Wie die Akte Epstein Trump in Bedrängnis bringt

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Er sei zehn Jahre lang Donald Trumps engster Freund gewesen, erzählte Jeffrey Ep­stein in einem Interview im Jahr 2017. Zum Beweis berichtete der Milliardär, damals schon ein verurteilter Sexualstraftäter, dem amerikanischen Journalisten und Autor Michael Wolff vom Sexleben des heutigen Präsidenten. Trump habe gern mit den Frauen seiner Freunde geschlafen und diese mithilfe perfider Spielchen verführt, bei denen er deren Männer vorführte. Außerdem behauptete Epstein, an Bord seines Privatflugzeugs, das den Spitznamen „Lolita Express“ trug, habe Trump zum ersten Mal mit seiner heutigen Frau Melania geschlafen.

Als Epstein zwei Jahre später wegen Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung Minderjähriger angeklagt wurde, stellte Trump seine Beziehung zu dem New Yorker Investor anders dar. Er sei kein Fan Epsteins, sagte er in einem Interview. Er habe ihn gekannt, „wie jeder in Palm Beach ihn kannte“, sich jedoch vor Langem mit ihm überworfen. „Ich glaube, ich habe seit 15 Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen.“

Vor wenigen Wochen dann nannte Trump Epstein einen Widerling. Aus dem Weißen Haus hieß es, der Präsident habe ihn wegen seines Verhaltens sogar aus seinem Privatklub verbannt.

Der Fall Epstein ist Quell zahlreicher Verschwörungstheorien

Das ändert jedoch nichts daran, dass Trumps größtes Problem zur Zeit Jeffrey Epstein ist, sechs Jahre nach dessen Suizid in einer Gefängniszelle in New York, in der er auf seine Verhandlung wartete. Die Saga Epstein ist seit vielen Jahren Quell von Verschwörungstheorien, nach denen sich die Vertreter einer pädophilen, schurkischen Elite gegenseitig deckten.

Eine geheime Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft in Florida, bei der Epstein trotz Vorwürfen des Missbrauchs von knapp vierzig Minderjährigen mit nur 13 Monaten Haft davonkam, war 2008 zum Symbol für die Straffreiheit einflussreicher Männer geworden. Epsteins Fall, so lautet eine der Theorien, werde bis heute unter Verschluss gehalten, um die Reichen und Mächtigen des Landes zu schützen.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Trump wiederum, der Transparenz zu seinem Leitmotiv erhoben hat, hatte im jüngsten Wahlkampf mehrfach versprochen, die berüchtigten Ermittlungsakten zu veröffentlichen. Nun hat er dieses Versprechen zum Ärger seiner Make-America-Great-Again-Anhänger gebrochen. Es gebe keine „Kundenliste“ Ep­steins, er habe tatsächlich Suizid begangen, und weitere Akten würden wegen Opferschutzes nicht veröffentlicht, hieß es in einem Bericht des Justizministeriums Anfang Juli. Dann brach ein Sturm an Trumps Basis los, wie ihn Trump bislang nicht erlebt hat.

In der Frage, wie nahe Trump und Epstein sich standen, steht Wort gegen Wort. Es ist jedoch unbestritten, dass beide Männer in den Neunziger- und Nullerjahren alle Freiheiten einer Kultur nutzten, in der Machismus und Ruchlosigkeit unter reichen Männern nicht als Makel, sondern als Lebensstil galten. Für die New Yorker Trump und Epstein gehörten dazu rauschende Partys mit jungen Frauen in Trumps Anwesen in Florida, das keine drei Kilometer von dem Epsteins entfernt war, Dinnerpartys in Epsteins Villa in der Upper East Side und Flüge zwischen beiden Orten mit Epsteins Privatflugzeug.

Trump lobte Epstein einst als „großartigen Kerl“

Auf einem Video von 1992 scherzen Trump und Epstein während einer Party in Mar-a-Lago, zu der auch Cheerleader der National Football League eingeladen waren. Fotos zeigen den Investor ein Jahr später auf Trumps zweiter Hochzeit. Auf Aufnahmen aus dem Jahr 1999 plaudern die beiden Männer während einer Show des Dessous-Herstellers Victoria’s Secret.

2002 lobte Trump Epstein in einem Interview als „großartigen Kerl“. Epstein liebe schöne Frauen genauso wie er, fügte er hinzu. Viele seien dabei „eher jünger“. Epstein wiederum soll dem Autor Wolff während des Gesprächs 2017 auch Polaroids gezeigt haben: Trump in Epsteins Haus in Palm Beach, am Pool, mit halb nackten Frauen auf dem Schoß.

Es gibt keine Beweise dafür, dass Trump an strafbaren Handlungen Ep­steins beteiligt gewesen ist. Jüngste Berichte, die darauf hindeuten, dass er von Epsteins Machenschaften wusste, weist der Präsident zurück. In einem Fall geht es um ein Geschenk für Epstein, das seine langjährige Vertraute Ghislaine Maxwell organisiert haben soll: eine ledergebundene Sammlung von Grüßen zum fünfzigsten Geburtstag des Milliardärs im Jahr 2003, an der sich laut „Wall Street Journal“ auch Trump beteiligte.

Dessen „vulgärer“ Brief enthalte einige maschinengeschriebene Zeilen und sei mit der Skizze einer nackten Frau umrahmt worden. Die Unterschrift, ein verschnörkeltes „Donald“, soll so unterhalb der Taille platziert worden sein, dass sie an Intimbehaarung erinnert. Der Brief endete nach Angaben des „Wall Street Journal“ mit dem Satz: „Herzlichen Glückwunsch – und möge jeder Tag ein neues wunderbares Geheimnis bereithalten.“ Trump bestreitet, den Text geschrieben zu haben. Er hat die Zeitung verklagt, und das Weiße Haus hat einen ihrer Journalisten von Trumps Schottlandreise ausgeschlossen.

Die Männerfreundschaft fand 2003 ein Ende

In einem zweiten Fall geht es um Maria Farmer, die in den Neunzigerjahren nach eigener Aussage Opfer sexueller Übergriffe durch Epstein wurde. Vergangene Woche beschrieb sie, wie es 1995 in Epsteins Büro zu einer ungewöhnlichen Begegnung mit Trump gekommen sei. Farmer, damals 25 und im Begriff, Beraterin Epsteins für Kunstkäufe zu werden, wurde demnach abends um neun Uhr plötzlich in das Büro in Manhattan gerufen.

In Gesprächen mit amerikanischen Medien berichtete Farmer, sie sei dorthin gejoggt und in kurzer Laufhose erschienen, weil sie sich kein Taxi habe leisten können. Dann habe sie in einem menschenleeren, dunklen Flur gesessen und auf Epstein gewartet, als Trump plötzlich hereinkam. Er soll nah an sie herangetreten sein und auf ihre Beine gestarrt haben. Dann habe Epstein den Raum betreten und gesagt: „Nein, nein. Sie ist nicht für dich hier.“ Als er Trump schließlich in einen anderen Raum führte, soll dieser noch gesagt haben, er dachte, sie sei 16. Das Weiße Haus äußerte dazu, Trump habe sich niemals im Büro Epsteins aufgehalten.

Farmer war wegen der sexuellen Gewalt durch Epstein 1996 zur Polizei gegangen. Nach eigener Aussage erwähnte sie damals auch, die Ermittler sollten dessen Umfeld in den Blick nehmen. Es könnte also sein, dass ihre Schilderungen dazu führten, dass Trump in den unveröffentlichten Ermittlungsakten erwähnt wird, auch wenn es dabei nicht um kriminelles Verhalten ging.

Das „Wall Street Journal“ berichtete vor wenigen Tagen unter Berufung auf ranghohe Mitarbeiter des Justizministeriums, man habe Präsident Trump im Mai darüber informiert, dass sein Name an mehreren Stellen in den Akten gefunden worden sei, neben vielen anderen einflussreichen Personen. Das allein ist kein Beweis für Fehlverhalten. Dem Bericht zufolge äußerte das Justizministerium gegenüber Trump, die Akten enthielten viel Hörensagen über Leute, die mit Ep­stein in Kontakt standen – es handele sich um Hunderte Namen. Man wolle die Dokumente jedoch nicht veröffentlichen, weil sie Kinderpornographie und persönliche Informationen über die Opfer preisgäben. Der Präsident soll dieser Entscheidung zugestimmt haben.

Eine Anzeigetafel am Times Square in New York im Juli mit der Forderung an Präsident Trump, die Epstein-Akten freizugeben
Eine Anzeigetafel am Times Square in New York im Juli mit der Forderung an Präsident Trump, die Epstein-Akten freizugebenAFP

Trumps Männerfreundschaft mit Ep­stein endete kurz nach dem angeblichen Geburtstagsbrief 2003, wohl jedoch nicht wegen Epsteins Umgang mit Mädchen und jungen Frauen. Der Autor Wolff berichtete unter Berufung auf den Investor, man habe sich im Jahr 2004 über einen Immobiliendeal entzweit. Epstein wollte ein weiteres Anwesen in Palm Beach kaufen – zweieinhalb Hektar mit Meerblick. Er bot 38 Millionen Dollar, zog jedoch den Kürzeren gegen Trump, der das Grundstück schließlich für 41 Millionen Dollar erwarb. Epstein deutete in dem Gespräch mit Wolff an, Trump könnte ihn später bei der Polizei angeschwärzt haben. 2005 begannen die Ermittlungen in Florida. Eine Mutter hatte Epstein in diesem Jahr jedoch auch wegen des sexuellen Missbrauchs ihrer 14 Jahre alten Tochter angezeigt.

2008 gestand Epstein in seinem besagten Deal mit der Staatsanwaltschaft, eine Minderjährige zur Prostitution angeworben zu haben. So kam er trotz umfassender Beweise, dass wesentlich mehr Mädchen betroffen waren, mit 18 Monaten Haft davon, von denen er nur 13 unter außerordentlichen Bedingungen absaß. Epstein musste nur für die Nacht ins Gefängnis zurückkehren und konnte sich sonst frei bewegen, auch mit seinem Privatflugzeug. Außerdem schützte die Vereinbarung „nicht benannte Mitverschwörer“ vor Strafverfolgung. Eine von ihnen, Ghislaine Maxwell, die Organisatorin der Geburtstagsbriefe, wurde später jedoch wegen Sexhandels mit Minderjährigen zu zwanzig Jahren Haft verurteilt.

Ausgerechnet Maxwell soll der Trump-Regierung nun offenbar zur Beruhigung der erzürnten Massen dienen. Der stellvertretende Justizminister Todd Blanche, ein früherer Anwalt Trumps, kündigte an, er wolle die einstige Epstein-Vertraute treffen. In einem Beitrag auf der Plattform X schrieb er, „Gerechtigkeit verlangt Mut“. Man wolle Maxwell fragen: „Was wusstest du?“ Blanche versicherte, das Justizministerium schrecke nicht vor unbequemen Wahrheiten zurück (auch Trump ist auf alten Fotos mit Maxwell zu sehen). Doch die wachsende Empörung konnte das nicht besänftigen.

Johnson konnte den Streit nicht unterdrücken

Wie ernst die Lage ist, zeigt die andauernde Kritik von einigen der treuesten Verbündeten Trumps. Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, die bislang noch immer zurück ins Glied gefallen war, fand abermals scharfe Worte. An Trump gerichtet äußerte sie, wenn er seinen Unterstützern von den „verräterischen Verbrechen des Tiefen Staates, von Wahleinmischung, Erpressung und den bösen Machenschaften der reichen und mächtigen Eliten“ erzähle, müsse er „jeden Feind des Volkes“ vernichten. Wenn das nicht geschehe, „wendet sich die Basis ab, und es gibt kein Zurück mehr“. Es reiche nicht, den Leuten Brocken hinzuwerfen.

Ein Versuch Mike Johnsons, des Sprechers des Repräsentantenhauses, den Streit in der eigenen Fraktion zu unterdrücken, scheiterte. Johnson soll in einem eigens einberufenen Treffen zu Geschlossenheit und Geduld aufgerufen haben. Doch am Ende schickte er die Kammer einen Tag früher in die Sommerpause, um eine Abstimmung über die Veröffentlichung der Akten zu verhindern, und kommentierte, man dürfe „diesen Unsinn“ nicht weiter fortsetzen. Es gebe keinen Grund, die Regierung zu etwas zu drängen, was sie ohnehin schon tue.

Donald Trump, Melania Knauss, Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell im Februar 2000 in Mar-a-Lago
Donald Trump, Melania Knauss, Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell im Februar 2000 in Mar-a-LagoGetty

Ein Bundesgericht in Florida durchkreuzte tags darauf jedoch den Versuch der Regierung, die Basis zumindest etwas zu besänftigen. Trump hatte Justizministerin Pam Bondi angewiesen, die Veröffentlichung der Zeugenaussagen vor der Grand Jury zu beantragen, die im Zusammenhang mit der Anklage Epsteins im Jahr 2019 standen. „Alle relevanten“ Informationen sollten zugänglich gemacht werden, schrieb der Präsident, „vorbehaltlich der Genehmigung durch das Gericht.“ Eine Bundesbezirksrichterin entschied jedoch, das sei nach den Regelungen Floridas für die Geheimhaltung für Bundesverfahren nicht möglich.

Eine willkommene Ausrede für die Regierung? Zumindest kann sie damit auf eine Entscheidung der Gerichte verweisen, die Trump in anderen Fällen gern übergeht oder infrage stellt. Die Freigabe der Aussagen vor der Grand Jury wäre jedoch ohnehin hinter den Forderungen der Anhänger zurückgeblieben. Solche Aussagen sind in der Regel eng auf die konkrete Anklage zugeschnitten und dürften nicht annähernd alle Informationen abbilden, die die Staatsanwaltschaft und das FBI damals zusammengetragen haben. Trump hatte für den Fall neuer Kritik schon vorgebaut. Für „Unruhestifter und linksradikale Verrückte“ werde es nie genug sein, sie wollten „immer mehr, mehr, mehr“.

Dem Präsidenten ist die Anspannung anzumerken. Er hat seine Basis und rechte Podcaster und Influencer in den vergangenen Monaten mehrfach verprellt, mit dem Militäreinsatz in Iran etwa und den weiteren Hilfen für die Ukraine, alles Dinge, die er im Wahlkampf noch abgelehnt hatte. Üblicherweise dreht sich das Rad der Neuigkeiten schnell genug weiter, als dass es zu ernsthaftem Unmut kommen könnte. Doch will das bei Ep­stein bislang nicht klappen, so sehr Trump es auch versucht. In der vergangenen Woche veröffentlichte der Präsident allein an einem Abend mehr als zwei Dutzend Beiträge auf seiner Plattform Truth Social, die anderweitig Aufmerksamkeit schaffen sollten.

Die Kritik an der Regierung verstummt nicht

Trump äußerte hanebüchene Verratsvorwürfe gegen den früheren Präsidenten Barack Obama, drohte dem Footballteam „Washington Commanders“ damit, den Neubau seines Footballstadions in der Hauptstadt zu blockieren, sollte es den 2020 wegen Rassismus abgelegten Namen „Washington Redskins“ nicht wieder tragen, und läutete einen neuen Angriff auf die „linksliberalen Fake News“ ein. Laut dem Weißen Haus alles Zeichen für Trumps „dauerhafte Transparenz“ gegenüber den Amerikanern.

Doch die Kritik am Vorgehen im Fall der Ep­stein-Ermittlungsakten verstummt nicht. Und Trump ist diesmal so weit gegangen, seine Anhänger anzugreifen: Wer ihn in dieser Sache anzweifele, dessen Unterstützung brauche er nicht, wetterte er auf Truth Social. Sie seien „Schwächlinge“. Das alles sei ein einziger Schwindel der Demokraten.

Die wiederum schmieden dieser Tage Pläne, wie aus der Causa Epstein vor den Zwischenwahlen im nächsten Jahr Kapital zu schlagen ist. Die Debatte über diesen Fall rührt an eines der Kernthemen Trumps und des rechten Flügels seiner Partei: Transparenz und die angeblich fehlende Rechenschaftspflicht für Eliten. Die Anhänger der Make-America-Great-Again-Bewegung sehen in den USA ein System, das von Reichen und Einflussreichen manipuliert wird.

Trump dagegen hat sich als Außenseiter einen Namen gemacht, der diese Eliten bekämpfen will. Umso weniger verstehen seine Anhänger, warum er sein Versprechen der Offenlegung nicht hält. Justizministerin Bondi hatte in einem Interview mit „Fox News“ noch im Februar gesagt, eine „Kundenliste“ Epsteins liege auf ihrem Schreibtisch und werde von ihr überprüft. Elon Musk behauptete im Streit mit Trump später, dessen Name stehe auf besagter Liste, löschte den Beitrag auf X aber wieder. Und nun sagt die Regierung, die Liste gebe es gar nicht.