Kommentar zum Fall Brosius-Gersdorf: Suche nach einer gesichtswahrenden Lösung

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Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Hoffmann ist in der Causa Brosius-Gersdorf kein unbeschriebenes Blatt. Er war es, der seine Fraktionskollegen noch vor der Sitzung des Wahlausschusses öffentlich dazu aufrief, gute Miene zu einem von nicht wenigen als böse empfundenen Spiel der SPD zu machen und die nicht mehrheitsfähige Potsdamer Staatsrechtlerin im Verein mit zwei anderen Kandidaten an das Bundesverfassungsgericht zu wählen.

Weil sich aber die Führung der Unionsfraktion in sträflicher Verkennung der Stimmung in den eigenen Reihen bis kurz vor dem Wahltermin von der Unterstützung für die Juristin nicht abbringen ließ, konnte und kann sich die SPD-Führung nicht nur in Verkennung des eigenen Anteils an dem Desaster als Opfer fühlen.

Sie müsste auch berechtigte Zweifel daran haben, dass Hoffmann die Stimmung in der Unionsfraktion diesmal besser einschätzt: Zwar wird hinter den Kulissen längst ausgelotet, wie eine für möglichst viele Seiten gesichtswahrende Lösung aussehen könnte.

Gegen die anderen Kandidaten sprechen keine sachlichen Gründe

Doch noch ist nicht gesagt, dass der von Hoffmann ins Spiel gebrachte Rückzug aller drei Kandidaten die beste der vielen Lösungen wäre. Denn anders als bei Brosius-Gersdorf, die in der Debatte über die Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben die Grundrechtsauslegung des Verfassungsgerichts für überholt hält und einen anderen Menschenwürde-Begriff vertritt, wurden bei den beiden Kandidaten Kaufhold und Spinner keine sachlichen Gründe gegen ihre Eignung für Karlsruhe angeführt.

Gleichwohl könnte es politische Gründe geben, dass die Unionsführung nicht an dem von ihr favorisierten Kandidaten festhält – und sei es in der Hoffnung, den Preis für den Vertrauensbruch gegenüber dem Koalitionspartner nicht auf anderen Feldern zahlen zu müssen.

So oder so dürfte der kommende Herbst mit dem Streit über die Reformen des Wohlfahrtsstaates einer der heißesten der jüngeren Geschichte werden. Noch mehr Öl ins Feuer braucht es da nicht.