.“
Merz äußerte sich bei der Begrüßung optimistisch und sagte, „wie wir in diesen Minuten hören, dass es möglicherweise zu Entscheidungen kommen könnte“. Die Gespräche mit Washington sollen demnach kurz vor dem Abschluss stehen und auf einen Zollsatz von 15 Prozent für EU-Importe hinauslaufen. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht.
Der amerikanische Finanzminister Scott Bessent hatte von Fortschritten bei den Zollverhandlungen gesprochen. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic verhandelte mit dem amerikanischen Handelsminister Howard Lutnick. Im Falle eines Scheiterns drohte Brüssel mit Gegenzöllen in Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar.
Es sei absolut entscheidend, dass Deutschland und Frankreich „in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit, Energiewende oder künstliche Intelligenz und Quantentechnologie“ zusammenkämen, sagte Macron. Streitigkeiten um das Kampfflugzeugsystem FCAS sollen die Verteidigungsminister an diesem Donnerstag ausräumen. Sébastien Lecornu wird von Boris Pistorius (SPD) in seinem Wahlkreis in Osnabrück empfangen. Es ist eine mehr als zweistündige Arbeitssitzung geplant, bei der auch über die bevorstehenden Entscheidungen über das Kampfpanzerprojekt MGCS (Main ground combat system) gesprochen wird. Dies dient der Vorbereitung des Deutsch-Französischen Ministerrats am 29. August in der südfranzösischen Stadt Toulon, Heimathafen des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle.
Am Vortag will Macron als besonderes Zeichen der Freundschaft den Bundeskanzler in der Sommerresidenz der französischen Präsidenten, auf Fort de Brégançon empfangen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte 15 Jahre warten müssen, bis sie im Sommer 2020 erstmals von Macron in die auf einem Felsen thronende ehemalige Festung über dem Meer eingeladen wurde. „Wir stehen auf dem Fundament einer über Jahrzehnte gewachsenen, engen deutsch französischen Freundschaft, und wir beide empfinden dies als eine große Verpflichtung, auch in den nächsten Jahren weiter daran zu arbeiten“, sagte Merz.
In Paris ist man bemüht, Differenzen etwa in der Israel-Politik herunterzuspielen. So heißt es, die unterschiedliche Positionierung habe auch Vorteile. Paris hat das Vorgehen der israelischen Regierung im Gaza-Streifen scharf verurteilt und hat gemeinsam mit London einen Brief unterzeichnet, auf dem Berlins Unterschrift fehlt. Auch in der Frage der Anerkennung des Staates Palästina prescht Paris voran, während Berlin Rücksicht auf amerikanisch-israelischen Druck dagegen nimmt.
In der Iran-Politik herrscht jedoch große Übereinstimmung. So tendieren beide Regierungen dazu, den sogenannten Snapback-Mechanismus zu aktivieren und massive Sanktionen gegen Iran zu verhängen, sollte Teheran nicht bis Ende August zu Verhandlungen über das Atomprogramm bereit sein.