Gaza-Luftbrücke: „Nur ein kleiner Tropfen auf die lodernde Vollkatastrophe“

9

Keine 24 Stunden nach der Ankündigung, dass sich Deutschland an einer Luftbrücke zur Abmilderung der humanitären Notlage im Gazastreifen beteiligt, sind zwei deutsche Transportflugzeuge in die Region gestartet. Das teilte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem jordanischen König Abdullah II. in Berlin mit. Die beiden Flugzeuge vom Typ A400M würden in Jordanien ausgerüstet und aufgetankt, „damit sie die entsprechenden Missionen ab dem Wochenende spätestens, möglicherweise sogar schon ab morgen fliegen können“, sagte Merz. Allerdings wurde die deutsche Beteiligung an der Luftbrücke aus der Opposition heraus auch als unzureichend kritisiert – und von der Bundesregierung ein härterer Kurs gegenüber Israel gefordert.

Am Montagabend erst hatte Merz die deutsche Beteiligung nach einer Sitzung seines Sicherheitskabinetts angekündigt. Die Bundesregierung sei sich darüber im Klaren, „dass das für die Menschen in Gaza nur eine ganz kleine Hilfe sein kann“, gestand Merz ein. Gleichwohl sei die Luftbrücke „ein Beitrag, den wir gerne leisten wollen“. Merz forderte abermals, Israel müsse die „katastrophale humanitäre Situation in Gaza sofort, umfassend und nachhaltig verbessern“.

Dass Israel am Wochenende entschieden hatte, wieder Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen, nannte er einen wichtigen ersten Schritt – „ihm müssen rasch weitere folgen“. Merz forderte einen „umfassenden“ Waffenstillstand in Gaza und kündigte an, dass Außenminister Johann Wadephul (CDU) am Donnerstag in die Region reisen werde und die „intensive Diplomatie“ fortsetze.

A400M-Transporter wurden nach Jordanien verlegt

Die A400M-Transporter wurden vom Standort Wunstorf nach Jordanien verlegt. Die Luftwaffe hatte sich bereits im vorigen Jahr an einer solchen Hilfsaktion beteiligt, damals mit Transportflugzeugen vom Typ C-130J, die mit einer Sondergenehmigung des damaligen Luftwaffeninspekteurs Güter absetzen konnten. Die Lieferungen waren seinerzeit unter deutscher Führung durch deutsches und französisches Personal der binationalen Lufttransportstaffel „Rhein/Rhin“ in Évreux durchgeführt worden, die auf einen Luftwaffenstützpunkt in Jordanien verlegt wurden.

Von dort waren dann die einzelnen Versorgungsflüge mit Nahrungsmitteln und Medikamenten gestartet. Die Güter wurden im Norden des Gazastreifens aus einer Flughöhe von etwa 900 Metern abgesetzt. Pro Flug könnten, so die Luftwaffe, theoretisch bis zu 18 Tonnen Güter abgesetzt werden. Häufig würden allerdings weniger Paletten abgesetzt, weil die Abwurf- und Landezone begrenzt sei. Das entspricht etwa der Hälfte dessen, was ein einzelner Lastwagen an Zuladung transportieren kann.

Die dieses Mal eingesetzten A400M-Flugzeuge sind deutlich größer und können mehr als 30 Tonnen Zuladung transportieren. Bei der Aktion im vorigen Jahr waren mit der Luftwaffe insgesamt 315 Tonnen Hilfsgüter nach Gaza gelangt. Das ZDF berichtete, dass während der alliierten Luftbrücke 1948/49 bis zu 5000 Tonnen für etwa zwei Millionen West-Berliner eingeflogen worden seien – pro Tag.

Grüne: „Ineffizient, riskant, schwer zu kontrollieren“

Die Menschenrechtsorganisation Medico International kritisierte das Verfahren. Laut Deutschlandfunk sagte ein Sprecher, Lieferungen aus der Luft seien ungenau und teuer. Zudem bekomme man so nicht die Menge an Hilfsgütern nach Gaza, die eigentlich benötigt würde. Der Sprecher sagte zudem, dass in der Vergangenheit zahlreiche Menschen durch Abwürfe aus der Luft ums Leben gekommen seien. Das kann nicht verlässlich überprüft werden.

Aber auch aus der Opposition wurde die Ankündigung kritisiert. „Alles, was das kaum mit Worten zu beschreibende Leid der hungernden Menschen in Gaza lindert, ist erst einmal richtig“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Agnieszka Brugger. „Hilfe aus der Luft ist jedoch nur ein kleiner Tropfen auf die lodernde humanitäre Vollkatastrophe und reicht in keiner Weise aus“, fügte sie an. „Sie ist ineffizient, riskant, schwer zu kontrollieren und kein Ersatz für echten Druck auf die israelische Regierung.“

Brugger forderte von Merz auch konkrete Konsequenzen im Umgang mit Israel. Es sei ein Fehler, dass man im Sicherheitskabinett keine Sanktionen gegen „die rechtsextremen israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir beschlossen“ habe. Sie forderte einen Exportstopp für Waffen, die in Gaza eingesetzt werden können.

Merz hatte nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts gesagt: „Über das Thema Waffenlieferungen konnten wir gar nicht sprechen, weil der Bundessicherheitsrat dafür verantwortlich und zuständig ist und nicht das Sicherheitskabinett.“ Man habe auch keine Beschlüsse über weitere Maßnahmen gefasst, „sondern wir haben überlegt, welche Möglichkeiten es gegebenenfalls gibt“. Man habe sich nicht entschieden, solche vorzuschlagen. Merz verwies auf die EU-Kommission. Und die anstehende Reise von Wadephul. „Wir behalten uns aber solche Schritte vor“, sagte er.