Ergebnis einer Langzeitstudie: Bildung beginnt im Kleinkindalter

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Stand: 29.07.2025 05:56 Uhr

Die Weichen für spätere Bildungschancen werden laut einer neuen Studie bereits im Kleinkindalter gestellt. Der Umgang der Eltern entscheidet über wichtige Fähigkeiten der Kleinen.

Von Susi Weichselbaumer und Sylvaine von Liebe, BR

Bildung beginnt nicht erst in der Schule, sondern bereits im Kleinkindalter, also in der Kita und in der Familie. Das zeigt eine grade veröffentlichte Langzeiterhebung des sogenannten Nationalen Bildungspanels (NEPS, englisch National Educational Panel Study) an dem zahlreiche Forschungsinstitute und führende Universitäten in Deutschland beteiligt sind. Das zentrale Ergebnis: Das Fundament für sprachliche und soziale Kompetenz wird in der frühkindlichen Phase gelegt.

Kinder aus besser gestellten Haushalten haben größeren Wortschatz

Für ihre Studie hatten Forschende 3.500 Kinder im Alter zwischen sieben Monaten und zwei Jahren ab dem Jahr 2012 begleitet. Die Kinder wurden jeweils im Alter von 7 Monaten, 17 Monaten und zwei Jahren von den Forschenden besucht und während der Interaktion mit ihren Müttern beobachtet. Ihre Erhebungen veröffentlichen sie in der Regel im Abstand von fünf Jahren.

Es zeigte sich: Zweijährige aus Familien mit geringem Einkommen und einem niedrigen Bildungsniveau verfügten aus einer Liste von 260 Wörtern über einen Wortschatz von 97 Wörtern. Gleichaltrige aus besser gestellten Haushalten nutzten hingegen 158 Wörter, also rund 60 Wörter mehr.

Nicht nur die sprachliche Entwicklung der Kinder konnten die Eltern durch entsprechende Interaktion – wie etwa das gemeinsame Ansehen von Bilderbüchern und daraus vorlesen – beeinflussen. Auch bei der sozialen Entwicklung der Kleinkinder zeigten sich Unterschiede – je nachdem, in welchem Umfeld das Kind aufwuchs.

So konnten Eltern mit weniger Belastungen, weniger Stress, emotionale Schwankungen ihrer Kinder besser abfangen als solche, die mit mehreren Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. “Was wir in der einen Analyse sehen, ist, dass Familien ab einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich das schwerer abfangen können, insbesondere, wenn sie dann noch ein Kind haben, das vom Temperament her ein bisschen schwieriger ist, das sehr schnell negative Emotionen zeigt und die Familien an die Belastungsgrenze bringt“, bestätigt Manja Attig, Mitautorin der Studie im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk.

Wenn mehrere Belastungsfaktoren wie finanzielle Schwierigkeiten oder ein niedriges Bildungsniveau zusammenkämen, könnten das die Eltern kaum noch kompensieren, ist die Beobachtung der Wissenschaftlerin vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (LIfBi) in Bamberg.

Bildung vermutlich noch stärker abhängig von Elternhaus

Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass der Zusammenhang von Bildung mit dem sozio-ökonomischen Hintergrund der Eltern möglicherweise in ihrer Datenerhebung “sogar noch unterschätzt” werde, da sich die Langzeitstudie nicht auf eine Risikogruppe fokussiert habe. Darauf verweist auch Andy Schieler, Institutsreferent des Instituts für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit Rheinland-Pfalz (IBEB) der Hochschule Koblenz.

Forschende plädieren für mehr frühkindliche Förderung

Um künftig Kindern aus bildungsfernen und finanziell schwachen Haushalten bessere Zukunftschancen zu ermöglichen, plädiert Manja Attig, die beim LIfBi den Arbeitsbereich frühkindliche und schulische Bildung leitet, “die Kinder, die Familien eher zu fördern”. Schließlich hätten auch andere Studien gezeigt, dass Kinder “die Unterschiede, die sie im frühen Alter und im Kindergartenalter erwerben, auch mit in die Schule nehmen”. Und die Schulen könnten diese Defizite später kaum kompensieren, betont sie.

Derzeit untersuchen Forschende etwa mit dem Projekt BRISE – einer Bremer Initiative zur Stärkung frühkindlicher Entwicklung – welche Maßnahmen sich eignen, um benachteiligte Familien mit ihren Kleinkindern bestmöglich zu unterstützen. Dass weitere Studien dafür notwendig sind, sieht auch Bildungsforscher Schieler vom IBEB.

Der Bildungsforscher warnt aber gleichzeitig davor, die jetzt veröffentlichten Ergebnisse zu “pauschalisieren”. “Auch da weisen die AutorInnen darauf hin, dass es durchaus so ist, dass es auch viele Eltern gibt, die zwar vergleichsweise wenig sozioökonomische Ressourcen haben, aber denen es trotzdem gelingt, sensitiv und anregend, mit den Kindern zu interagieren”, sagt Schieler.