Carsten Schneider ist in der Ministerriege der schwarz-roten Koalition bislang nicht besonders in Erscheinung getreten. Der Sozialdemokrat ist nicht nur für Umwelt und Natur zuständig. Schneiders Haus wurde erheblich aufgewertet, indem der Klimaschutz aus dem Wirtschaftsministerium dorthin zurückkehrte.
Bei der Präsentation seines Regierungsprogramms ist Schneider mit dem Versprechen angetreten, Klima- und Umweltschutz stärker zusammenzubringen und „wieder ins Zentrum des gesellschaftlichen Interesses“ zu rücken. Für Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat beides jedoch keine erkennbare Priorität. Schneiders Ankündigung, beim Umwelt- und Klimaschutz die „soziale Frage“ stärker in den Blick zu nehmen, wurde dadurch torpediert, dass Schwarz-Rot die Stromsteuer zunächst nicht für private Haushalte senkt. Und in seinem Sommerinterview sagte der Kanzler, es nütze „überhaupt nichts, wenn wir allein in Deutschland klimaneutral werden“. Die Bemerkung sei „ein wenig verunglückt“, sagte der Klimaschutzminister dazu im Fernsehen.
Diese Woche nun ergriff Carsten Schneider selbst die Initiative. Auf seiner ersten Presseexkursion wollte er die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema Hitze und Dürre lenken. Doch das Wetter verweigerte sich dem Motto „Politikoffensive für Wasserspeicher“. In Berlin und Brandenburg regnete es ungewöhnlich viel. Als der Minister am Dienstagmorgen symbolträchtig eine Linde im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg begoss, stand er mit einem wildlederbeschuhten Fuß in einer Pfütze. Einzelne Schauer gab es auch bei den weiteren Terminen in Brandenburg: während Schneider im Moorprojekt Möllmer Seewiesen – nun in gelben Gummistiefeln – durch die Binsen watete und beim Forstbetrieb Reisersdorf, wo der Minister sich – in Sportwanderschuhen – über naturnahe Waldwirtschaft informierte.
Regentonnen in der Stadt
Die Niederschläge der vergangenen Tage sind buchstäblich Wasser auf den Mühlen jener, die behaupten, mit vermeintlich klimabedingtem Extremwetter werde Hysterie geschürt. Auf Tiktok kursiert derzeit ein Kurzvideo, in dem ein pladdernasser Hausbesitzer in sein Handy schreit: „Hallo Klimaministerium? Ich wollte Sie nur informieren, die Feuerwehr pumpt gerade Ihre anhaltende Dürre aus meinem Keller.“
Das Umweltministerium hält dagegen. „Die Forschung sagt, durch den Klimawandel werden unsere Sommer heißer und trockener.“ Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes habe sich Deutschland im Vergleich zur frühindustriellen Zeit schon um 2,5 Grad Celsius erwärmt. Für die heißen, trockenen Sommer 2018 und 2019 in Deutschland gingen Forscher von einem Gesamtschaden von jeweils 8,5 bis 10,3 Milliarden Euro aus. Auch das diesjährige Frühjahr sei extrem trocken gewesen, hebt das Umweltministerium hervor.
Schneider will sich in den Haushaltsverhandlungen für ein neues Sonderprogramm für Naturschutz und Klimaanpassung einsetzen. Nach dem Koalitionsvertrag soll es gemeinsame Projekte von Bund und Ländern ermöglichen. Wie viel Geld er herausholen will, sagte der Minister nicht. Das angestrebte Sonderprogramm ist Teil einer „Initiative für Wasserspeicher und Abkühlung“. Soweit das Ministerium konkrete Summen nennt, handelt es sich um Umschichtungen: Das Programm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ wird aufgrund großer Nachfrage für zehn Jahre um zehn Millionen Euro auf nunmehr 145 Millionen Euro jährlich aufgestockt. Damit können weitere 120.000 Hektar Wald in die Förderung einbezogen werden. Außerdem werden Fördermittel für das Programm „Natürlicher Klimaschutz in Kommunen“ vorgezogen. Das finanzielle Volumen des Programms erhöht sich damit in diesem Jahr von 178 Millionen Euro auf 385 Millionen.
Für die Klimaanpassung vor Ort fördert der Bund auch kleinteilige Maßnahmen, zum Beispiel Regentonnen in Friedrichshain-Kreuzberg. Anwohner sollen ermuntert werden, das gesammelte Regenwasser abzuzapfen und damit die Bäume in ihrer Straße zu gießen. Es sind solche bürgernahen Projekte, mit denen Schneiders Haus die Menschen dafür sensibilisieren will, dass „die Natur unsere wichtigste Verbündete“ für die Anpassung an Extremwetter ist.
Die Wiedervernässung von Mooren
Der Finanz- und Haushaltsfachmann Schneider geht das Thema Klimaanpassung jedoch eher pragmatisch als pathetisch an. „Wasser wird knapp“, konstatierte er mit Blick auf die Hauptstadt. „Berlin muss beim Wassermanagement besser werden.“ Verena Graichen, politische Geschäftsführerin der Umweltorganisation BUND, die bei der Einweihung der Regentonne dabei ist, befürchtet allerdings, selbst solche niedrigschwelligen Projekte könnten gefährdet sein, wenn Berlin wegen Kürzungen im Haushalt das Geld für die anteilige Finanzierung fehle.
Verbündete braucht Schneider erst recht bei Großprojekten wie der Wiedervernässung von Mooren. Dadurch soll der Treibhausgasausstoß entwässerter Moore reduziert werden, der in Brandenburg noch die Emissionen des Verkehrssektors übertrifft. In den Möllmer Seewiesen bei Oranienburg nördlich von Berlin trifft der ehemalige Ostbeauftragte Schneider den Landwirt Nils Fischer, Geschäftsführer der Agrarproduktion GmbH Neuholland-Freienhagen. Fischer ist Partner des Forschungsprojekts zur landwirtschaftlichen Nutzung wiedervernässter Moore. Seit Mai hält er eine kleine Herde Wasserbüffel. Ob sich die geplante Fleischvermarktung rentieren wird, ist ungewiss. Schneider will wissen, wie der örtliche Bauernverband zu dem Projekt steht. Früher sei kommunikativ viel schiefgelaufen, berichtet Fischer. Das sei nun anders. „Die Bevölkerung spielt mit.“ Die umliegenden Acker- und Weideflächen und auch die Artenvielfalt profitierten von dem verbesserten Wasserhaushalt. „Aber ohne Förderung geht es nicht“, hebt der Landwirt hervor.
Ein zweites Experimentierfeld neben der Tierhaltung in wiedervernässten Mooren ist der Anbau von Schilf und Rohrkolben für Dämm- und Verpackungsmaterial. Anfang August wird Carsten Schneider auf das legendäre Heavy-Metal-Festival in Wacken gehen. Dort sollen Matten aus Moorpflanzen zum Schutz vor Bodenerosion verlegt werden. Die Metal-Fans können den Umweltminister an einem Infostand treffen. Auch die Aktion Wacken soll dazu beitragen, den Klima- und Naturschutz in die Breite der Bevölkerung zu tragen.