Kampf gegen das Virus: Hoffnung auf HIV-Impfstoff mit mRNA

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Stand: 30.07.2025 20:00 Uhr

Fast 40 Jahre läuft die Suche nach einem HIV-Impfstoff. Ein neuer mRNA-Ansatz zeigt vielversprechende Ergebnisse und ist wahrscheinlich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem ersten wirksamen Impfstoff.

Das HI-Virus mutiert ständig, schützt sich mit einem Zuckermantel und kann sich vor dem menschlichen Immunsystem sehr gut verstecken. Doch eine neue Studie mit einem mRNA-Impfstoff sorgt jetzt für Aufsehen. Es geht um ein Protein der Virushülle, mit dem das Immunsystem noch effektiver trainiert werden soll.

mRNA-Impfstoff sorgt für realistischeres Training

Ein Schlüsselproblem in der Impfstoffentwicklung ist das sogenannte Envelope-Protein, das auf der Oberfläche des HI-Virus sitzt. Dieses Protein ist nicht nur komplex aufgebaut, sondern auch gut geschützt. “Die Herausforderung ist, dass dieses Protein nicht eins ist, sondern aus drei Teilen besteht, die wie ein Blumenstrauß zusammengebunden sind”, erklärt Georg Behrens, Immunologe an der Medizinischen Hochschule Hannover. Das Immunsystem muss daher sehr spezifische Antikörper entwickeln, um das Virus zu bekämpfen, eine Aufgabe, die bisherige Impfstoffansätze oft überfordert hat.

Der neue mRNA-Impfstoff eines internationalen Forschungsteams setzt genau hier an. Wissenschaftler des US-Pharmaunternehmens Moderna sind beteiligt. Während frühere Impfstoffversuche das Envelope-Protein frei im Körper “herumschwimmen” ließen, wird es bei diesem Ansatz in die Zellmembran von Muskel- und Immunzellen eingebaut. Damit kann das Immunsystem viel realistischer trainiert werden. Denn bei HIV sitzt das Protein auch in der Virushülle. Und das ist für die Impfstoffforschung wohl viel wichtiger als gedacht.

Bisher hat das Immunsystem bei anderen Impfstoffkandidaten vor allem Antikörper gebildet, die sich besonders gut an den Teil binden können, der sonst in der Virushülle verborgen ist. Genau dieser Teil spielt bei der Immunantwort aber keine Rolle. Das Immunsystem setzt also die falschen Prioritäten. “Wenn wir uns nochmal das Virusprotein als Blumenstrauß vorstellen, schaut das Immunsystem also eher auf die eigentlich uninteressanten Stiele der Blumen, nicht aber auf die Blüten”, erklärt Georg Behrens.

Der neue Ansatz mit dem in der Zellmembran verankerten Protein zwingt das Immunsystem dazu, den richtigen Fokus zu setzen. In Laborversuchen ist der Vorteil klar erkennbar, sagt Marcus Altfeld vom Leibniz-Institut für Virologie. “Es wird verhindert, dass diese unnötigen Antikörper-Antworten gebildet werden.” Die entstandenen Antikörper konnten das Virus gut neutralisieren.

Erste kleine klinische Studie ist vielversprechend

In Tierversuchen führte der neue Impfstoff zu einer höheren Konzentration neutralisierender Antikörper. Erste klinische Tests mit 108 Probanden bestätigten den Effekt im Rahmen der Studie für die Fachzeitschrift Science. 80 Prozent der Teilnehmenden, die den neuen Impfstoff eingenommen hatten, entwickelten neutralisierende Antikörper – beim alten Design waren es nur vier Prozent, sagt Immunologe Behrens. “Das hat sehr gut funktioniert und sehr viel effektiver und nach nur drei Impfungen.”

Geimpfte haben häufiger juckende Nesselsucht

Der neue Impfstoffansatz ist aber nur für eine HIV-Variante getestet worden. Es ist also unklar, wie gut der Ansatz gegen die zahlreich anderen Subvarianten des Virus funktioniert. Wie jeder Impfstoff wird auch genau auf die Nebenwirkungen geschaut. Schwerwiegende Nebenwirkungen gab es nicht, aber sechs bis sieben Prozent der kleinen Testgruppe hatte nach der Impfung juckende Quaddeln an der Haut, also Nesselsucht, sagt Behrens. “Es ist ein bisschen ungewöhnlich. Es gibt zwei, drei andere Studien, die Anfang dieses Jahres publiziert wurden, wo auch eine neue mRNA-Impfung als Basis eingesetzt wurde. Auch da war die Rate der Nesselsucht sehr hoch.” Er glaubt aber, dass es in Zukunft möglich sein wird, das Risiko für diese Nebenwirkung zu reduzieren.

Kein Durchbruch, aber ein wichtiger Fortschritt

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse betont Behrens, dass der neue Impfstoff kein unmittelbarer Durchbruch ist. “Diese Studie zeigt ein Prinzip, aber dieser Impfstoff wird so nicht direkt beim Menschen eingesetzt.” Das mRNA-Verfahren erlaubt jedoch eine schnelle Anpassung und Entwicklung neuer Varianten, was die Forschung deutlich beschleunigen könnte. Forschungsteams müssen nicht aufwendig mit Zellkulturen Proteine züchten, sondern können stattdessen den Bauplan in Form der mRNA mit der Impfung in den Körper geben. Der produziert dann das Protein selbst.

Moderna und BioNTech arbeiten an mRNA-Impfstoffen

Viele verschiedene Varianten des Impfstoffs können designt werden. So haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass wahrscheinlich viele verschiedene herkömmliche Impfungen nötig wären, um eine breite und ausreichende Immunantwort gegen HIV zu erzeugen, die Rede ist von mehr als zehn verschiedenen Impfungen. Diese Zahl könnte durch den mRNA-Ansatz verringert werden. Nach dem ersten erfolgreichen Einsatz von mRNA-Impfstoffen während der Corona-Pandemie schaut auch die HIV-Impfstoffforschung vermehrt auf die mRNA-Technologie.

2023 und 2024 hat das US-Pharmaunternehmen Moderna zwei klinische Phase-1-Studien mit zwei unterschiedlichen Impfstoffkandidaten durchgeführt. Bei einer Studie ist der Impfstoff mit Freiwilligen in Ruanda und Südafrika getestet worden, also Regionen, in denen sich vergleichsweise viele Menschen mit HIV infizieren und auch an der Krankheit AIDS sterben. Erste Ergebnisse sollen noch 2025 veröffentlicht werden. Das Mainzer Unternehmen BioNTech arbeitet auch an einem HIV-Impfstoff, führt jedoch noch keine klinischen Studien durch.

Es sollen möglichst breit neutralisierende Antikörper entstehen, also Antikörper, mit denen das Immunsystem auch die vielen unterschiedlichen Formen von HIV bekämpfen kann. Solch eine – sehr breit – aufgestellte Immunabwehr haben Forschungsteams zuletzt bei Menschen festgestellt, die schon seit Jahren infiziert sind. Erst mit den Jahren scheint sich das Immunsystem dem Virus anpassen zu können. Dann ist es aber für Patienten schon zu spät, der Körper reagiert also zu langsam. Das sollen neue Impfstoffkandidaten ändern und diese breite Immunreaktion durch mehrere Impfungen auslösen. Vorläufer dieser breit neutralisierenden Antikörper konnten schon durch eine HIV-Impfung produziert werden.

Vielversprechende Ansätze, aber weniger Fördergelder

Nach 40 Jahren ohne schützenden HIV-Impfstoff gibt es nun wieder Hoffnung. “Man hat das Gefühl, dass derzeit einige Dinge zusammenkommen, die bei der Entwicklung eines schützenden Impfstoffes helfen könnten”, sagt Marcus Altfeld vom Leibniz-Institut für Virologie. Gleichzeitig steht die Forschung vor allem in den USA unter Druck, weil US-Präsident Donald Trump zahlreiche Fördergelder gestrichen hat. Das wird die Impfstoffforschung möglicherweise verlangsamen, aber es gibt gleichzeitig viele neue Ansätze, die in Zukunft auf einen Impfstoff gegen HIV hoffen lassen. Mit Hilfe der mRNA-Technologie könnten Impfstoffe bald flexibler, schneller und gezielter entwickelt werden – auch gegen HIV.