Was Einzelheiten zu dem schweren Zugunglück in Baden-Württemberg anbelangt, gibt man sich in Berlin verschlossen. Zwar wurde die Homepage des Bahnkonzerns anlässlich des Unfalls mit drei Toten und vielen Verletzten in ein dunkel-düsteres Schwarz-Weiß gekleidet. Doch viel mehr, als dass das Unternehmen über die Zugentgleisung bei Riedlingen „tief bestürzt“ sei, die Behörden derzeit die Hintergründe ermittelten und dabei von der Bahn „voll unterstützt“ würden, ist nicht zu erfahren: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu weiteren Details nicht äußern.“
Geäußert hat sich die Deutsche Bahn indes immer wieder darüber, dass der Klimawandel und seine Folgen für sie eine wichtige Rolle spielen. Spätestens seit der Ahrtal-Katastrophe 2021 steht das Thema weit oben auf der DB-Agenda. „Als Betreiber kritischer Infrastruktur und als Flächenorganisation sind wir von den möglichen Auswirkungen des Klimawandels stark betroffen“, heißt es im Integrierten Bericht des Konzerns 2024. Deshalb verstärke man die Anstrengungen in Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium. Das Ziel: die Bahntechnik auf die durch den Klimawandel zunehmenden Witterungsextreme vorzubereiten.
Mehr Hitzetage, zunehmende Wetterextreme wie Starkregen und Stürme
Welche Folgen der Klimawandel voraussichtlich haben wird, hat das renommierte Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) für die DB vor vier Jahren in einer Studie aufgeschrieben. Darin geht es um die klimatischen Veränderungen in Deutschland bis 2060 und deren erwartete Auswirkungen auf das Netz. Das Ergebnis klingt dramatisch: deutlich mehr Hitzetage, weniger harte Winter, zunehmende Wetterextreme wie Starkregen und heftigere Stürme. Die Studie brach ihre Prognosen zu den klimatischen Auswirkungen sogar bis auf 34 kleinflächige Verkehrsregionen herunter.
Nun heißt die Devise: Klimaresilienzmanagement, sprich Anpassung an den Klimawandel. Dafür braucht es zunächst einmal Daten. Vor zwei Jahren hat das Unternehmen für seine Bahnhöfe und Haltepunkte eine sogenannte Expositionsanalyse mit zwölf Klimaindikatoren erstellt. Darin wird untersucht, wie stark eine bestimmte Region Klimagefahren wie Temperaturanstieg und Extremwetterereignissen ausgesetzt sein könnte. Im vergangenen Jahr wurde diese Datensammlung erheblich ausgeweitet. Sie umfasst nun mehr als 80 Parameter mit einer räumlichen Auflösung von fünf auf fünf Kilometer für den historischen Referenzzeitraum 1971 bis 2000, die nahe Zukunft 2031 bis 2060 und die ferne Zukunft 2071 bis 2100. „Dies erlaubt uns detaillierte Einblicke in regionale Klimawandelauswirkungen“, ist die Bahn überzeugt. Die Analyse klingt professionell – sind es die abgeleiteten Maßnahmen auch? Zumindest beschäftigt sich in der Infrastrukturgesellschaft DB InfraGO eine eigene Abteilung mit den Klimafolgen. Das „Naturgefahrenmanagement“ hat Sturmrisiken im Blick, die Hitzeprävention, das Wintermanagement sowie den Schutz vor Starkregen und Hochwasser.
In einem Beitrag für die Zeitschrift „Deine Bahn“ listete DB-Naturgefahren-Managerin Karoline Meßenzehl beispielhaft für 2018 auf, wie facettenreich damals Wetter und Klima die Infrastruktur beeinträchtigten. Zum Jahresbeginn schlug das Sturmtief „Friederike“ zu, einer der schwersten Orkane der vergangenen Jahre. Den März prägte ein kurzer, aber intensiver Wintereinbruch mit Schneeverwehungen. Das Frühjahr von April bis Juni dominierten intensive Gewitter und Starkregen, während der heiße Sommer im Juli und August Gleisanlagen sowie Leit- und Sicherungstechnik in Mitleidenschaft zog.
Es sind viele unterschiedliche Projekte, mit denen der Schienenkonzern die Auswirkungen von Witterungskapriolen in den Griff bekommen will. Um Sturmschäden vorzubeugen, arbeitet DB InfraGO mit einem Konsortium des Forschungsvorhabens „RailVitaliTree“ zusammen, koordiniert vom Deutschen Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF). Ziel ist die Entwicklung eines sogenannten Vitalitätsmonitors, der die Gesundheit von Bäumen im Gleisumfeld misst. Dafür werden Satellitendaten herangezogen, ebenso wie Studien zum Wachstum von Bäumen auf Basis von Jahresringanalysen, mikroklimatische Messungen und Drohnenflügen.
„Umstürzende Bäume“ als Großthema
Das Thema „umstürzende Bäume“ ist für die Deutsche Bahn von hoher Relevanz. Denn mehr als zwei Drittel des gut 33.000 Kilometer langen Streckennetzes der DB wird von Bäumen gesäumt, davon wiederum befindet sich rund die Hälfte auf DB-Grund. Unter der Überschrift „Vegetationsmanagement“ hat die Bahn daher Hundertschaften von Mitarbeitern im Einsatz. Sie inspizieren mindestens einmal jährlich die Flora, schneiden den Bewuchs jeweils sechs Meter rechts und links des Schienenstrangs zurück und identifizieren bruchgefährdete Bäume. Satelliten und Künstliche Intelligenz wie die Softwarelösung „BiGEye“ (BiG; Bewuchs im Gleis) sollen zudem helfen, das riesige Verkehrsterritorium noch effizienter im Blick zu behalten.
Ob das in Zukunft hilft, Unglücke wie das in Riedlingen oder im Ahrtal zu verhindern, bleibt mehr als ungewiss. Halbwegs gewiss ist jedoch, dass die Bahn das sicherste Verkehrsmittel ist: Dem Verband „Allianz pro Schiene“ zufolge starben im Zehnjahreszeitraum 2011 bis 2020 in Deutschland im Auto rund 57-mal so viele Reisende je Personenkilometer wie auf Gleisen mit den Bahnen.