Israels Außenminister Gideo Saar warnt im Interview vor Terrorstaat Palästina

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Herr Minister, das deutsche Außenministerium bezeichnet die Lage in Gaza als „Katastrophe“. Was sagen Sie dazu? Außenminister Johann Wadephul ist ja derzeit in Israel.

Wir sprechen fast täglich miteinander. Der Minister weiß um unsere humanitären Bemühungen. Am Mittwoch sind 269 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gefahren. Das ist viel mehr als die Zahl, auf die wir uns mit der EU geeinigt hatten. Natürlich ist die Lage in Gaza nach zwei Jahren Krieg nicht einfach. Die Frage ist: Wer ist dafür verantwortlich? Nicht nur für den Beginn des Krieges am 7. Oktober, sondern auch für die aktuelle Lage. Das ist die Hamas. Die Behauptung, Israel sei dafür verantwortlich, ist eine Lüge. Wir arbeiten unter schwierigen Umständen sehr hart daran, humanitäre Hilfe zu ermöglichen.

Dennoch werden Sie viel kritisiert, auch aus Deutschland. Sind Sie darüber enttäuscht?

Von Deutschland bin ich nicht enttäuscht. Aber es gibt in vielen europäischen Staaten Elemente einer Doppelmoral in der Haltung gegenüber Israel. Man hört zum Beispiel nicht viel über die grausame Situation in Sudan oder in Syrien. Aber es gibt hysterische und obsessive antiisraelische Haltungen. Das ist sehr seltsam, denn Israel ist die einzige demokratische Kraft im Nahen Osten, die gegen die radikalsten Kräfte der Welt kämpft. Diese Islamisten könnten auch Anschläge auf deutschem Boden verüben.

Außenminister Johann Wadephul bei einem Besuch bei seinem israelischen Amtskollegen Gideon Saar im Mai
Außenminister Johann Wadephul bei einem Besuch bei seinem israelischen Amtskollegen Gideon Saar im Maidpa

Erleben Sie diese Doppelmoral auch in Deutschland?

Die deutsche Regierung ist eine freundliche Regierung. Ich vertraue ihren guten Absichten. Aber es gibt Druck von anderen EU-Mitgliedstaaten und vielleicht auch von einigen Koalitionspartnern. Aber die Wahrheit wurde bereits von Bundeskanzler Friedrich Merz ausgesprochen: Israel erledigt die Drecksarbeit für die Welt. Ich möchte hinzufügen: Israel bekommt auch die dreckige Kritik von der Welt.

Können Sie die Kritik aus westlichen Ländern verstehen?

Die Hamas hat ihre Position aufgrund der antisemitischen Angriffe mehrerer Staaten und Medien verhärtet. Das einseitig gegen Israel gerichtete Statement von mehr als 20 Staaten, den Krieg in Gaza zu beenden, das Deutschland glücklicherweise nicht unterzeichnet hat, war kolossal schädlich für die Verhandlungen. Die Hamas hat die Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen Geiselaustausch durch neue Forderungen bewusst an die Wand gefahren.

Aber Israel hat die Gespräche in Doha verlassen.

Wir sind gegangen, nachdem die Hamas irrationale Vorschläge gemacht hatte. Zum Beispiel wollten sie 200 zu lebenslanger Haft verurteilte Terroristen für eine Geisel freipressen. Dieses Kapitel der Verhandlungen war allerdings bereits abgeschlossen. Die Hamas wurde durch den internationalen Druck auf Israel dazu ermutigt, die Verhandlungen für einen Waffenstillstand zu sabotieren. Die europäische Intervention hat damit das Gegenteil vom gewünschten Ergebnis erreicht. Auch den Vorschlag der Vermittler hat die Hamas plötzlich abgelehnt. Es mangelt an geopolitischem Verständnis in der europäischen Herangehensweise. Deutschland ist das einzige führende Land, das noch rational handelt.

Es gibt dennoch Diskussionen über Sanktionen seitens der EU. Wie würden Sie auf Sanktionen reagieren?

Wir lassen uns nicht mit Sanktionen einschüchtern, oder davon, einen zukünftigen palästinensischen Staat anzuerkennen. Wir werden nicht unter Druck handeln. Ich kann Ihnen versichern, dass israelische Start-ups mit oder ohne finanzielle Unterstützung der EU florieren werden. Die EU muss sich entscheiden, ob sie den Dialog fortsetzen oder einen anderen Weg einschlagen will, der nicht sehr konstruktiv ist.

Die Besorgnis rührt von der sehr angespannten Lage in Gaza her. An den Hilfsgüterverteilungsstellen der Gaza Humanitarian Foundation gab es zahlreiche Todesfälle. Was unternimmt man dagegen?

In letzter Zeit gab es keine solchen Fälle mehr, es wurden Maßnahmen ergriffen, um dies zu verhindern. Aber die UN-Lager wurden von der Hamas geplündert. Mit diesen Ressourcen kann sie neue Terroristen rekrutieren und diesen Krieg endlos fortsetzen. Die EU wählt immer wieder Mittel, die völlig losgelöst vom Ziel sind.

Die Vereinten Nationen warnen vor dem „Worst-Case-Szenario einer Hungersnot“.

Es gibt viel schlimmere humanitäre Situationen, wie ich bereits erwähnt habe, zum Beispiel in Sudan.

Wie kann es im Interesse Israels sein, in Gaza diese Lage zu haben?

Wir wollen das nicht, wir wollen das Gegenteil. Unsere Geiseln in Gaza leiden unter den schlimmsten Bedingungen, sie werden gefoltert. Es ist wichtig zu zeigen, wer dafür verantwortlich ist, wer die Hilfsgüter stiehlt. Wir können uns diesen Terroristen nicht ergeben. Wir müssen die Hamas besiegen.

Das bedeutet, dass die Armee im Gazastreifen operiert und die Palästinenser immer wieder in bestimmten Gebieten konzentriert. Einige Beobachter befürchten, dass dies eine Vorbereitung auf eine Vertreibung ist. Können Sie garantieren, dass Sie die Bewohner des Gazastreifens nicht vertreiben werden?

Migration erfordert zwei Dinge: den freien Willen des Migranten, das Land zu verlassen, und Länder, die ihn aufnehmen. Wir werden nichts tun, was nicht mit diesen Grundprinzipien vereinbar ist. Ich glaube, dass ein großer Prozentsatz der Palästinenser das Land verlassen möchte, und wir werden sie nicht daran hindern. Wir haben die Pflicht, ihnen dies zu ermöglichen.

Sollten die Bewohner Gazas in Gaza leben?

Wenn sie das möchten. Ich glaube nicht, dass die Bedingungen dafür dort derzeit aufgrund der Hamas gut sind. Aber wir werden niemanden zur Auswanderung zwingen.

Würden Sie Gaza annektieren?

Aus Sicherheitsgründen kontrollieren wir derzeit einige Gebiete, um das Eindringen von Terroristen und den Abschuss von Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel zu verhindern. Ohne den Hamas-Überfall vom 7. Oktober wären wir heute gar nicht dort. Der Terror darf sich nicht wiederholen – nur darum geht es. Wir haben weder jetzt noch in Zukunft die Absicht, die Menschen im Gazastreifen zu regieren. Es gibt auch keine Pläne für neue Siedlungen im Gazastreifen.

Was ist mit dem Westjordanland? Als Großbritannien und Frankreich ankündigten, Palästina anzuerkennen, nannten Sie das „ein illusorisches Arrangement auf unserem Land“. Ist das Ihr Land?

Sie bezeichnen Judäa und Samaria als palästinensisches Land. Die EU sagt, es seien besetzte Gebiete, wir sagen, es seien umstrittene Gebiete. Denn in der Vergangenheit gab es nie einen palästinensischen Staat.

Sehen Sie noch eine Chance für eine Zweistaatenlösung?

Der Begriff „Zweistaatenlösung“ deutet an: Es ist eine Lösung. Aber jeder, der die Realität versteht, wird klar erkennen, dass ein palästinensischer Staat, der heute gegründet wird, ein dschihadistischer Terrorstaat inmitten unseres Kernlandes sein wird. Der Aufstieg der Hamas nach Israels Rückzug aus Gaza 2005 – was genau das war, was Europa wollte –, hat dies bewiesen. Das Gleiche wird wieder passieren. Das wäre Selbstmord für den Staat Israel.

Was erwarten Sie von der Hamas, um den Krieg zu beenden?

Ich erwarte nichts von ihnen. Jeder, der etwas von einer Terrororganisation erwartet, macht sich etwas vor. Israel wird den Krieg nicht beenden, bevor alle unsere Geiseln zurückgekehrt sind.

Ich sage vier Worte: Geiseln zurück, Hamas raus. Wenn dies umgesetzt wird, kann der Krieg morgen beendet werden.

Also gehen die Kämpfe weiter. Ist die IDF immer noch die „moralischste Armee“ der Welt?

Keine Armee hat eine geringere Quote an zivilen Opfern – obwohl die Hamas alles dafür tut, um Zivilisten zu gefährden. Das ist wieder diese Doppelmoral, die gegen den jüdischen Staat gerichtet wird. Wir hätten diesen Krieg schon längst beenden können, wenn wir nicht durch mehrere Probleme eingeschränkt worden wären. Erstens durch internationale Gesetze, die wir respektieren, obwohl die Terroristen Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzen. Zweitens die Geiseln. Wir wissen von einigen Gebieten, in denen sie festgehalten werden, und führen dort keine Operationen durch, um sie zu schützen. Drittens, wie ich bereits erwähnt habe, die humanitäre Hilfe, die für die Hamas wie Sauerstoff war. Aber wir haben uns nie von diesen Einschränkungen gelöst, daher sind wir immer noch die moralischste Armee der Welt.