Das Start-up Aleph Alpha holt sich zwei namhafte Verstärkungen an Bord. Mit den IT-Managern Reto Spörri von der Schwarz-Gruppe und Ilhan Scheer von Accenture will der Anbieter Künstlicher Intelligenz (KI) so schnell wie möglich auf einen trittfesten Wachstumspfad einschwenken, sein Produktportfolio ausbauen und neue Kunden gewinnen. Dafür wird neben dem Gründer und amtierenden Vorstandsvorsitzenden Jonas Andrulis künftig der gebürtige Schweizer Spörri als Ko-Chef die Geschicke leiten. Andrulis soll das Gesicht nach außen, Spörri die organisierende Kraft im Inneren werden.
Innerhalb der Schwarz-Gruppe, die hinter den Einzelhändlern Lidl und Kaufland steht und an Aleph Alpha beteiligt ist, gilt Spörri als einer der besten Manager. Er könne komplexe Organisationen aufbauen und Tausende Mitarbeiter anführen, heißt es bei Schwarz. Darüber hinaus gilt er als Spezialist für Onlinehandel und Plattformtechnologien.
Neben Spörri wird auch Ilhan Scheer zu Aleph Alpha stoßen. Der bisherige Manager des global arbeitenden Beratungshauses Accenture wird den Posten des Chief Growth Officer übernehmen – ein Zeichen, dass das kaum sechs Jahre alte Start-up in naher Zukunft alle Kraft auf Wachstum setzt. Der aus Heidelberg stammende Manager hatte bei Accenture milliardenschwere Tech-Projekte der Kunden des Beratungshauses angeschoben.
Hochgesteckte Erwartungen
Das 2019 gegründete Aleph Alpha galt neben der französischen Mistral lange als zweite große KI-Hoffnung Europas. Im November 2023 schloss das von dem Wirtschaftsinformatiker und ehemaligen Apple-Manager Andrulis mitgegründete Heidelberger KI-Start-up nach eigenen Angaben eine Finanzierungsrunde über eine halbe Milliarde Euro ab. Namhafte deutsche Konzerne wie Bosch, die Schwarz-Gruppe, SAP und die Christ-Gruppe waren unter den Investoren. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gratulierte persönlich: „Lieber Jonas, herzlichen Glückwunsch, ihr gebt ein großartiges Beispiel“, schrieb er.
Doch das Start-up konnte in den darauffolgenden Monaten den hochgesteckten Erwartungen nicht wirklich gerecht werden. Das Unternehmen rühmte sich einst, sein großes KI-Sprachmodell Luminous könne mit denen des ChatGPT-Entwicklers Open AI mithalten. Doch es fehlten die Mittel, um langfristig mit den im Halbjahrestakt erscheinenden neuen Modellen der amerikanischen oder chinesischen Konkurrenz auf einer Höhe zu bleiben. Immer mehr Kunden waren hinter vorgehaltener Hand über die Technik Aleph Alphas enttäuscht. Selbst namhafte Partner konnten mit dem KI-Modell dem Vernehmen nach nicht viel anfangen.
Das Start-up passte daraufhin seine Strategie an: Im Fokus stand nicht mehr das Ziel, das beste Sprachmodell zu entwickeln, sondern die Entwicklung einer Orchestrierungsplattform für KI und auf einzelne Branchen spezifisch zugeschnittener KI-Anwendungen. Spörri und Scheer sollen dem Strategen Andrulis nun offenbar helfen, diese Marschroute schneller umzusetzen.
Wie geht es nun weiter?
Andrulis selbst tritt dem Eindruck entgegen, dass es sich um eine Entmachtung handele. „Wir haben schon vor Monaten beschlossen, dass wir uns für den nächsten Wachstumsschritt verstärken müssen“, sagte der Unternehmensgründer der F.A.Z. Spörri sei der überzeugendste Kandidat in einem intensiven Auswahlverfahren unter mehreren Kandidaten gewesen. Seine Aufgabe im bald vierköpfigen Vorstand sei es künftig, die Skalierung des Geschäftsmodells zu managen. Das Unternehmen sei innerhalb der vergangenen zwölf Monate um 300 Prozent gewachsen und zähle nun rund 400 Mitarbeiter. Mit dem neuen KI-Betriebssystem PhariaAI 1.0 werde eine neue Wachstumsphase eingeläutet.
„Bisher war jedes Kundenprojekt noch mit viel Handarbeit verbunden, um es auf die Bedürfnisse des Kunden anzupassen“, räumt Andrulis ein. Auf die Frage, was bei einem strategischen Patt zwischen den beiden CEOs geschehe, verweist Andrulis auf das siebenköpfige Board als Entscheidungsträger und auf die Tatsache, dass er zugleich auch der größte Anteilseigner sei.
Dennoch dürfte der Schritt Spekulationen über ein Übernahmeinteresse der Schwarz-Gruppe befeuern. Mit „Stackit“ hat die IT-Sparte Schwarz Digits ein eigenes Cloudangebot mit ehrgeizigen Zielen aufgebaut, das perspektivisch zu „Europas souveränem Hyperscaler“ werden soll, wie Schwarz-Digits-Ko-Chef der F.A.Z. zuletzt im Interview sagte. Das KI-Angebot von Aleph Alpha würde zu diesen Plänen auf dem Papier sehr gut passen, zumal die Unternehmen schon heute eng zusammenarbeiten und Schwarz sich deutlich aktiver bei Aleph Alpha eingebracht hat als die anderen strategischen Investoren Bosch und SAP.
Nach allem, was hinter den Kulissen zu hören ist, plant Schwarz vorerst nicht, Aleph Alpha enger an sich zu binden, weitere Anteile oder gar das ganze Unternehmen zu übernehmen. Vielmehr verweisen Beobachter des Geschehens darauf, dass Gründern, die sich mit ihren Start-ups in fortgeschrittenen Wachstumsphasen befinden, oft erfahrene Manager an die Seite gestellt werden, wenn man auf schwierig zu durchbrechende Schallmauern trifft. Gehen doch mit der wachsenden Schar von Investoren die Anteile und Einflüsse der Gründer im eigenen Unternehmen schnell zurück. Investoren erhalten mehr Einfluss und größere Durchgriffsrechte. Das war einst bei Apple so, später bei Cisco und Ebay, Google und Yahoo.