Kurz vor einem Gaza-Krisengespräch der Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs (E3) an diesem Freitag hat Präsident Emmanuel Macron die Anerkennung eines palästinensischen Staates angekündigt. Bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September will Frankreich die Anerkennung feierlich verkünden. Frankreich agiere damit „getreu seinem historischen Engagement für einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten“, schrieb Macron in einem Brief an den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas. Es sei „heute dringend notwendig, den Krieg in Gaza zu beenden und der Zivilbevölkerung zu helfen“, so Macron.
Ziel des französischen Vorgehens ist es, die Kriegsdynamik angesichts der dramatischen Lage im Gazastreifen zu durchbrechen. In Paris hofft man, damit die Bedingungen für eine Waffenruhe zu verbessern. Abbas hatte in einem Brief an Macron im Juni die vollständige Entwaffnung und Entmachtung der Hamas sowie politische Reformen der Autonomiebehörde versprochen. In Paris hieß es, es handele sich um ein kollektives Vorgehen. 15 Staaten der Region würden den Versuch unterstützen, zu einer Zweistaatenlösung zurückzukehren. Saudi-Arabien hat zusammen mit Frankreich den Ko-Vorsitz bei der geplanten UN-Konferenz im September inne.
Den Vorwurf aus Israel, die Anerkennung sei ein Geschenk für die Terrororganisation Hamas, weist man zurück. Vielmehr könne die Hamas nur dauerhaft isoliert werden, wenn es eine echte Perspektive für eine friedliche Zukunft gebe. Die Missbilligung der amerikanischen Staatsführung nimmt man in Paris in Kauf. Macrons Nahostberaterin hielt sich vergangene Woche zu Gesprächen in Washington auf und hat das französische Vorgehen erläutert. In Paris teilt man nicht die Einschätzung des Sonderbeauftragten Steve Witkoff, dass die Hamas die Verhandlungen hin zu einer Waffenruhe im Gazastreifen blockiert. Israel und Amerika hatten ihre Verhandlungsteams zurückgerufen.
148 Staaten erkennen einen palästinensischen Staat an
Macron schreibt in seinem Brief, dass er „sich nicht damit abfinden“ könne, dass die Perspektive einer Verhandlungslösung im Nahen Osten immer weiter in die Ferne rücke. Es sei dringend notwendig, den Terrorismus und die Gewalt in all ihren Formen zu beenden und die „legitimen Bestrebungen“ des palästinensischen Volkes zu erfüllen.
Bereits am 28. und 29. Juli findet eine Palästina-Konferenz auf Ministerebene in New York statt, an der Außenminister Jean-Noël Barrot teilnimmt. Eine Teilnahme des deutschen Außenministers Johann Wadephul (CDU) ist bislang nicht bestätigt worden. In Paris heißt es, trotz unterschiedlicher Strategien sei das Vorgehen eng mit Berlin abgestimmt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am Mittwochabend Macron zu einem mehr als zweistündigen Gespräch in der Villa Borsig empfangen.
Macron plante ursprünglich schon im Juni, vor Beginn der israelischen Militärschläge auf Iran, Palästina anzuerkennen. 148 Staaten erkennen einen palästinensischen Staat an, das sind drei Viertel der UN-Mitglieder. Frankreich hat als Atommacht und ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat besonderes Gewicht. Die Vereinigten Staaten und Israel lehnen das Vorhaben entschieden ab.
Vollständige Entwaffnung der Hamas gefordert
Im Élysée-Palast hofft man auf eine internationale Hebelwirkung. Präsident Macron lehnt die Zwangsumsiedlung der Palästinenser aus dem Gazastreifen ab und ist bestrebt, einer politischen Lösung den Weg zu ebnen, die an Präsident Trumps erfolgreiche Abraham-Abkommen aus dem Jahr 2020 anknüpft. Macrons Demarche ist von der Erfahrung in Libanon geprägt, wo es ihm gegen Störmanöver aus Israel gelang, in einer französisch-amerikanischen Initiative eine (prekäre) Waffenruhe durchzusetzen. Eine Waffenruhe und eine Rückkehr zu einem politischen Prozess sind auch jetzt wieder das Ziel.
In Paris verweist man auf den Brief von Abbas, der eine eindeutige Verurteilung der Verbrechen der Hamas enthält. Abbas forderte darin die vollständige Entwaffnung der Hamas und sprach sich dafür aus, die Terrororganisation gänzlich aus der Politik auszuschließen. Zudem verpflichtete er sich, binnen eines Jahres Präsidenten- und Parlamentswahlen abzuhalten. Die palästinensischen Gebiete sollen entmilitarisiert und durch eine Stabilisierungs- und Schutzmission arabischer und internationaler Streitkräfte unter UN-Mandat geschützt werden. In Paris verweist man auf die moralische Pflicht, dem Elend und dem Sterben im Gazastreifen nicht tatenlos zuzusehen.