Im Innovationspark in Dübendorf soll für 200 Millionen Franken eine Chipfabrik entstehen, finanziert durch öffentliche und private Gelder. Sie soll Schweizer Firmen die Entwicklung und Produktion von hochspezialisierten Computerchips erleichtern.

Halbleiter werden in hochspezialisierten Fabriken hergestellt. Eine neue soll in Dübendorf entstehen.
In Zeiten militärischer Aufrüstung umwirbt die Schweiz Rüstungskonzerne wie Rheinmetall, damit diese sich an einer Chipfabrik in der Schweiz beteiligen. Das zumindest suggeriert ein Bericht des amerikanischen Nachrichtenportals Bloomberg vom Mittwoch.
Die Meldung klingt erst einmal merkwürdig: Die Schweiz will ausländische Rüstungskonzerne ins Land holen? Dieselbe Schweiz, die im Zuge des Ukraine-Kriegs vom europäischen Ausland immer wieder für ihre restriktive Exportregelung bei Rüstungsgütern kritisiert wurde?
Wer bei involvierten Personen nachfragt, erhält ein anderes Bild. Ja, in der Schweiz soll eine moderne Chipfabrik entstehen. Doch Rheinmetall sei lediglich eine von zahlreichen Firmen, mit denen man im Gespräch sei.
Ein Kernteam bestehend aus der ETH, der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), Schweizer Halbleiterfirmen und einer Schweizer Tochter des japanischen Konzerns Hitachi will ein «Swiss Chip FabLab» im Innovationspark Dübendorf realisieren.
Lars Sommerhäuser begleitet das Projekt seitens der Empa. Er sagt: «Chips sind bei der zurzeit angespannten Weltlage von enormer Bedeutung. Ziel des Projektes ist es, in der Schweiz Chips für Anwendungen wie Energie, Mobilität, Medizin oder Kommunikation zu entwickeln und herzustellen.» So solle die Position der Schweiz in den globalen Lieferketten und damit die Unabhängigkeit der Schweiz gestärkt werden.
So weit, so ambitioniert. Doch wie soll das genau vonstattengehen?
Dübendorf wird keine Taiwan-Alternative werden
Wer gegenwärtig «Computerchips» hört, denkt vielleicht an die Prozessorchips im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), vom amerikanischen Konzern Nvidia designt und vom taiwanischen Auftragsfertiger TSMC produziert. KI-Firmen lassen sich auf Wartelisten setzen und bezahlen Zehntausende Franken pro Stück.
Von diesen Chips ist hier aber nicht die Rede. Dübendorf soll keine Alternative werden zu Taiwan. Es geht nicht um diese High-End-Chips mit Strukturgrössen zwischen fünf und zwei Nanometern. Im «Swiss Chip FabLab» soll die Nische bedient werden: Dort sollen hochspezialisierte Chips entstehen, die weltweit nur wenige Firmen herstellen.
Jürg Leuthold ist für die ETH am Konsortium beteiligt. Er spricht von dreissig bis vierzig Maschinen, die in Dübendorf aufgestellt werden sollen und von denen jede ein paar Millionen Franken kostet. So kommt die Summe von etwa 200 Millionen Franken über einen Zeitraum von zwölf Jahren zusammen. Leuthold sagt: «Die ETH will ihre Labors rund um Halbleiter sowieso an einem einzigen Standort zusammenziehen.» Der Umzug sei eine Chance, die Sache gleich grösser und in Partnerschaft mit der Industrie aufzuziehen. So tragen Firmen die Kosten für die Labore mit und können umgekehrt davon profitieren.
Unternehmen sollen ebenfalls im «FabLab» an Chips forschen und Prototypen bauen können. Es geht darum, die Anlage gemeinsam zu nutzen und so auszulasten. Das erleichtert Startups den Markteintritt und würde sich auch für etablierte Schweizer Chiphersteller lohnen.
Schweizer Unternehmen erhoffen sich innovativere Produktion
Beat De Coi ist Gründer und Verwaltungsratspräsident von Espros Photonics, einem Sarganser Unternehmen für Chips, die Lichtsingale in digitale Signale umwandeln. Sie kommen beispielsweise in Lidar-Sensoren zum Einsatz, die Robotern und selbstfahrenden Autos ermöglichen, ihre Umgebung dreidimensional wahrzunehmen.
Die Chips von Espros Photonics haben zwei Seiten, eine elektronische und eine lichtsensitive. Im Moment bestellt die Firma in einer Singapurer Fabrik nach ihrem Rezept vorbehandelte Halbleiter. In Sargans erfolgt der zweite Produktionsschritt und die Verarbeitung zum fertigen Produkt. De Coi hofft, in Dübendorf neue Ideen umsetzen zu können, die der Hersteller in Singapur nicht zulässt. «Wir könnten für innovative Produkte gut zahlen. Doch den grossen Chipherstellern sind unsere Stückzahlen zu klein, um extra ihre Produktion umzustellen.»
Ein Schweizer FabLab wäre für Espros die Möglichkeit, neue Ideen auszuprobieren und in kleineren Stückzahlen vor Ort zu produzieren. De Coi hat grosse Träume: «Der Hunger wächst beim Essen. Ich bin sicher, dass aus diesem FabLab ein wachsender Chipcluster entstehen könnte, der später auch grössere Produktionsmengen ermöglicht.»
Espros Photonics ist nicht die einzige Schweizer Firma, die von hochspezialisierten Chips lebt. Andere Beispiele sind die Sensorhersteller Sensirion, Albis Optoelectronics und der Laserhersteller Coherent. Diese Firmen designen Chips in Bereichen wie Leistungselektronik, Sensorik oder Kommunikation. Sie alle hätten schriftlich festgehalten, dass sie sich an einem FabLab beteiligen würden, sagt Leuthold von der ETH.
Die Initiatoren nutzen die Weltlage geschickt für ihre Sache
Leuthold fasst den Stand des Projekts so zusammen: «Wir haben das Grundstück, wir haben die Vision, wir haben Interessenten. Es fehlen nur noch ein paar Millionen.» Welche Firmen oder Institutionen sich in welchem Umfang beteiligen wollen, ist noch nicht öffentlich. 2028 soll das FabLab nach jetzigem Plan den Betrieb aufnehmen.
Zwei weltpolitische Entwicklungen könnten dem Projekt aus Sicht der Initiatoren Auftrieb verleihen. Die aggressive Handelspolitik von US-Präsident Trump, in der er amerikanische High-Tech-Chips als Druckmittel einsetzt. Und der Ruf nach mehr militärtechnologischer Souveränität, der in Europa seit dem Beginn von Trumps zweiter Amtszeit lauter geworden ist.
Durch das Swiss Labs erhoffen sich die Initiatoren, dass die Schweiz bei spezialisierten Chips so wichtig wird, dass sie ihre Bedeutung international zu ihren Gunsten nutzen kann.
Und zum Streben nach militärtechnologischer Souveränität passt, dass sich das Konsortium in Gesprächen befindet mit dem Bundesamt für Rüstung Armasuisse. Mit ähnlichen Überlegungen hatte man wohl auch Rheinmetall angesprochen, den Konzern im Zentrum des aufsehenerregenden Bloomberg-Berichts. Ob sich der deutsche Rüstungskonzern tatsächlich an der Schweizer Chipfabrik beteiligen wird bleibt derweil offen. Auf Anfrage der NZZ wollte sich Rheinmetall nicht dazu äussern.