Seit Monaten hofft die deutsche Autoindustrie darauf, dass sie im globalen Sturm zumindest ein Stück weit entlastet wird. Aber stattdessen, so scheint es, türmen sich die Schwierigkeiten immer höher auf. Die Geschäftszahlen der beiden Luxushersteller Mercedes und Porsche zeigen wenig Lichtblicke, und die Chefs beider Unternehmen machten am Mittwoch deutlich, dass es trotz der Einigung zwischen Trump und der EU im Zollstreit keinen Grund zum Durchatmen gibt. 15 Prozent werden künftig für Einfuhren nach Amerika fällig. Das ist weniger als die 27,5 Prozent, die seit April vorübergehend galten, aber deutlich mehr als das Niveau früherer Jahre. In China tobt der Verdrängungswettkampf, und in Europa bleibt die Elektromobilität noch immer hinter früheren Hoffnungen zurück.
Das Umfeld werde „nicht einfacher“, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius in einer Telefonkonferenz. Und Oliver Blume, der den Volkswagen -Konzern und dessen börsennotierte Tochtergesellschaft Porsche gleichzeitig führt, pochte auf weitere Kostensenkungen, um die Einschläge besser abfedern zu können. „Wir sehen das Ganze nicht als ein Unwetter, das irgendwann vorüberzieht“, fasste der Manager die Lage zusammen.
Beide, Mercedes und Porsche, haben im ersten Halbjahr einen deutlichen Gewinnrückgang erlitten – das Ergebnis von Mercedes sank um 55 Prozent, das von Porsche sogar um fast 70 Prozent. Mehrausgaben durch die Zölle lasteten auf den Renditen. Gleichzeitig schlugen Sonderkosten für den Umbau der Unternehmen zu Buche, die beide einen erheblichen Stellenabbau planen oder schon umsetzen. An der Börse scheinen Anleger dagegen schon so stark an schlechte Nachrichten gewöhnt zu sein, dass die Kursreaktionen verhalten oder sogar leicht positiv ausfallen, wenn es nicht noch schlimmer kommt als befürchtet. Der Aktienkurs von Mercedes gab am Mittwoch nur leicht um zwei Prozent nach. Porsche lag sogar um knapp zwei Prozent im Plus. Weitere Nachrichten aus der Branche werden am Donnerstag erwartet, wenn auch BMW über das Halbjahr berichtet.
Keine Chance mehr für einen Sonder-Deal
Porsche war lange ein Gewinnbringer im VW-Konzern, wird aber zunehmend zum Krisenfall, wie die Zahlen im ersten Halbjahr untermauern. In Deutschland und Europa hat der Sportwagenhersteller deutlich weniger Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert. In China sind die Verkäufe weiter im freien Fall. Sie sanken im Halbjahr um fast ein Drittel auf 21.300 Stück, nachdem sie schon zuvor kräftig gesunken waren. Vor allem die vollelektrischen Modelle wie der Taycan verkaufen sich in der Volksrepublik nicht gut. Denn im Vergleich zur lokalen Konkurrenz sind sie teuer, und das Luxussegment in China steht generell unter Druck.
In Nordamerika sind die Porsche-Verkäufe im ersten Halbjahr gestiegen, allerdings ganz offensichtlich auf Kosten der Profitabilität. Um das Geschäft in den Vereinigten Staaten nicht zu gefährden, hielt das Management die dortigen Verkaufspreise trotz neuer Zölle lange stabil und musste dadurch rund 400 Millionen Euro an Mehrkosten selbst tragen. Mittlerweile wurden die Preise leicht angehoben, weitere Erhöhungen sollen folgen. Gleichzeitig sollen in Europa, wo alle Porsche-Modelle für den Weltmarkt herkommen, die Kosten weiter sinken. Im Dezember und im Februar wurde der Abbau von insgesamt 3900 Stellen angekündigt, und jetzt laufen Gespräche über ein weiteres Sparpaket. Finanzvorstand Jochen Breckner rechnet mit „schmerzhaften“ und „weitreichenden“ Eingriffen.
Eigentlich hatte Vorstandschef Blume gehofft, dass er mit dem Porsche-Mutterkonzern VW eine Sonderbehandlung in Amerika herausschlagen kann. Die Konzernmarke Audi, die wie Porsche dort bislang keine eigene Fabrik hat, will ein eigenes Werk vor Ort bauen. Und diese Investition in Milliardenhöhe, so Blumes frühere Erwartung, würde den US-Präsidenten Trump dazu bringen, einen Teil der Zölle zu erlassen. Jetzt folgt die Kehrtwende. Einen Sonder-Deal hält der Manager nicht mehr für wahrscheinlich. VW muss sich also anders behelfen, und am Mittwoch blieb zunächst unklar, was das genau bedeutet. Man halte an den Expansionsplänen in Übersee fest, hieß es nur. Soll wohl heißen: Eine neue Audi-Fabrik wird weiter erwogen. Schließlich entfielen mit der lokalen Produktion zumindest für die vor Ort produzierten Audi-Modelle alle Zölle, und vielleicht geben Bundesstaaten sogar Subventionen für einen Werksneubau.

Auch Mercedes hatte eine Zeit lang auf eine Sonderregel gehofft. Im Gegensatz zu Audi und Porsche produziert das Unternehmen seit Jahrzehnten viele Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten und exportiert teure Stadtgeländewagen von dort in andere Länder. Konzernchef Källenius hätte gerne die amerikanischen Exporte mit Importen verrechnet, doch daraus wird nichts. „Deal ist Deal“, räumte er am Mittwoch ein. Eine Zusatzvereinbarung sei nicht zu erwarten. Immerhin: In Europa profitiert Mercedes von der Abschaffung der Einfuhrzölle für in Amerika hergestellte Autos, genau wie der Rivale BMW, der in Übersee ähnlich aufgestellt ist und ebenfalls von dort viele Fahrzeuge exportiert. Der Nutzen durch die niedrigeren Zölle in Europa sei im Vergleich zu den Belastungen durch amerikanische Zölle aber „eher klein“, so Finanzvorstand Harald Wilhelm.
Nachdem das Unternehmen mit einem Renditeziel für das Automobilgeschäft von sechs bis acht Prozent in das laufende Geschäftsjahr gegangen war, diese Prognose im April aber zurückgenommen und gar keine mehr ausgegeben hatte, weil sich die Trump’schen Ansagen im Wochentakt änderten, traut sich Wilhelm jetzt wieder einen konkreten Ausblick zu. Mercedes strebt demnach für das laufende Geschäftsjahr eine Umsatzrendite von nur noch vier bis sechs Prozent an – nach 8,1 Prozent im Jahr 2024 und 6,2 Prozent in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres. Neben den Zöllen hatte Mercedes zuletzt mit Absatzrückgängen in China zu kämpfen und verbuchte Kosten für das seit Dezember laufende Sparprogramm „Next Level Performance“ sowie die Aufgabe der Van-Produktion im argentinischen Virrey del Pino.
Auch Porsche senkt den Ausblick für das Gesamtjahr weiter. Nach einer ersten Korrektur im April liegt das Ziel jetzt bei einer operativen Umsatzrendite von fünf bis sieben Prozent. Die Bandbreite hat sich damit noch weiter von den 20 Prozent entfernt, die Porsche beim Börsengang vor ein paar Jahren in Aussicht gestellt hatte und die man allenfalls langfristig noch für erreichbar hält – sofern sich auch das Umfeld wieder aufhellt. Einen Lichtblick soll es nun aber doch geben. Vorstandschef Blume sagte, vom kommenden Jahr an werde es wieder ein „positives wirtschaftliches Momentum“ geben. Das Tal der Tränen will er also zügig durchschreiten, auch dank neuer Modelle, die länger als ursprünglich geplant mit Verbrennungsmotor fahren sollen.