So schnell kann man die eigenen Leute demontieren. Auf die Forderung ihrer Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche, mehr zu arbeiten auch durch eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit, schweigen die CDU-Spitzen bisher. Ein Regierungssprecher verweist auf den schwarz-roten Koalitionsvertrag, der gelte. Was aber, wenn die Wirklichkeit nicht zum Papier passen will? Auch das hatte Reiche in der F.A.Z. zu Recht kritisiert: „Was im Koalitionsvertrag an Reformen steht, wird auf Dauer nicht reichen. Die sozialen Sicherungssysteme sind überlastet.“ So ist es. Der Befund ist durch Fakten hinreichend belegt.
Will sich die Merz-CDU im Ernst vier Jahre lang auf einen Vertrag berufen, der die Aufgabe, die deutschen Alterssicherungssysteme finanziell zu stabilisieren, nicht löst, sondern noch erschwert? „Rentengarantie“ und Mütterrente steigern den Finanzbedarf für die Renten der Boomer bis 2040 um weitere 200 Milliarden Euro gegenüber geltendem Recht. Aufbringen soll die jüngere Generation außerdem Steuersubventionen, um Beschäftigte anzureizen, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten.
Diesen Notstopfen, genannt „Aktivrente“, hat die CDU ersonnen, um in der Rentenpolitik nicht blank dazustehen. Auf den Gedanken, Rentner fürs Weiterarbeiten zu prämieren, während die übrigen Arbeitnehmer zu höheren Abgaben schuften, muss man erst mal kommen. Richtig ist es, Gesetzeshürden abzubauen, die Arbeit im Rentenalter zum bürokratischen Hindernislauf machen oder finanziell bestrafen. Insofern ist die Abschaffung des Vorbeschäftigungsverbots ein Lichtblick. Hier gibt es mehr Handlungsbedarf, am dringlichsten die Abschaffung aller Regeln, die vorgezogenen Ruhestand attraktiv machen.
Doch da ist die Union vor der SPD eingeknickt. Die Debatte über eine weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus wagten Merz und seine Frontmannen gar nicht erst zu führen. Jetzt lassen sie ihre Ministerin im links-grünen Kritikhagel stehen. Bislang findet ihr Vorstoß nur bei jüngeren CDU-Abgeordneten Lob. Verantwortung für Deutschland, ist der Koalitionsvertrag überschrieben. Verantwortlich wäre es, den Kurs in der Rentenpolitik so zu korrigieren, wie es Reiche empfiehlt.