EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den chinesischen Staatschef Xi Jinping zu Beginn ihres Treffens in Peking davor gewarnt, die EU-China-Beziehungen hätten „einen Wendepunkt erreicht“. Laut ihrer vorab verbreiteten Eröffnungsaussage fügte sie am Donnerstag hinzu: „Eine Neuausrichtung unserer bilateralen Beziehungen ist unerlässlich.“ Gemeinsam mit EU-Ratspräsident António Costa verlangte von der Leyen in der Großen Halle des Volkes „wirkliche Lösungen“ in Bezug auf den wachsenden chinesischen Handelsüberschuss und auf Chinas Unterstützung der russischen Kriegswirtschaft.
Auch Xi Jinping sagte in einer ersten Verlautbarung, die Beziehungen stünden an einer „kritischen Wegmarke“. Allerdings lehnte er laut offizieller Verlautbarung jede Verantwortung für die von den Europäern vorgetragenen Beschwerden ab. „Die aktuellen Herausforderungen für Europa gehen nicht von China aus“, sagte Xi. Er rief die EU-Führung auf, sie sollte „die richtigen strategischen Entscheidungen treffen“, welche „den historischen Anforderungen“ standhielten.
In den Tagen vor dem Gipfel hatte Peking immer wieder den Respekt der Europäer eingefordert, die Pekings Macht in der Gestaltung der Beziehungen anerkennen sollten. Gleichwohl bezeichnete Xi sowohl die EU als auch China als „große Akteure der internationalen Gemeinschaft“, die ihre Kommunikation verbessern sollten, um „für mehr Stabilität und Gewissheit in der Welt zu sorgen“.
Kein ernsthaftes Entgegenkommen Pekings
Zum fünfzigsten Jahrestag der europäisch-chinesischen Beziehungen ist das Verhältnis schlecht. Erwartet wird bis auf eine gemeinsame Erklärung zum Klima keine Vereinbarung.
So zeigte Peking bis zuletzt kein ernsthaftes Entgegenkommen in Bezug auf seine weitreichenden Handelsrestriktionen etwa von Seltenen Erden, bei den Überschüssen oder der Unterstützung Russlands. Auch Brüssel weicht bislang nicht zurück. Weder hat die EU ihre Ausgleichszölle auf hochsubventionierte chinesische Elektroautos zurückgenommen noch Gegenmaßnahmen in anderen Handelsbereichen. Vielmehr sanktionierte die EU vergangene Woche erstmals auch zwei kleine chinesische Banken, die Kryptogeschäfte mit Russland abwickeln sollen und damit, so der Vorwurf, den Krieg gegen die Ukraine unterstützten.
Am Mittwoch vor dem Gipfel hatte Chinas Handelsministerium die Brüsseler Bankensanktionen harsch kritisiert. Man sei damit „äußerst unzufrieden“ und werde Gegenmaßnahmen ergreifen.
Der eigentliche Gipfel beginnt am Nachmittag
Peking ist darauf bedacht, die Begegnung von Xi Jinping mit von der Leyen in Peking als Treffen außerhalb des Gipfels zu beschreiben, da Xi sich nicht auf der Ebene der EU-Vertreter sieht. So soll der eigentliche Gipfel am Nachmittag beginnen, wenn die EU-Spitzen den chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang treffen. Am Donnerstagabend werden von der Leyen und Costa dann ohne die chinesische Seite vor die Presse treten, bevor sie anschließend gleich wieder nach Brüssel abfliegen.
Nicht nur in den wesentlichen Positionen sind sich Peking und Brüssel uneinig. Auch der Zeitpunkt des Gipfels gilt als ungünstig. Beide Seiten stehen in parallelen Zollverhandlungen mit Amerika. Kommende Woche treffen sich die Unterhändler Chinas und der USA in Schweden zu weiteren Handelsgesprächen. Wenigstens bis dahin sind keine chinesischen Zugeständnisse an Europa zu erwarten, die Trump verärgern oder Chinas Verhandlungsposition gegenüber Amerika schwächen könnten.
So strich Peking auch einen anfangs geplanten zweiten Gipfeltag, der in der chinesischen Provinz Anhui stattfinden sollte, wo neben anderen der Konzern Volkswagen ein großes Werk hat. Die Provinz unterhält eine besondere Beziehung zum Bundesland Niedersachsen, die einst von der Leyens Vater Ernst Albrecht als damaliger niedersächsischer Ministerpräsident geschlossen hatte. Die Geste eines Treffens dort zog China dann zurück.