Chinesische Technologie in US-Waffen: Zwei große Risiken

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Das amerikanische Militär findet immer neue chinesische Komponenten in seinen Systemen. Es könnte Jahrzehnte dauern, diese zu ersetzen.

Illustration Simon Tanner / NZZ

Kaum etwas symbolisiert die militärische Macht der USA so sehr wie seine Flugzeugträger. Sie projizieren Stärke rund um den Globus und signalisieren Amerikas Widersachern wie Iran, Russland oder China, dass die USA immer zum Eingreifen bereit sind.

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Da wäre etwa der Flugzeugträger USS «Gerald R. Ford», der modernste überhaupt. Er beherbergt über 75 Kampfjets, verdrängt 100 000 Tonnen Wasser und wird von zwei Nuklearreaktoren angetrieben. Im Schiff wurden 70 000 Tonnen Stahl verbaut und über 65 000 Computerchips aus China.

Ja, in der USS «Gerald R. Ford» befinden sich Tausende Komponenten aus einem der Länder, die der Flugzeugträger eigentlich abschrecken soll.

Und Flugzeugträger sind nur eines von zahlreichen amerikanischen Waffensystemen, die chinesische Komponenten enthalten. Andere Beispiele sind etwa der F-35-Kampfjet, Raketen oder Marschflugkörper.

Warum setzen die USA für ihre militärische Übermacht auf Komponenten ihres Widersachers? Und könnte sich China diese Abhängigkeit zunutze machen?

Die Analyse der Lieferketten hat erst begonnen

Bryan Clark führt das Center for Defense Concepts and Technology am Hudson Institute in Washington. Er sagt, das amerikanische Verteidigungsdepartement kaufe fertige Waffensysteme. Chinesische Komponenten seien in der Vergangenheit meist auf niedrigen Fertigungsstufen verbaut worden. Bei Zulieferern von Zulieferern der eigentlichen Rüstungsfirmen, die das fertige System dem amerikanischen Militär verkaufen. Bis vor kurzem hat das Verteidigungsministerium diese niedrigen Fertigungsstufen nicht systematisch überprüft. Clark sagt: «Lange Zeit hatte das Verteidigungsministerium schlicht keine Informationen darüber, in welchen Waffen chinesische Komponenten verbaut wurden.»

Die Politik erkannte das Problem erst vor kurzem. Vor zwei Jahren verordnete der damalige US-Präsident Joe Biden, amerikanische Behörden sollten keine Systeme mehr kaufen, die chinesische Komponenten enthielten. Mittlerweile analysieren Firmen wie Govini für das Verteidigungsministerium systematisch, wie die Lieferketten aller amerikanischen Waffensysteme aussehen und wo ihre Komponenten herkommen. Govini war es auch, das zum Schluss kam, dass in der USS «Gerald R. Ford» über 6500 chinesische Chips verbaut sind.

Alle chinesischen Komponenten in amerikanischen Systemen aufzuspüren, ist das eine, von China unabhängig zu werden, das andere. «Das könnte Jahrzehnte dauern», sagt Clark.

Könnte China mit mangelhaften Chips ein U-Boot sabotieren?

Experten sehen zwei Szenarien, wie China in der Zwischenzeit Amerikas Abhängigkeit ausnutzen könnte. Die chinesischen Hersteller könnten manipulierte oder minderwertige Hardware ausliefern. Der Chip-Experte Chris Miller verwies in einem Gastbeitrag für die «Financial Times» auf diese Möglichkeit. Es sei vorstellbar, dass chinesische Chips Daten sammelten, die geheim bleiben sollten. Oder dass die Komponenten extra schlecht verarbeitet seien, deshalb schneller kaputtgingen und beispielsweise amerikanische U-Boote deswegen öfter als geplant für Reparaturarbeiten im Hafen liegen müssten. Und diese U-Boote könnten den USA dann beispielsweise im Indopazifik fehlen.

Clark vom Hudson Institute sieht das von Miller skizzierte Szenario lediglich als theoretische Gefahr. Denn die chinesischen Chips, die in amerikanischen Waffensystemen verwendet werden, werden auch im zivilen Bereich eingesetzt, beispielsweise in Autos oder Elektrogeräten. Und der Produzent der Chips weiss nicht, wo diese am Ende verbaut werden. Clark sagt, China könne also kaum willentlich manipulierte oder minderwertige Chips in amerikanischen Waffensystemen platzieren.

Ohnehin geht Clark davon aus, dass chinesische Chips in U-Booten oder Flugzeugträgern nicht «systemkritisch» sind. Beim Nuklearantrieb oder bei der Flugsicherheit gälten seit längerem strenge Vorgaben.

Lieferstopp als grösste Gefahr für die USA

Deshalb sieht Clark im zweiten Szenario eine viel grössere Gefahr für die USA: China könnte einen Lieferstopp verfügen bei Chips, aber auch bei seltenen Erden oder Permanentmagneten. Bei Chips, Magneten und Seltenen Erden sind die USA von China abhängig, und alle drei sind essenziell für zahlreiche Waffensysteme. Seltene Erden finden sich etwa in Hochleistungschips, Drohnen und Nachtsichtgeräten. Permanentmagnete sind beispielsweise Bestandteil von Motoren, Generatoren oder Sensoren.

Aber die Abhängigkeiten bei seltenen Erden und Permanentmagneten sind problematischer als jene bei Computerchips. Tatsächlich hatte China für seltene Erden und Magnete im jüngsten Handelskonflikt für zwei Monate einen Lieferstopp in die USA verfügt, diesen dann im Juni aber wieder aufgehoben.

Für Chips gibt es immerhin Alternativen zu China. Die Zulieferer der amerikanischen Rüstungsfirmen lassen ihre Chips nach und nach im Westen produzieren, wenn auch zu höheren Preisen. Anlagen zur Weiterverarbeitung von seltenen Erden gibt es im Westen jedoch kaum, Produktionsstätten für Permanentmagnete gar keine.

Clark schätzt, bis in den USA wieder seltene Erden verarbeitet und Permanentmagnete hergestellt würden, könnte es zehn Jahre dauern. Um den Abhängigkeiten zumindest ein wenig entgegenzuwirken, hat das amerikanische Militär Vorräte an besonders kritischen Komponenten angelegt. Welche das genau sind und in welchen Waffensystemen sie verbaut werden, darf Clark aber nicht sagen.

China ist ebenfalls auf westliche Komponenten angewiesen

Doch nicht nur die USA sind abhängig von ihrem grössten Widersacher. Bei China ist das genauso der Fall. Das Land kann beispielsweise ohne amerikanische Bauteile keine Flugzeugtriebwerke herstellen. Triebwerkschaufeln und Teile der Gehäuse stammen aus den USA. Weiter sind die Chinesen abhängig von europäischen Komponenten für ihre Lenkwaffen.

Für China ist die Abhängigkeit aus Sicht des Experten Clark ein geringeres Problem als für die USA. Denn während China einige hochspezifische Bauteile benötigt, müssen die USA herkömmliche Komponenten und seltene Erden in grossen Mengen aus China importieren. Es sei also für die USA deutlich schwieriger, sich komplett von chinesischen Lieferanten abzuwenden, als umgekehrt.

Bis ein Flugzeugträger Amerikas Militärmacht ganz ohne chinesische Komponenten rund um den Globus zur Schau stellen wird, dürfte es also noch einige Jahre dauern.