Großflächige Fenster, viel Glas auch innen, helle Treppenräume, offene Arbeitsflächen. Im Entree eine Kaffeebar, die auch Passanten von außen offensteht, Menschen aus dem angrenzenden Wohnviertel etwa. Die neue Zentrale des Philips-Konzerns am Rande des Geschäftsviertels Zuidas in Amsterdam soll Transparenz demonstrieren. Und: Sie fällt viel kleiner, viel bescheidener aus als der mächtige Turm, in dem der Technikkonzern bisher saß – auch dies eine Botschaft. Denn das einstige Konglomerat mit Geräten von Staubsaugern über Fernseher bis Lampensysteme hat sich immer weiter aufgeteilt, übrig ist im Wesentlichen noch Medizintechnik.
Offiziell eröffnet Philips die neue Zentrale im Oktober, wird dann auch erst über Details des Interieurs informieren – etwa darüber, was es mit dem etagenübergreifenden Kunstwerk auf sich hat, einem Gehänge Dutzender Glasröhrchen, mit Lämpchen versehen. Schon kurz nach der Hauptversammlung im Mai aber wechselten die ersten Mitarbeiter aus dem bisherigen Sitz: dem Breitner-Turm an der Amstel, der mehr als zwanzig Stockwerke und knapp hundert Meter hoch in den Himmel der Metropole ragt. Inzwischen sind alle Beschäftigten im neuen Bau angekommen, der sechs Geschosse zählt.
Erster Umzug von Eindhoven nach Amsterdam
Die Stadt und ihre Bürger profitieren immerhin in ästhetischer Hinsicht. Die Zentrale ersetzt – nach Entkernung und Umbau – einen brutalistischen Vorgängerbau aus den Siebzigerjahren, der diesen Flecken im Süden Amsterdams einst verschandelte. Die dicken Fassadenblöcke aus Beton sind großen Glasflächen gewichen – in diesem Fall hat sich einmal das Versprechen erfüllt, das Architekten und Bauträger in der Visualisierung im Prospekt abgaben.
Öffentlich kaum beachtet ist dieser innerstädtische Umzug vonstatten gegangen – ganz anders als jene Umsiedlung, die Ende der neunziger Jahre Aufsehen erregte. Philips, in Eindhoven als Glühlampenfabrik entstanden und mit der Stadt aufs Engste verbunden, verlagerte seine Zentrale damals in die größte Metropole des Landes. Der Phantomschmerz ist im Süden des Landes weiterhin zu spüren. „Die Leute bekommen immer noch Tränen in die Augen, wenn sie meinen Namen hören“, sagte zwanzig Jahre nach dem Umzug Cor Boonstra, der den Beschluss als Vorstandsvorsitzender verantwortet hatte.
Mobiltelefone und Medizintechnik
Mit Boonstra begann auch der Ausverkauf des Unternehmens, damals noch eines von drei großen westlichen Technikkonglomeraten neben Siemens und General Electric. Mobiltelefone, Fernseher und Audiogeräte, Bügeleisen und Kaffeemaschinen – alles ist aus dem Konzern verschwunden. Wenn die Produkte noch den Namen tragen, dann als Folge von Lizenzvereinbarungen, die den guten Klang der Marke weiter nutzen. 2016 kappte Philips sogar seine Wurzeln, lagerte das Geschäft mit Beleuchtungstechnik an die Börse aus, es firmiert inzwischen als Signify.
Von Endverbraucherprodukten ist nur noch das Geschäft mit Rasierern und elektrischen Zahnbürsten übrig. Im Mittelpunkt steht die Medizintechnik – zu besichtigen auch in der neuen Zentrale fern der Produktion: Im Erdgeschoss ist ein Demonstrationszentrum für Kunden eingerichtet, ähnlich jenem am Standort Best nahe Eindhoven. Dort präsentiert Philips seine modernste Technik zu Diagnose und Therapie: zum Beispiel ein MRT-Gerät, Stückpreis je nach Stärke des Magnetfelds von einer Million Euro aufwärts. Einige Meter weiter das „Azurion“: ein Komplex von Geräten, der unter anderem Schlaganfallpatienten schnell und effizient behandeln soll. Philips gab am Dienstag zur Halbjahresbilanz einen viele Jahre laufenden Großauftrag des indonesischen Gesundheitsministeriums für Azurion-Geräte bekannt. Man habe ihn „nach einem international, intensiven Bieterprozess“ erhalten.
Nach Zollsenkung: Philips erhöht Prognose
Die Medizintechnikbranche ist von der US-Zollpolitik unter Präsident Donald Trump getroffen. Nicht nur, weil amerikanische Kunden auf Geräte von außerhalb einen Aufschlag zahlen – sondern auch, weil Bauteile im Herstellungsprozess teurer werden, wie Philips-Vorstandsvorsitzender Roy Jakobs erläuterte. Die neueste Wendung im Zollstreit veranlasste das Unternehmen aber, die Margenprognose zu erhöhen. Nach Trumps Rosengarten-Auftritt hatte Philips im Frühjahr geschätzt, die Zollpläne belasteten den operativen Gewinn in diesem Jahr mit 250 bis 300 Millionen Euro; konkret geht es dabei um das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte (Ebita). Jetzt, da ein Zollsatz von 15 Prozent ausgehandelt ist, rechnet der Konzern mit 150 bis 200 Millionen Euro.
Die Ebita-Marge soll nun im Gesamtjahr zwischen 11,3 und 11,8 Prozent liegen und damit 0,5 Prozentpunkte höher an beiden Enden der Spanne. Jakobs sprach von hoher Nachfrage aus den USA. Der Auftragseingang insgesamt stieg um sechs Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Der Umsatz im zweiten Quartal legte auf vergleichbarer Basis um ein Prozent auf 4,3 Milliarden Euro zu; im Gesamtjahr sollen es ein bis drei Prozent mehr sein, daran hat sich nichts geändert. Die Aktie verteuerte sich am Dienstag um ein Zehntel auf mehr als 24,20 Euro.
Philips’ deutscher Wettbewerber Siemens Healthineers informiert am Mittwoch über den aktuellen Geschäftsverlauf. Früher konkurrierten Philips, Siemens und General Electric als Technikkonglomerate miteinander. Nach der schrittweisen Aufteilung der Konzerne ist es nun ein Wettbewerb der früheren Medizintechniksparten.