Hungersnot in Gaza: UN verlangen ungehinderten Zugang

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Die Lockerung der israelischen Blockade des Gazastreifens ist nach Einschätzung der Vereinten Nationen unzureichend. UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher bezeichnete am Montag die Ankündigung taktischer Kampfpausen und der Einrichtung sicherer Korridore für Hilfslieferungen zwar als „willkommenen Schritt in die richtige Richtung“. Er bekräftigte gegenüber dem arabischen Sender Al Jazeera allerdings zugleich, die Hilfslieferungen, die bislang den Gazastreifen erreicht haben, seien nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Fletcher verlangte ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe. „Wir können nicht einfach nur auftauchen und durchfahren. Das sollte uns erlaubt sein, das verlangt das internationale Recht“, sagte er. Dabei verwies Fletcher auf anhaltende Sicherheitsrisiken, geschlossene Grenzübergänge oder Verzögerungen bei der Einfuhr von Waren. „Im Gazastreifen herrscht eine massive Hungersnot“, warnte er abermals. Dem Sender BBC sagte Fletcher, in den nächsten Tagen gehe es „um alles oder nichts“.

Das in Teilen von der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium in Gaza meldete am Montag, es seien trotz der israelischen Schritte 14 weitere Menschen in dem Küstenstreifen verhungert. Damit stiege die Zahl der Hungertoten seit Kriegsbeginn auf 147 Menschen, unter ihnen 88 Kinder. Laut der Einschätzung von Helfern und Ärzten sind viele Menschen, gerade Kinder, derart geschwächt, dass sie durch bloße Lebensmittellieferungen nicht mehr vor dem Hungertod gerettet werden können. Hilfsorganisationen zufolge erreicht nur ein Bruchteil der erforderlichen Hilfe die Bevölkerung.

Scharfe Kritik von israelischen Menschenrechtlern

Berichte von örtlichen Reportern und Quellen aus dem Gazastreifen bestätigen die Skepsis, die gegenüber den von Israel angekündigten Kampfpausen herrscht. Diese sollten nach Angaben des israelischen Militärs vor allem in Gegenden gelten, die ohnehin bereits als Regionen ausgewiesen sind, in denen keine Militäroperationen geführt werden sollen. Laut Berichten vom Montagmittag, die sich auf Angaben aus Krankenhäusern im Gazastreifen beriefen, wurden mindestens 43 Personen getötet. Darunter seien neun Personen gewesen, die sich um Hilfsgüter bemühten. Die israelische Lockerung der Blockade erfolgte nach Tagen zunehmenden Drucks aus dem Ausland.

Am Montag kamen von zwei israelischen Menschenrechtsorganisationen, B’Tselem und Physicians for Human Rights (PHRI), ungekannt scharfe Töne – sie warfen der Regierung in einer Stellungnahme sogar einen „Völkermord“ in Gaza vor. In einem am Montag veröffentlichten B’Tselem-Bericht heißt es: Eine Untersuchung der israelischen Politik im Gazastreifen sowie Aussagen israelischer Politiker und Militärkommandeure führten zu der „eindeutigen Schlussfolgerung, dass Israel koordinierte Maßnahmen ergreift, um die palästinensische Gesellschaft im Gazastreifen absichtlich zu zerstören“. Ein Bericht der PHRI kommt mit Blick auf das Gesundheitssystem zu einem ähnlichen Schluss.

Unterdessen ruft nicht nur die Kriegsführung im Gazastreifen Kritik hervor, sondern auch die Lage im Westjordanland, wo radikale jüdische Siedler die palästinensische Bevölkerung terrorisieren. In der Nacht zum Sonntag wurde das überwiegend von Christen bewohnte Dorf Taybeh im Norden des Westjordanlandes attackiert. Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, erklärte auf der Plattform X: „Ob sie nun ein christliches Dorf oder muslimische palästinensische Hirtengemeinschaften angreifen – diese extremistischen Siedler mögen behaupten, Gott habe ihnen das Land gegeben. Aber sie sind nichts anderes als Kriminelle und verabscheuungswürdig für jeden Glauben.“