Das mühsame Ringen um einen dringend benötigten Milliardenbetrag für die Sanierung von Autobahnbrücken geht weiter. Ein Teil der vorgesehenen Mittel in Höhe von insgesamt 450 Millionen Euro soll am kommenden Mittwoch vom Haushaltsausschuss als „überplanmäßige Ausgabe“ freigegeben werden.
Damit sollen Brücken und die dazugehörigen Fahrbahnen saniert werden; aufgelistet werden unter anderem die Talbrücke Pfeffermühle an der A 7 oder das Offenbacher Kreuz auf der A 3/A 661. Aber es fehlen noch mehr als 700 Millionen Euro, die die Autobahn GmbH benötigt, um weitere Arbeiten in Auftrag zu geben. Erst dann können die Ausschreibungen für Bauprojekte wieder aufgenommen werden, die das bundeseigene Unternehmen vor zwei Wochen gestoppt hatte.
Geldnot trotz Sondervermögen
„Die Bundesregierung und das Parlament eint der Wille, das Geld schnellstmöglich auszugeben“, versicherte der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Stefan Schnorr, am Donnerstag. Der drastische Schritt der Autobahn GmbH hatte für große Aufregung und teils auch Irritationen gesorgt, schließlich war die neue Bundesregierung mit dem vielversprechenden Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz (SVIK) von 500 Milliarden Euro in die neue Amtszeit gestartet. Seitdem gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die aufsehenerregende Entscheidung der blanken Not geschuldet war, wie es die Autobahn GmbH und die Projektgesellschaft Deges darstellen, oder ob es eher eine überzogene Vorsichtsmaßnahme war, wie das SPD-geführte Bundesfinanzministerium findet.
So oder so ist der Schaden schon eingetreten: Von einer groß angelegten Investitionsoffensive kann jedenfalls im Straßenbau derzeit keine Rede sein, jetzt werden erst einmal Projekte auf Eis gelegt. Im Brückenbau haben erste Unternehmen schon Kurzarbeit angemeldet.
Grund für diese Notmaßnahme sind die Pläne der Bundesregierung, die vorgesehenen Mittel für die Brückensanierung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro nicht aus dem Kernhaushalt, sondern aus dem SVIK zu finanzieren. Das stellt die Koalition und damit auch die Autobahn GmbH vor unvorhergesehene Probleme.
Verzögerung mit Kaskadeneffekt
Die bisherige Finanzierung über den Einzelplan des Verkehrsministeriums ist selbst in Zeiten einer vorläufigen Haushaltsplanung flexibler als ein bald prall gefüllter Schuldentopf, denn die enge Zweckbindung im noch zu verabschiedenden Wirtschaftsplan des Sondervermögens erweist sich in der Praxis als sperrig. Schon wenige Wochen nach der Aufstellung des Haushalts Ende Juni und seiner neuartigen Mischung aus Einzelplan und Sondervermögen macht sich deshalb Ernüchterung breit.
Was eine weitere Verzögerung bedeuten könnte, ist in einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Finanzministerium, Dennis Rohde, an den Haushaltsausschuss festgehalten: Müsste man abwarten, bis der Bundeshaushalt 2025 und der Wirtschaftsplan des SVIK voraussichtlich im September in Kraft treten, drohten Verzögerungen bei den Bauvorhaben womöglich gleich um mehrere Jahre.
Der Grund: Wenn erst die Geldnot und dann auch noch der Wintereinbruch dazu führt, dass sich Baustellen so sehr häufen, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in Gefahr gerät, könnte das einen „Kaskadeneffekt“ haben, der auch Folgemaßnahmen erfasst. Für Baumaßnahmen an Brücken, für die die Vereinbarung einer Sperrpause etwa wegen der Sperrung von Gleisen für den Zugverkehr mit den Eisenbahnunternehmen erforderlich ist, sind Verzögerungen besonders heikel, da solche Sperrpausen auf mehrere Jahre im Voraus geplant werden und nicht kurzfristig erneut zur Verfügung stehen.
Regiert jetzt der gesunde Menschenverstand?
Die Opposition lobte die kurzfristige Hilfsaktion über den Haushaltsausschuss, rügte aber zugleich die Herangehensweise von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), der sich eigentlich als „Investitionsminister“ verstanden wissen will. „Damit setzt sich der gesunde Menschenverstand gegen Lars Klingbeil durch, der die Brückensanierungen auf Biegen und Brechen in das Sondervermögen schieben wollte, obwohl das bedeutet, dass die Ausschreibungen erst später kommen und deutlich teurer werden“, kritisierte die Haushaltspolitikerin der Grünen, Paula Piechotta. Jetzt müssten diese Sanierungen aus dem Kernhaushalt finanziert werden, und im Sondervermögen werde Platz für zusätzliche Investitionen in den Verkehr.
Noch größer ist indes die Finanznot mit Blick auf die Jahre zwischen 2026 und 2029. Für diesen Zeitraum hat Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) eine Lücke von insgesamt rund 21 Milliarden Euro über alle Verkehrsträger hinweg ausgemacht. Nach dem derzeitigen Stand sind etwa Projekte wie der Neubau der Schienenstrecke zwischen Mannheim und Frankfurt nicht finanziert.