Frankfurt: Neue Bürokonzepte im Tower 185

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Die Aussicht auf Skyline und Main hinter der Glasfassade im 45. Stockwerk ist geradezu überwältigend. Doch ein Mieter, der diesen Blick aus dem Tower 185 genießen will, hat sich bisher nicht gefunden. So hat die Deka Immobilien, Eigentümerin des 200 Meter hohen Büroturms mit seinen 50 Etagen an der Friedrich-Ebert-Anlage, selbst zugegriffen. Die ganze Etage mit ihren 1400 Quadratmetern wurde zu einem „Home Space“ umgebaut. Als „Erlebnis- und Erfahrungsraum“ soll die riesige Vorführfläche Interessenten und Maklern Lust auf den Turm machen. Die anhaltende Krise auf dem Büroimmobilienmarkt, zu deren Ursachen das Homeoffice gehört, hat auch den Tower 185 erfasst. Im „Home Space“ will der Immobilienvermieter zeigen, dass eine immer flexiblere Bürowelt für die Beschäftigten auch Wohlfühl-Oasen bieten kann.

Im Marketing-Sprech der Branche nennt sich das „New Work“ und „Wellbeing“, die in der „smarten“ Bürowelt zusammenfinden sollen. Die Identifikation der Mitarbeiter mit ihren Arbeitsräumen gilt heute bei Firmen als ein Muss. „Das Büro geht immer mehr in Richtung Wohnen“, sagt Annette Kaiser. Sie ist bei der Deka Immobilien, einer Tochter der von den deutschen Sparkassen getragenen Deka-Gruppe, für die Vermietung des Tower 185 zuständig. Mit seinen mehr als 100.000 Quadratmetern sei das 2012 fertiggestellte Hochhaus zwischen Messegelände und Hauptbahnhof das flächengrößte Hochhaus Deutschlands. Der Quadratmeterpreis für Büros liegt bei durchschnittlich 36 Euro, wie Kaiser sagt.

In Frankfurt betrug im ersten Halbjahr 2025 der Spitzenwert 54 Euro pro Quadratmeter, wie die BNP Real Estate – die deutsche Immobiliensparte der französischen Großbank BNP – in ihrem jüngsten Marktbericht schreibt. Die seit Corona wachsende Leerstandsquote von Büroflächen wird im Report mit 11,2 Prozent beziffert. Im Tower 185, der noch einen sechsgeschossigen Sockelbau hat, ist derzeit sogar rund ein Drittel nicht vermietet.

Weniger Fläche durch flexible Arbeitskonzepte

Deka-Immobilien-Managerin Kaiser sieht sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Zum einen ist seit der Pandemie das Homeoffice bei Unternehmen zur festen Größe geworden. Zum anderen hat die Digitalisierung eine ganz neue Flexibilität der Bürowelt ermöglicht. Stichworte dafür sind nicht nur das hybride Arbeiten (ein Teil der Arbeit wird von zu Hause aus erledigt), sondern auch Desk Sharing (gemeinsam genutzte Schreibtische im Büro) oder Co-Working-Zonen, die in großen Räumen kleine Bürozellen überflüssig machen.

Tower 185
Tower 185Frank Röth

Für solche Konzepte wird weniger Fläche benötigt als früher, auch wenn viele Unternehmen ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice wieder öfter ins Büro zurücklotsen wollen. Nach einer im Mai veröffentlichten Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts haben zehn Prozent aller Unternehmen in Deutschland ihre Bürofläche schon verkleinert. Zugleich wurde in den vergangenen Jahren im Kern der Frankfurter Innenstadt viel neuer Büroraum geschaffen wie etwa im Omniturm. Das Hochhaus-Ensemble „Four“ wird gerade fertig.

Angesichts des Konkurrenzdrucks geht es jetzt darum, Mietinteressenten ein möglichst flexibles und attraktives Umfeld zu bieten. Im Modellprojekt „Home Space“ hat Kaiser hat mit ihrem Team mehrere Bereiche geschaffen, das „Nest“, den „Dschungel“ und den „Club“. Im „Nest“ sind zum Beispiel an einer Stelle für potentielle Konferenzen stylisch-bunte Bürostühle um einen großen Monitor gruppiert, in einer anderen Ecke stehen loungeartige Sessel für Gespräche, die im kleinen Rahmen stattfinden können.

Büro soll wohnlicher werden

An der Decke sind bewegliche schalldichte Vorhänge montiert, mit denen per Knopfdruck Räume umgestaltet werden können. Den Unternehmen soll gezeigt werden, dass eine große Bürofläche in Sekundenschnelle multifunktional genutzt werden kann.

Oberstes Prinzip ist, dass alles Mobiliar zum Beispiel mit Rollen beweglich ist. Teppiche werden nicht mehr geklebt. Ports zum Andocken technischer Geräte sind flexibel gestaltet. In der Co-Working-Zone kann ohnehin alles verschoben und ausgetauscht werden. Es gibt „Community-Zonen“ und eine Küche mit Espressomaschine – und natürlich viel Farbe und Grünpflanzen fürs Wohlfühl-Ambiente. Bei der Einrichtung der Möbel und Verwendung der Materialien im „Home Space“ arbeitet die Deka Immobilien mit der Offenbacher Firma Raumagentur zusammen. Diese berät Unternehmen beim Einrichten von Büros.

Doch auch im „Home Space“ findet sich noch das klassische Einzelbüro, das durch eine Glaswand abgetrennt ist. Kaiser hat eine kleine Zelle bewusst stehen lassen, um andere mögliche Verwendungen zu zeigen. „Man kann Glaswände neu polieren oder mit Folien bekleben. Das bringt eine neue Optik“, sagt die Architektin. Auch alte Wände müssten nicht herausgerissen und durch langweiligen Gipskarton ersetzt werden, erläutert Kaiser. „Innenwände kann man beispielsweise mit Filz oder Holzwolle-Leichtbauplatten beplanken.“ Verkleiden ist mit diesem Fachbegriff gemeint, der eigentlich aus dem Schiffsbau kommt.

Die Idee von der Nachhaltigkeit – dem Wiederverwerten von Materialien im Büro – gehört zu den interessantesten Prinzipien im „Home Space“, der nicht nur Showroom für Kunden sein soll. Kaiser will ihre Kunden davon überzeugen, dass umgestaltetes Mobiliar nicht nur billiger ist, sondern ein Büro sogar noch wohnlicher machen kann. Auch ein Teil der Einrichtung im „Home Space“ ist recycelt, was in der Branche oft vornehmer „revitalisieren“ genannt wird.

„In Deutschland sind wir in den Köpfen oft immer noch sehr traditionell“

Dazu gehören etwa Stühle. Der Markt für recycelte Möbel ist angesichts der Flexibilisierung der Bürowelt, in der Einrichtungen oft nicht einmal mehr ein Jahrzehnt überdauern, inzwischen gewachsen. Er ist in Deutschland – anders als etwa in den Niederlanden – aber immer noch klein. Kaiser schätzt ihn auf etwa zehn Prozent. „In Deutschland sind wir in den Köpfen oft immer noch sehr traditionell“, sagt Kaiser. Meist werden Büromöbel nach dem Auszug von Firmen verramscht oder landen auf dem Sperrmüll. In der Regel kaufen Unternehmen immer noch ihre Möbel neu ein, wenn sie ein Büro beziehen.

Andere Immobilienanbieter sehen das wiederum als Chance, den Firmen alles im Paket zu liefern. Das Immobilienunternehmen Conren Land bietet – an zwei Standorten in Frankfurt mit eher wenig Fläche – vollständig ausgestattete Büros an. Als Kombination aus Open Space, Silent und Social Rooms mit Working Café.

Das Vermieten von Bürofläche bleibt jedenfalls ein hartes Geschäft. 2018 hat die Deka Immobilien den Tower 185 gekauft – und wurde dann von Corona überrascht. Das Wirtschaftsberatungsunternehmen PwC, der Hauptmieter, hat seinen Büroanteil inzwischen von rund 70 Prozent auf etwas mehr als 60 Prozent reduziert. Ein zweiter großer Mieter – eine amerikanische Anwaltskanzlei – ist dem Trend entsprechend in die zentrale Innenstadt umgezogen.

Die Immobiliengesellschaft ist bestrebt, den Tower 185 im Markt als besonders nachhaltig und klimafreundlich zu positionieren. In der Tiefgarage gibt es 130 E-Ladeplätze. Zugleich wurde im Turm das Serviceangebot mit Café und Kiosk und einem rund um die Uhr besetzten Empfang ausgebaut – und der „Home Space“ eingerichtet.

Die Strategie scheint sich allmählich bezahlt zu machen. Vor wenigen Tagen gelang es der Deka Immobilien, einen Abschluss mit einer amerikanischen Bank zu unterzeichnen, die mehrere Etagen mietet. Und vielleicht wird ja auch die 45. Etage irgendwann belegt. Dann braucht der „Home Space“ neue Räume.