Das Unternehmen ist zentral für die deutsche Verteidigungsstrategie und steckt doch tief in den roten Zahlen: DB Cargo, die Güterverkehrssparte der Deutschen Bahn, transportiert täglich schweres Gerät, oft bis tief ins Kriegsgebiet hinein: Ausrüstungsgegenstände, Panzer, schwere Waffensysteme, alles, was sich nicht auf Lkw verladen lässt, wird Tausende Kilometer quer durch Deutschland und Polen transportiert, um die Verpflichtungen Deutschlands gegenüber der Ukraine zu erfüllen.
Die zentrale Stellung innerhalb der deutschen Sicherheitspolitik steht allerdings im diametralen Gegensatz zum profanen Überlebenskampf, den das Unternehmen seit geraumer Zeit führt – und der sich in ganz anderen Kategorien abspielt. Geht es um die verordnete Profitabilität des Konzerns, kommen schnell so sperrige Begriffe wie der „Einzelwagenverkehr“ zur Sprache, also jener Service eines maßgeschneiderten Transports, der wiederum für viele zivile Unternehmen wie Stahlhersteller und die Automobilbranche wichtig ist.
Im Militärbereich ist DB Cargo kaum zu ersetzen
DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta bringt den Spagat im Gespräch mit dem F.A.Z. Podcast für Deutschland auf folgende Formel: „Die Militärtransporte spielen für Deutschland eine zentrale Rolle – für das Unternehmen DB Cargo allerdings nur eine ganz untergeordnete.“ Mehr noch: In der delikaten Lieferkette ist das bundeseigene Unternehmen auch nur schwer zu ersetzen, aber der Ärger spielt sich auf anderen Geschäftsfeldern ab.
Dazu muss man wissen: Die Güterverkehrssparte der Bahn ist schon seit ihrer Gründung 1998 im Dauerkrisenmodus. Von einigen Jahren mit positivem Geschäftsabschluss abgesehen, schreibt DB Cargo fortwährend rote Zahlen. Eine unübersichtliche Firmenstruktur, mächtige Betriebsräte, inkompetente Führungskräfte – diese Melange bestimmte über Jahrzehnte die Geschicke des Unternehmens. Das führte zu merkwürdigen Auswüchsen. Für eine Fahrt quer durch Deutschland waren bei der Ausarbeitung der Schichtpläne mitunter mehr als ein halbes Dutzend Betriebsräte zuständig. Unflexible Tarifverträge taten ihr Übriges: Manche Lokführer verbrachten mehr Zeit mit Warten als mit Zugfahren, saßen länger im Taxi als im Führerhäuschen, um zu ihrem Einsatzort oder wieder zurückzukommen. Schon etliche Manager sind an diesen Zuständen gescheitert: In 25 Jahren wurden mehr als 40 Vorstände verschlissen.
Die EU-Kommission hat die Daumenschrauben angezogen
So miserabel war die Leistung, so groß waren die Verluste, dass sich sogar die EU-Kommission eingeschaltet hat – auf Initiative eines frustrierten Mitbewerbers, der sich über die jahrelange millionenschwere Unterstützungsaktion des Mutterkonzerns, und damit des deutschen Staates, beschwerte. Die EU-Kommission hat daraufhin im vergangenen Jahr die Daumenschrauben angezogen: Die Ergebnisabführungsverträge mussten gekappt werden. Damit ist die DB Cargo AG wirtschaftlich eigenständig und verpflichtet, bis Ende 2026 profitabel zu wirtschaften.
Nikutta hat ihrem Unternehmen deshalb einen Transformationsprozess verordnet, der auf erbitterten Widerstand der mächtigen Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft EVG gestoßen ist, auch weil rund 1600 Stellen abgebaut werden mussten. Diese Arbeitsplätze wurden „sozial verträglich“ in der Zahl reduziert, wie Nikutta im F.A.Z. Podcast beteuert. Ihnen wurde in einem anderen Betrieb der DB AG einen Arbeitsplatz angeboten, meist in der Nähe. Auch freiwillige Programme zum Verlassen des Unternehmen wurden auf den Weg gebracht. „Das war natürlich schwierig, aber es gibt keine Alternative“, sagt die Bahnmanagerin. „Es gibt jetzt einen ganz klaren Pfad, ein sehr ambitioniertes Transformations- und Sanierungsprogramm, das wir auf den Weg gebracht haben.“ Dazu gehöre auch, die „Assets“ zu reduzieren: weniger Loks, weniger Güterwagen, weniger Personal – „nur das, was ich wirklich brauche“.
Einzelwagenverkehr ist in keinem Land profitabel
Aber die große Sorge um das Einzelwagengeschäft bleibt. Dabei werden einzelne Güterwagen von verschiedenen Kunden an ihren jeweiligen Standorten abgeholt und zunächst zu einem Rangierbahnhof gebracht. Dort werden die Wagen je nach Ziel neu zu Zügen zusammengestellt. Er besteht aus unterschiedlichen Gütern für verschiedene Empfänger. Am Zielort werden die einzelnen Wagen erneut verteilt und zu den Endkunden gebracht.
Dieser große Bereich sei in keinem Land Europas profitabel, beteuert Nikutta. Deshalb ist die Branche auf eine großzügige Förderung durch den Staat angewiesen. Mit der versprochenen staatlichen Unterstützung bleibt der Bund weit hinter den Wünschen der Branche zurück. Das trifft auch die Wettbewerber der Bahn, von denen nach eigenen Angaben aber einige durchaus profitabel arbeiten. Ansonsten hält sich die Konkurrenz in diesem Bereich aber zurück: Während der Marktanteil von DB Cargo im regulären Geschäft auf unter 50 Prozent geschrumpft ist, liegt er beim Einzelwagenverkehr bei deutlich über 90 Prozent. Diesen Verlustbringer, so sagt Nikutta, binde sich keiner gern ans Bein. Auch DB Cargo würde ihn gerne loswerden, allerdings ist er zentral für die Klimaziele der Bundesregierung. Ein einziger Güterzug könne bis zu 52 Lkw ersetzen, rechnet sie vor. Das summiere sich jeden Tag auf 40.000 Lastwagen.
Jetzt muss ein neues Konzept her
Vom Unterstützer wird der Mutterkonzern Deutsche Bahn zur Antreiberin. Jetzt pumpt sie die Millionen nicht mehr bedingungslos ins Unternehmen, sondern tritt in einer Übergangsphase als Kreditgeberin der DB Cargo auf. Sie fordert von ihrer kriselnden Tochtergesellschaft ein überarbeitetes Konzept für einen dauerhaft wirtschaftlichen Einzelwagenverkehr. Alle anderen Geschäftsbereiche der DB Cargo hätten diese Wirtschaftlichkeit bereits erreicht, jetzt müsse auch der Einzelwagenverkehr reformiert werden. Nikutta hingegen pocht auf eine auskömmliche staatliche Förderung – und verweist auf ihr rigides Sparprogramm. Der DB-Cargo-Anteil der versprochenen Förderung in Höhe von 300 Millionen Euro sei noch nicht ausreichend, moniert sie. Da müsse noch nachgearbeitet werden.
Und selbst? „Wir haben die Weichen richtig gestellt.“ Der deutliche Verlust von zuletzt 350 Millionen Euro werde in diesem Jahr auf einen zweistelligen Millionenbetrag sinken, verspricht sie. Am Donnerstag will die Bahn die Geschäftszahlen für das erste Halbjahr verkünden.