Am Bundesfinanzhof (BFH) geht die Zahl der Verfahren seit Jahren zurück. Deswegen wird es am obersten Gericht für Steuer- und Zollsachen künftig nur noch zehn Senate geben. Der 11. Senat, der vor allem für Verfahren zur Umsatzsteuer zuständig war, sei zum 1. August geschlossen worden, teilte der BFH am Donnerstag mit. Die Entscheidung habe das Präsidium, die Vertretung der Richterinnen und Richter, getroffen. Damit würden Stelleneinsparungen umgesetzt, die das Bundesjustizministerium und der BFH gemeinsam erarbeitet hätten. „In den letzten Jahren hatten wir einen Eingangsrückgang von zwei bis fünf Prozent im Jahr. Darauf haben wir reagiert“, erläuterte BFH-Präsident Hans-Josef Thesling gegenüber der F.A.Z.
Der 11. Senat war 1990 gründet worden, um die steigende Zahl von Verfahren zu bewältigen, die mit der Wiedervereinigung auf den BFH zukamen. Doch schon seit Jahren geht die Zahl der Klagen insgesamt zurück. Im Jahr 2000 erreichten den BFH noch mehr als 3400 neue Verfahren, 2024 waren es nur noch 1744. Das entspricht einem Rückgang von 49 Prozent.
Durch die Schließung des 11. Senats werden zunächst zwei Stellen eingespart, da zwei Richter in den Ruhestand gehen. Die drei weiteren Richter des Senats wurden anderen Senaten zugewiesen. Der derzeitige Vorsitzende Ulrich Schallmoser übernehme den Vorsitz im 1. Senat von Peter Brandis, der in den Ruhestand wechsele, teilte der Gerichtshof mit. Die Umsatzsteuerverfahren des aufgelösten Senats wurden auf den 5. Senat übertragen, der bisher zusammen mit dem 11. Senat für diese Steuerfälle zuständig war. Längere Verfahrensdauern seien nicht zu erwarten. „Ich gehe fest davon aus, dass es keine Verzögerungen gibt“, sagte BFH-Präsident Thesling.

Da die Eingangszahlen deutlich zurückgegangen seien, sollte die Politik nun auch die hohen Zugangshürden zum BFH überprüfen, sagte Thesling. Der Gesetzgeber hatte Mitte der 1970er-Jahre die Revisionsgründe beschränkt und die Darlegungsanforderungen erhöht, da es damals sehr viele Verfahren gab. Die Bundessteuerberaterkammer beklagt, die Zugangshürden seien so hoch, dass „der Rechtsschutz für Steuerpflichtige faktisch ausgebremst wird“. Dazu bemerkte Thesling, die Erfolgsquote bei den Nichtzulassungsbeschwerden habe 2024 nur 14 Prozent betragen. „Das liegt an den hohen Darlegungslasten.“ Es sei an der Zeit, die restriktive Gesetzeslage zu überprüfen, um den Rechtsschutz zu vergrößern. Entsprechende Forderungen der Steuerberater stehe er positiv gegenüber. Er habe darüber auch mit Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) gesprochen, sagte der Gerichtspräsident. Die Justizministerkonferenz habe sich ebenfalls mit dem Thema befasst. Es sei wichtig, dass die Politik darüber diskutiere, Rechtssuchenden den Zugang zum BFH zu erleichtern.
Wenn der Gerichtshof weniger Steuerfälle überprüfen könne, „dann ist das ein Manko, weil wir dann weniger Gelegenheit habe, zu grundsätzlichen Fragen Urteile zu fällen“, erläuterte Thesling. Ein Steuerberater, der nach einer Betriebsprüfung mit dem Finanzamt eine Rechtsfrage diskutiere, laufe damit Gefahr, sich nicht auf höchstrichterliche Rechtsprechung berufen zu können.
„Vernünftige Vorschläge“ seit Sommer 2024 auf dem Tisch
Der BFH-Präsident kritisierte außerdem die Kompliziertheit des Steuerrechts. Ohne Hilfe eines Steuerberaters sei es kaum noch möglich, die Steuererklärung sachgerecht zu erstellen. „Sehr vernünftige Vorschläge zur Vereinfachung“ lägen seit Sommer 2024 auf dem Tisch, sagte Thesling mit Hinweis auf die Arbeit der beiden Expertenkommissionen, die das Finanzministerium unter Führung von Christian Lindner (FDP) eingesetzt hatte. Eine sehr starke Vereinfachung lasse sich zum Beispiel mit Pauschalierungen erreichen. In Einzelfällen könne es dann zwar zu Ungerechtigkeiten kommen. „Aber man kann nicht jeden Einzelfall immer angemessen gesetzlich erfassen“, sagte Thesling.
Um Fragen der Pauschalierung geht es auch in Verfahren zur Grundsteuerreform, über die der BFH zu entscheiden hat. Für Mitte November sei eine mündliche Verhandlung zu drei Verfahren geplant, in denen über das Bundesmodell gestritten werde, teilte eine Gerichtssprecherin mit. Mündliche Verhandlungen zu den Ländermodellen könnten im ersten Quartal 2026 folgen.