Neue Linkspartei in Großbritannien: Corbyns Rache an Starmer

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„Dies ist deine Partei.“ Mit diesen Worten begrüßt eine neue Internetseite die Besucher. Hinter ihr stehen der frühere Labour-Anführer Jeremy Corbyn und die Unterhausabgeordnete Zarah Sultana, die vergangenen Sommer ebenfalls mit der Partei von Premierminister Keir Starmer gebrochen hat. „Deine Partei“ ist bis auf Weiteres auch der Name der neuen linksgerichteten Formation. „Es ist Zeit für eine neue Art von politischer Partei. Eine, die Ihnen gehört“, appelliert auch der Leitsatz der auf der Seite veröffentlichen Erklärung an den Anti-Establishment-Reflex.

Auch sonst ist ihr Inhalt eine Abrechnung mit der Politik des seit einem Jahr regierenden gemäßigt-linken Premierministers. „Das System ist manipuliert, wenn 4,5 Millionen Kinder im sechstreichsten Land der Welt in Armut leben“, heißt es. Außerdem seien Millionen Menschen entsetzt über „die schändliche Mitschuld der Regierung am Völkermord“, womit Israels Vorgehen in Gaza gemeint ist.

Der Sozialstaat und der Krieg in Nahost sind neben der Migrationspolitik die beiden Hauptthemen, an denen sich die Linke im Vereinigten Königreich derzeit entzweit. Vor wenigen Wochen musste Starmer geplante Kürzungen im Sozialbereich zurücknehmen, weil ihm mehr als 100 Labour-Abgeordnete die Gefolgschaft verweigerten. Angesichts des Hungers in Gaza verschärft sich zwar Starmers Ton gegenüber der israelischen Regierung. Doch der Premierminister steht auch als Parteichef für die Gegnerschaft zu einseitig propalästinensischen Positionierungen. Starmer drängte Corbyn vor gut fünf Jahren wegen Antisemitismus-Vorwürfen aus der Partei.

An einen Regierungschef aus den Reihen der neuen Linkspartei glauben wohl auch ihre Gründer nicht ernsthaft. Doch sie könnte Starmer bei einer nächsten Unterhauswahl schaden. Laut einer Umfrage des Instituts YouGov könnte sich knapp ein Fünftel der britischen Wähler vorstellen, eine Corbyn-Partei zu wählen. Schon bei der letzten Unterhauswahl im Juli 2024 wurden Corbyn und mehrere andere parteiunabhängige Politiker mit einem dezidiert propalästinensischen Programm ins Unterhaus gewählt. Corbyns neue Partei dürfte vor allem migrantisch geprägte bisherige Labour-Hochburgen angreifen. Labour-Wähler könnten Umfragen zufolge aber auch in großer Zahl nach rechts zur Reform Party von Nigel Farage abwandern.