Eine Gruppe könnte die Pläne der EU-Kommission zum künftigen Haushalt besonders hart treffen: die Landwirte. Wie die F.A.Z. berichtete, sollen die Gelder der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mit anderen Politikbereichen in einem gemeinsamen Fonds gebündelt werden. Ein separates Agrarbudget soll es nicht mehr geben. Die Direktzahlungen sollen um etwa 20 Prozent gekürzt werden. Und auch an anderen Stellen will die Kommission ansetzen: Größere Höfe sollen weniger Geld je Hektar bekommen, und die Subventionen sollen von einer Summe von 100.000 Euro an im Jahr gedeckelt werden. Die Mitgliedstaaten erhalten außerdem mehr Freiheiten darin, wie sie ihre Landwirte unterstützen. Vier Praktiker schildern, was sie von den Plänen halten.
„Landwirte wollen unabhängig sein“
Landwirt Alfons Wolff hält von den EU-Plänen nicht sonderlich viel. Vor allem aber ärgert er sich darüber, dass die Subventionen in ein falsches Licht gerückt würden. „Eigentlich sind das Ausgleichszahlungen für Marktungerechtigkeiten, weil wir uns immer mehr dem Weltmarkt anpassen mussten“, sagt der 65 Jahre alte Landwirt. Wolff ist Sprecher der Interessenvertretung Freie Bauern und bewirtschaftet mit seinem Sohn 700 Hektar Ackerland in Sachsen-Anhalt. Derzeit subventionierten die Zahlungen vor allem sehr billige Nahrungsmittel, sagt er.

Dabei reiche die Prämie von etwa 150 Euro je Hektar nicht einmal ansatzweise aus, um die Kosten zu decken. Hohe Sozialabgaben und Bürokratie erschwerten das Wirtschaften zusätzlich – ebenso wie der Verwaltungsaufwand. „In Brüssel sitzen Bürokraten und Technokraten, die sich permanent etwas Neues ausdenken.“ Gäbe es hingegen faire Marktbedingungen, kämen die Bauern auch ohne Subventionen aus. Entweder müsse man die Standards für importierte Agrargüter anheben oder akzeptieren, dass hochwertige Lebensmittel ihren Preis haben. „Wir Landwirte wollen keine Almosenempfänger sein, sondern von unserer Arbeit leben.“ Zugleich kritisiert er, dass große Betriebe nach den neuen Plänen benachteiligt werden. „Wenn ein Hektar gestützt wird, ist der erste so gut wie der letzte.“ Gerade in Ostdeutschland könne man oft nur mit viel Fläche eine Familie ernähren. „Man hat die Höfe jahrzehntelang in den Strukturwandel gejagt, und dann zieht man ihnen den Teppich weg.“ Zugleich sagt er: Große Kapitalgesellschaften, die anonymisiert Landwirtschaft betreiben, sieht er kritisch.
„Mehr Geld allein hilft nicht“
Einen anderen Blick auf die Pläne hat Elisabeth Fresen. Die 32 Jahre alte Landwirtin leitet einen Biolandhof in Niedersachsen mit 170 Hektar und 100 Mutterkühen in ganzjähriger Weidehaltung. Sie setzt auf extensive Bewirtschaftung, Naturschutz und Direktvermarktung. „Ich bin Biobäuerin aus Überzeugung und möchte mit meiner Art der Landwirtschaft Tiere, Arten, Klima und unsere Umwelt schützen.“ Wie viele andere Höfe ist sie auf Subventionen angewiesen, wünscht sich aber, dass Landwirte künftig mehr Einkommen am Markt erzielen. „Subventionen müssten gezielter für Naturschutz und Klimaleistungen gezahlt werden, denn das ist ein Beitrag für die gesamte Gesellschaft.“

Die geplanten Kürzungen und Kappungen für größere Betriebe hält sie für sinnvoll. „Es ist unfair, dass es nach oben bisher keine Grenze gibt.“ Große Unternehmen bekämen Gelder, obwohl sie diese nicht zwingend bräuchten und insgesamt günstiger produzieren könnten. Bei kleinen Betrieben sei das anders. Die Brüsseler Pläne sieht sie insgesamt als Rückschritt: „Das Fördersystem wäre ein großer Hebel, die Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zu lenken.“ Sie vermisst einen klaren Pfad für die Zukunft der Landwirtschaft und fürchtet, dass Anreize für Umweltleistungen in den Hintergrund rücken. Nur nach mehr Geld zu rufen, bringe nichts, findet sie. Insgesamt könne sie nachvollziehen, dass angesichts steigender Ausgaben für andere Bereiche wie Rüstung nun weniger für die Landwirtschaft bleibt.
„Das führt zu neuen Treckerdemos“
Die 29 Jahre alte Milchviehhalterin Katharina Leyschulte nennt die geplante Zentralisierung der EU-Gelder eine „Kürzung an der Landwirtschaft durch die Hintertür“. Für ihren Familienbetrieb mit 140 Milchkühen und 170 Hektar Land in Nordrhein-Westfalen wäre das ein „herber Schlag“. „Wir sind aufgrund der teuren Produktionsbedingungen in Deutschland darauf angewiesen, diesen Ausgleich zu erhalten“, sagt sie. Die Pläne seien in der derzeitigen Form für viele Landwirte inakzeptabel und führten unweigerlich zu erneuten Treckerkorsos durch Brüssel, sagt sie. „Diese Auflagen- und Dokumentationsflut ist mit den Marktpreisen allein nicht einzuhalten.“

Auch die Deckelung der Unterstützung hält sie für ungerecht. „Gewachsene Höfe müssen auch weiterhin für ihre Landschafts- und Umweltmaßnahmen entlohnt werden. Der Lohn eines Dachdeckers wird auch nicht gedeckelt, wenn er mehr Dächer deckt – warum soll es der Ausgleich für Landwirte, die mehr für Umwelt und Klima leisten?“, sagt sie. Ihrer Meinung nach werde am falschen Ende gespart. Der Erhalt der Höfe sei gelebter Klimaschutz. Das müsse gesehen und weiterhin honoriert werden.
„Die Großen sind nicht die Bösen“
Die Kürzungen der Agrarsubventionen würden den Betrieb von Andre Paarmann unmittelbar treffen. Seine Agrargenossenschaft in Mecklenburg-Vorpommern, in deren Vorstand er sitzt, bewirtschaftet 700 Hektar und erhält derzeit rund 180.000 Euro Ausgleichszahlungen im Jahr aus Brüssel. Dass die Gelder für Betriebe wie seinen bald gekappt werden sollen, nennt er „Schwarz-Weiß-Malerei. „Wir werden bestraft, nur weil wir groß sind“, sagt der 30 Jahre alte Landwirt.

Dabei könnten größere Betriebe oft mehr für Artenvielfalt und die Natur tun als kleinere, etwa mit Blühstreifen, moderner Technik und weiten Fruchtfolgen, sagt er. Die Wahrnehmung, Landwirte bekämen „viel Geld“ für nichts, hält er für irreführend. „Subventionen gibt es nicht umsonst, dafür müssen wir sämtliche Auflagen erfüllen, die oft kontrolliert werden“, sagt er. „Wir könnten natürlich auch ganz industriell wirtschaften und nur Mais und Weizen anbauen, aber dann sähe es in der Natur ganz anders aus, und das wollen wir auch nicht.“
In seiner Genossenschaft bemühe man sich darum, weite Fruchtfolgen mit vielen verschiedenen Kulturen anzubauen. Sicherlich sei es das Ansinnen eines jeden Landwirts, ohne Subventionen zu wirtschaften, sagt er. Doch das ginge nur, wenn ihm für seine Kulturen ein Preis garantiert werde – was wiederum ein Markteingriff wäre. An dem Subventionssystem ärgert ihn besonders die Bürokratie. „Das Geld zu beantragen, ist eine Vollkatastrophe, der Verwaltungsapparat ist riesig und ständig ändert sich was.“ Trotz der Kürzungspläne bleibt er zuversichtlich. „Die Pläne waren nur der erste Aufschlag, da wird sicher Gegenwind kommen.“