Mathematik-Wettbewerb: KI kann besser Mathe als Sie

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US-Präsident Donald Trump geht all-in bei künstlicher Intelligenz (KI). Für KI-Unternehmen sollen praktisch keine Regeln mehr gelten. Warum das eine Herausforderung für Europa ist, analysiert mein Kollege Nicolas Killian.

Fast zeitgleich trafen sich der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz und der französische Präsident Emmanuel Macron, um über die Zukunft Europas zu sprechen. KI kam in den Statements der beiden Regierungschefs genau einmal vor. “Wir investieren auch in KI, grüne Technologien, Energiewende und Quanten”, sagte Macron.

Das wirkt im Vergleich zu Trumps Giganto-Plan reichlich dünn. Es ist sicher kein nachahmenswertes Vorgehen, wie der US-Präsident alle Vorsicht fahren zu lassen. Aber etwas mehr Aufmerksamkeit hätte das Thema schon verdient. Gerade in Europa, wo man schon in vielen anderen Digitalbereichen abhängig ist von US-Tech. 

Das müssen Sie wissen: KI wird immer besser in Mathe

Ich wüsste nicht mal, wo ich anfangen soll. So wie mir dürfte es den meisten Menschen gehen, wenn sie sich die Aufgaben der internationalen Mathematik-Olympiade anschauen – von Algebra bis Zahlentheorie. An dem prestigeträchtigen Wettbewerb nehmen Schülerinnen und Schüler teil, die sich über nationale Wettbewerbe qualifizieren. Und mitunter: künstliche Intelligenzen.

Erstmals hat eine KI in diesem Jahr sogar ein so gutes Ergebnis erzielt, dass sie eine Goldmedaille bekommen hat. Google Gemini Deep Think konnte in der gleichen Zeit wie die menschlichen Prüflinge (viereinhalb Stunden) fünf der sechs gestellten Aufgaben lösen. Vergangenes Jahr erhielt eine Google-KI zwar schon eine Silbermedaille. Allerdings rechnete das System dafür tagelang. Außerdem mussten damals die Aufgaben erst in Programmcode übersetzt werden.

Das Gemini-Modell, das Google dieses Jahr in den Wettbewerb schickte, ist keine reine Mathe-KI, sondern ein Sprachmodell. Es konnte die Aufgaben genau wie gestellt verstehen und spuckte Beweise aus, die laut den Prüfern “klar, präzise und meistens einfach zu verstehen” waren. 

Das ist zunächst einmal beeindruckend. Was Schlussfolgerungen angeht, ist allerdings eine gewisse Vorsicht angebracht. Technische Details über die Google-KI sind nicht allzu viele bekannt. Es ist unklar, wie sehr die mathematischen Höchstleistungen auf andere Lebensbereiche übertragbar sind. Worauf die KI-Forscher Gary Marcus und Ernest Davis außerdem zu Recht hinweisen: Gute Ergebnisse in einem Mathe-Wettbewerb sind noch keine Garantie dafür, dass KI bald auch bislang ungelöste mathematische Probleme lösen wird, wie es die Unternehmen dahinter gern versprechen. 

Übrigens behauptet auch OpenAI, dass eines seiner bisher nicht veröffentlichten Modelle ein goldmedaillenwürdiges Ergebnis erzielt hat. Das wurde allerdings nicht von externen Prüfern bestätigt, was, nun ja, skeptisch machen darf. Andererseits: Ich bin sicher, dass auch diese KI besser abgeschnitten hat, als ich es je könnte.  

Darüber sollten Sie nachdenken: Machen wir bei KI die gleichen Fehler wie bei Social Media?

OpenAI hat vergangene Woche einen Agentenmodus in ChatGPT vorgestellt. Das System kann Informationen aus dem Internet mit solchen aus dem Kalender, dem LinkedIn-Konto oder den Mails der Nutzerin kombinieren und soll so wie ein persönlicher Assistent fungieren. Von solchen Visionen reden KI-Firmen seit Jahren.

Aber wollen Menschen überhaupt einer KI – und damit möglicherweise auch der dahinterstehenden Firma – Zugriff auf ihre persönlichen E-Mails und ihre Arzttermine geben? Und noch wichtiger: Sollten sie? 

Dass es keine gute Idee ist, alle möglichen Daten über das Leben von Menschen miteinander zu kombinieren, ist eine Erkenntnis, die man auf dem Social-Media-Zeitalter mit ins KI-Zeitalter nehmen kann. Das beschreibt Miranda Bogen in einem lesenswerten Beitrag. Die Expertin für KI-Sicherheit ist Leiterin des AI Governance Lab des US-amerikanischen Center for Democracy & Technology, war früher bei Meta und forschte zu den Empfehlungsalgorithmen von Plattformen. Auch bei KI sieht sie die Nutzerinnen und Nutzer im Konflikt mit einer “mächtigen und datenhungrigen Branche, die eine goldene Zukunft verspricht, wenn wir nur unsere Privatsphäre aufgeben”.  

Die Erfahrung zeigt: Viele Menschen sind durchaus bereit, diesen Handel einzugehen. Aber die Versuchung für die Techkonzerne, die Daten zu nutzen, um personalisierte Werbung anzuzeigen oder Nutzer zu manipulieren, dürfte immer größer werden. Und was passiert, wenn all die von der KI zusammengefassten Mails, analysierten Geschäftsberichte und erklärten Arztbriefe in die Hände von Kriminellen geraten, will man sich gar nicht ausmalen.

Neue KI-Anwendungen wie ChatGPT Agent sind oft in der EU nicht sofort verfügbar. Unternehmen verweisen zur Begründung gerne auf die aus ihrer Sicht allzu strenge Tech-Regulierung hierzulande. Das ist oft ein bisschen schade, weil man die Anwendungen nicht ausprobieren kann. Und vielleicht stehen manche der Datenschutzgesetze der Innovation tatsächlich im Weg. Aber möglicherweise werden wir noch froh sein, dass wir sie haben.

Das können Sie ausprobieren: Unser KI-Video-Quiz

Begegnen Ihnen in sozialen Netzwerken in letzter Zeit auch gelegentlich sprechende Gorillas, die in Podcasts darüber reden, wie es wäre, gegen 100 Männer zu kämpfen? Oder Inneneinrichtung-Explosionen? Solche KI-generierten Videos sehen mittlerweile zum Teil täuschend echt aus. 

Das liegt auch daran, dass die Tools immer ausgefeilter werden. Vor allem Googles Video-KI Veo 3 sorgte vor einigen Wochen für Aufsehen. Das aktuelle Modell des chinesischen Unternehmens Kling AI gilt manchen als ebenbürtig. Und auch mit Tools wie Runway, dessen Modell Gen-4 schon seit April auf dem Markt ist, kann man mitunter realistisch anmutende Clips erzeugen.

Einige Kollegen und ich haben in den vergangenen Tagen Videos generiert und dann daraus ein Quiz gebaut. Anhand der Clips von Nachrichtensprechern, Fußballerinnen, Zebras und anderen Motiven können Sie testen, ob Sie Ihren Augen noch trauen können.