Welche Lobbyarbeit der Wirtschaftsstandort wirklich braucht

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Der Transrapid war einmal ein deutscher Hoffnungsträger. Die Magnetschwebebahn versprach den Vorstoß in neue Dimensionen für Mittelstreckenreisen. Doch über eine kurze kommerzielle Verbindung vom Flughafen Shanghai mit der Messe kam der vermeintliche Exportschlager nicht hinaus. Gescheitert ist der Transrapid auch am fehlenden Vertrauen potentieller ausländischer Kunden. Warum investiert Deutschland nicht selbst in das Produkt, wenn es doch so viele Vorzüge hat? Die Antwort, man verfüge hierzulande schon über ein gut ausgebautes Rad-Schiene-Netz, sonst würde man es tun, verfing nicht.

Eine orchestrierte Lobbyorganisation? Natürlich!

Wer andere überzeugen will, muss selbst vorangehen, lautet die Erkenntnis, die auch der Initiative „Made for Germany“ zugrunde liegt. 61 Unternehmen und Investoren haben zu Beginn der Woche Bundeskanzler Merz medienwirksam ihre Aufwartung gemacht und Investitionen über 631 Milliarden Euro in Deutschland versprochen. Die Botschaft an das Ausland: Kommt in diesen unsicheren Zeiten nach Deutschland und investiert – wir tun es auch.

Nicht nur wegen des männlich dominierten Gruppenbildes hat die In­itiative reichlich Aufmerksamkeit erlangt. Kritik entzündete sich etwa am Vorwurf, die Aktion sei eine orchestrierte Lobby- und Werbeaktion. Natürlich war sie das. Ist es deshalb per se schlecht? Nicht unbedingt. Es kommt darauf an, wie man es angeht.

Manager haben kein demokratisches Mandat

Glaubt man Umfragen wie dem Edelman-Trust-Barometer, haben Men­schen rund um die Welt in den vergangenen Jahren viel Vertrauen in Politiker verloren. Sie erwarten von Wirtschaftskapitänen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Doch haben Manager kein demokratisches Mandat. Sie sind Interessenvertreter ihrer Unternehmen und deren Eigentümern verpflichtet. Die aktuelle Debatte um den Einfluss der Tech-Milliardäre auf die Regierungspolitik von Präsident Trump in den USA zeigt, was passiert, wenn sich die Sphären zu sehr vermischen.

Was sie natürlich tun können, ist, mit einem offenen Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Deutschland ein Signal an die Welt zu senden. Für einige Teilnehmer ist das ein heikles Unterfangen: Die Krise der Autobranche zwingt Volkswagen, Mercedes und Bosch zum Abbau von Überkapazitäten und Arbeitsplätzen. Auch Bayer befindet sich in schwerem Fahr­wasser. Manchem Mitarbeiter mag das Statement vor diesem Hintergrund ­zynisch vorkommen.

Im Fokus: FGS-Chef Alexander Geiser (rechts)
Im Fokus: FGS-Chef Alexander Geiser (rechts)Bloomberg

Zustande gekommen ist die Gruppe durch persönliches Werben der Initiatoren Christian Sewing (Deutsche Bank), Roland Busch (Siemens), Mathias Döpfner (Axel Springer) sowie dem der breiten Öffentlichkeit eher unbekannten Vorstandschef der einflussreichen Kommunikationsberatung FGS, Alexander Geiser. Entgegen der Gepflogenheiten der Branche rückt Geiser damit in den Fokus des Geschehens. Mit Döpfner teilt er den amerikanischen Investor KKR, der ebenfalls die Initiative unterstützt. Zudem sind nicht wenige Teilnehmer auch Kundenunternehmen von FGS. Auch wenn alle Initiatoren beteuern, das Engagement pro bono auszuüben – mancher Manager äußerte gegenüber der F.A.Z. diese Verknüpfungen als Grund, der Initiative nicht beigetreten zu sein. Gleichwohl wird die Stoßrichtung von „Made for Germany“ mehrheitlich gelobt.

Konkrete Summen müssen transparent gemacht werden

Das größte Manko ist jedoch die fehlende Transparenz über die ins Schaufenster gestellte Summe. Wer mit 631 Milliarden Euro an die Öffentlichkeit geht und davon mehr als 100 Milliarden als neu deklariert, aber nur ein paar „Leuchtturmprojekte“ ohne belastbare Zahlen präsentiert, muss mit dem Vorwurf der Effekthascherei so lange leben, bis Fakten auf dem Tisch liegen.

Zu werten ist der Lobbyvorstoß aus der Wirtschaft als versuchte Rückendeckung für Bundeskanzler Merz und sein Kabinett vor den großen Reformpaketen, die nach der Sommerpause auf Feldern wie Steuern, Energie, Bürokratie, Arbeit und Soziales auf den Weg gebracht werden sollen. Vor dem Regierungsantritt waren viele Stimmen zu vernehmen, dass in den ersten hundert Tagen deutliche Signale für einen Stimmungsumschwung nötig seien. Mit deutscher Miesepetrigkeit und Dystopien lässt sich die Wirtschaftswende sicher nicht einleiten.

Doch aufaddierte Ersatzinvestitionen und Gruppenfotos aus dem Kanzleramt machen auch noch keinen Aufschwung. Entscheidend wird sein, ob die Wirtschaft aus dem über viele Jahre zu eng geschnürten Korsett befreit wird, auch um Populisten von links und rechts das Wasser abzugraben. Wenn das gelingt, kann Deutschland für Investoren aus dem In- und Ausland wieder zu einer der ersten Adressen werden. Echte Reformen sind die beste Lobbyarbeit.