Zoll-Deal der EU mit Trump: Das Jammern der Zwerge

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Der frühere belgische Premierminister Mark Eyskens hat Europa vor langer Zeit als wirtschaftlichen Riesen, politischen Zwerg und militärischen Wurm bezeichnet. Heute wirkt der wirtschaftliche Riese im Vergleich zu den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China ermüdet, erstarrt und technologisch zurückgeblieben.

Der politische Zwergstatus Europas bestätigte sich im jüngsten Konflikt zwischen Israel und Iran, als allein das Wort des amerikanischen Präsidenten zählte. Russland und die Volksrepublik China betrachten Europa – sei es die Europäische Union, seien es die europäischen NATO-Mitglieder – nur als Anhängsel der Vereinigten Staaten.

In militärischer Hinsicht entspricht dies der Selbstwahrnehmung der Europäer, wie die peinlichen Erniedrigungsgesten nicht nur des NATO-Generalsekretärs auf dem jüngsten NATO-Gipfel gegenüber Donald Trump belegten. Denn ohne die Vereinigten Staaten kann sich Europa noch auf viele Jahre hin nicht allein verteidigen. Alte Sünden werfen lange Schatten: Die Europäer reden viel von Souveränität, haben aber jahrzehntelang nichts dafür getan. Wer heute meint, Europa solle sich angesichts geopolitischer Verwerfungen flugs in eine Großmacht verwandeln, lebt in einer Traumwelt.

Europa kann sich keinen harten Konflikt leisten

In diesem selbst verschuldeten Kontext muss die Einigung zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten in den Handelsgesprächen beurteilt werden. Sie gleicht einer Schadensbegrenzung, aber auch den Europäern ist es nicht gelungen, den wie eine Dampfwalze auftretenden amerikanischen Präsidenten in seinem Bestreben aufzuhalten, die liberale Welthandelsordnung zu zerstören. Die Vereinigten Staaten sind die führende Wirtschaftsmacht, aber nicht allmächtig und angesichts einer nachlassenden Industrie und einer ausufernden Staatsverschuldung angreifbar. Trump gelingt es dennoch, seine Verhandlungspartner wie Schwächlinge aussehen zu lassen.

Nach der Einigung stellen manche Kommentatoren die Frage, ob ein aggressiveres Vorgehen Brüssels bessere Ergebnisse gebracht hätte. Diese Vorstellung erscheint in zweierlei Hinsicht illusionär.

Ein militärisch vulnerables Europa, das weiterhin die NATO braucht, kann sich anders als Peking aus sicherheitspolitischen Gründen keinen harten Handelskonflikt mit Washington leisten. Zudem wäre dieses Europa im Konfliktfall angesichts der divergierenden Ansichten seiner Mitgliedstaaten innerhalb kurzer Zeit auseinandergefallen. Trump hätte jede Zerstrittenheit der Europäer zu nutzen gewusst.

Wenn nationale Egoismen bremsen

Anstatt zu jammern, müsste Europa endlich an seinen Schwächen arbeiten, doch dazu fehlt die Bereitschaft. Die Vollendung des Binnenmarkts schüfe nach Schätzungen weit mehr Wohlstand, als das Handelsabkommen mit den Amerikanern kostet, aber sie scheitert an nationalen Egoismen. Anstatt die Chancen der Moderne zu nutzen, reguliert die Europäische Union ängstlich technischen Fortschritt. Die Europäer müssten zudem akzeptieren, dass Wohlstand außer von technischem Fortschritt vor allem von Arbeit abhängt, nicht aber vom weiteren Aufbau einer heute schon drückenden Staatsverschuldung.

Nach der ökonomischen Theorie erzeugt jede Einschränkung freien Handels Wohlstandsverluste, die meist alle Handelspartner tragen. Das gilt auch für die Vereinbarung zwischen Brüssel und Washington. Die Europäische Union besitzt jedoch zusätzliche Optionen. Sie sollte den globalen Verdruss über den amerikanischen Protektionismus nutzen, um mit anderen Staaten und Regionen zügig weitere Freihandelsabkommen zu schließen.

Aber auch hier bremsen nationale Egoismen. Die Ratifizierung des Mercorsur-Abkommens mit lateinamerikanischen Ländern scheitert bisher am Widerstand nationaler Regierungen, die vor ihren Landwirten Angst haben. Auch hier präsentiert sich die Europäische Union als schwach.

Trump mag in Verhandlungen alles niederwalzen, was sich ihm in den Weg stellt. Sein Protektionismus schadet, trotz der vereinbarten Verkäufe von Waffen und Energie an die Europäer, auch den Vereinigten Staaten. Zollmauern verteuern nicht nur von den Amerikanern konsumierten Importgüter, sie schützen auch amerikanische Unternehmen vor einem schöpferischen Wettbewerb, der sie zu Höchstleistungen zwingt. Zusammen mit seiner Migrationspolitik, die der amerikanischen Wirtschaft dringend benötigte Arbeitskräfte vorenthält, und einer rasch wachsenden Staatsverschuldung schafft Trump ein Umfeld, in dem die amerikanische Wirtschaft unter ihren Möglichkeiten bleiben wird.

Zusätzliche Staatseinnahmen aus Zöllen bilden keine ausreichende Kompensation. Die Lehrbuchweisheit vom wirtschaftlichen Nutzen des Freihandels kann auch der Mann im Weißen Haus nicht außer Kraft setzen.