Ein Panzer reiht sich an den nächsten. Auf dem Werksgelände der Rüstungsfirma KNDS im saarländischen Freisen sieht man sie überall. Sie stehen im Freien, wenn es bis zur Wartung noch dauert, auf den 120 Montageplätzen in mehreren Hallen. Dort ein gepanzertes Transportfahrzeug Dingo, hier ein Marder, viele Boxer, einige Leopard 2. Manche gehören den USA, wenige Österreich, die meisten der deutschen Bundeswehr – und einige der Ukraine. Die Arbeit ist, so sagt es ein Mitarbeiter beim Rundgang, mit der einer Autowerkstatt vergleichbar.
Nur: Schließt der Mechaniker das Auto in der Werkstatt an ein Diagnosekabel, gibt der Computer Aufschluss darüber, was kaputt ist. Selbst bei modernen Panzern geht das offenbar nicht. Im Zweifel müssen sie auseinandergebaut werden, bis der Defekt erkannt ist. Im Falle einer Runderneuerung erfolgt das sowieso. In einer Halle auf dem Werksgelände steht ein Mann und reinigt Bauteile mit einem Sandstrahler, später werden sie neu lackiert – und anschließend wieder zu einem vollständigen Panzer zusammengefügt.
In einer anderen Halle stehen drei Männer auf einem Boxer-Radpanzer der Bundeswehr. Sie haben die Dämpfung des Antriebs ausgetauscht. Nun befestigt einer von ihnen die Verkleidung des Panzers, die Schrauben dreht er mit einer Knarre fest. Fast alles sei Handarbeit, sagt er.
Insgesamt 320 Panzer werden bei KNDS Maintenance im Norden des Saarlandes pro Jahr ertüchtigt. Das starke Wachstum des Standortes fällt in die Zeit, als die Bundeswehr von 2015 an wieder neues Gerät anschaffte, das anschließend gewartet werden musste. In Freisen qualifizierte man sich in aufwendigen Verfahren für die Aufträge. Der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann, der inzwischen KNDS heißt, hat seit 2017 viele Modelle aus dem Portfolio im Saarland gewartet. Die Zahl der Mitarbeiter stieg in den Jahren danach von 180 auf aktuell 662, 52 von ihnen sind Auszubildende.
Bis zu 2800 finnische Patria-Panzer
Bald könnte der Wartungsbetrieb um eine Produktionsstätte erweitert werden. Der finnische Transportradpanzer Patria des gleichnamigen Unternehmens könnte im Saarland gefertigt werden und der Bundeswehr als Ersatz für das Modell Fuchs dienen. Patria und KNDS haben vergangenes Jahr eine Vereinbarung geschlossen. Nun geht es darum, dass die vom Bundesverteidigungsministerium veranschlagten Investitionen auch vom Haushaltsausschuss des Bundestags freigegeben werden, damit die Serienproduktion beginnen kann. Der Geschäftsführer von KNDS Maintenance, Christoph Cords, geht davon aus, dass die Entscheidung bis Ende des Jahres fällt.
Vor einigen Tagen wurde öffentlich, dass unter Umständen nicht nur tausend Patria-Panzer, sondern bis zu 2800 bestellt werden könnten. Bis zu 300 Millionen Euro könnten in Freisen für den Ausbau des Werks investiert, 300 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden. Weder Cords noch der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD), der zum Rundgang auf dem Gelände von KNDS gekommen ist, wollen sich zu den Zahlen und dem Stand der Verhandlungen äußern. Beide sind zuversichtlich, dass der Zuschlag erfolgt. Die Produktion des Patria würde zum jetzigen Stand bis 2040 dauern.
„Das Saarland ist klein, die Wege sind kurz“
Für das Saarland ist es ein Signal der Hoffnung. Im November vergangenen Jahres, als sich die Entscheidung bereits abzeichnete, kündigte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) an, das Potential der Rüstungsinvestitionen für das Saarland stärker nutzen zu wollen. Ein von Rehlinger angekündigter Runder Tisch mit Rüstungsunternehmen fand erst vor wenigen Wochen statt. Die Opposition im saarländischen Landtag meckerte, dass es zu lang gedauert habe.
Zuständig für die Gespräche war Wirtschaftsminister Barke. Der verweist darauf, dass es für solche Formate einer guten Vorbereitung bedürfe. Geschäftsführer Cords lobt die Unterstützung, die es durch die Politik gebe. „Das Saarland ist klein, die Wege sind kurz. Das beschleunigt viele Dinge“, sagt Cords. In Saarbrücken will man bei Genehmigungen helfen, auch Gelände zur Verfügung stellen, Kontakte zu möglichen Zulieferbetrieben herstellen – und verspricht Schützenhilfe, wenn es um Verhandlungen mit dem Bund geht.

Angesichts von 500 Milliarden Euro, die in den kommenden Jahren in die Bundeswehr fließen sollen, sagt Wirtschaftsminister Barke: „Wenn die Investitionen größer werden, werden die Wertschöpfungsketten länger.“ Das führe dazu, dass auch mittelständische Unternehmen profitieren. Barke erkennt die Chance, dass sich große Rüstungsunternehmen diversifizieren müssen und neue Standorte suchen – dafür sieht sich das Saarland in einer ebenso starken Position wie für den Ausbau von Bundeswehrstandorten.
Die 500 Milliarden würden nicht mit der Gießkanne über das Land verteilt, sondern gezielt eingesetzt. „Die Investition im tiefen Südwesten ist besonders attraktiv“, sagt der Wirtschaftsminister zweimal im Gespräch mit der F.A.Z. Weil Saarbrücken besonders weit weg ist von Russland? Barke lächelt. Das müsse man schon selbst interpretieren.
Die Vorzüge des Saarlandes
Im jüngsten Gespräch mit den Rüstungsunternehmen rückte er weitere Vorzüge des Saarlandes in den Mittelpunkt. Dazu zählt die gute Verkehrsanbindung an Städte wie Paris und die zentrale Lage in Westeuropa. Dem Vernehmen nach ging es auch um die positive Grundhaltung der Bevölkerung zur Rüstungsindustrie, die es im Bundesland gebe. Dadurch dass es neben KNDS auch große Standorte von Firmen wie Diehl in Nonnweiler oder der bundeswehreigenen Tochter HIL in St. Wendel gibt, seien die Berührungsängste gering, so das Argument. Außerdem verfüge das Saarland über viele Arbeitskräfte im produzierenden Gewerbe, die in die Rüstung wechseln könnten.
Die Krise der Autobranche, die das Saarland seit Jahren hart trifft, weil hier viele Zulieferer ihren Sitz haben, könnte also zum Teil abgefedert werden. Zuletzt verging kaum eine Woche, in der es nicht um Entlassungen und Sozialpläne auch in kleinen und mittleren Betrieben ging. Beim Rundgang bei KNDS zeigt sich, dass viele, die hier an den Panzern arbeiten, ihre ursprüngliche Ausbildung im Handwerk gemacht haben, etwa als Kfz-Mechatroniker. Ein Mitarbeiter arbeitete für ein Ford-Autohaus. Er schlug vor, dass man auch nach der Panzerwartung alles von innen aussaugt, so wie man es in Autowerkstätten macht. Seitdem gibt es auch für die Armee diesen kleinen Service.
Auch wenn es aktuell keine Stellenausschreibungen bei KNDS gibt, sind in den vergangenen Monaten 70 Initiativbewerbungen bei dem Unternehmen eingegangen, berichtet Produktionsleiter Volker Paulus. Er selbst erzählt, wie er in den Achtzigerjahren stolz gewesen sei, in der Wehrtechnik anzufangen. Nach dem Fall der Mauer und der Abrüstung habe sich die Wahrnehmung verändert. Nicht erst seit dem Ukrainekrieg begegne man dem Beruf mit großem Interesse und praktisch keiner Ablehnung. Für die Tätigkeit bei KNDS sprechen Gleitzeit, 35-Stunden-Woche und ein IG-Metall-Tarifvertrag.
Ukrainische Panzer in Freisen
Neben vielen Fahrzeugen der Bundeswehr, wenigen der USA und Österreich kommen inzwischen nach Freisen auch Panzer der ukrainischen Armee. Die Wartung unterscheide sich, sagt Paulus. Die deutschen Panzer kommen aus Übungseinsätzen, die ukrainischen aus dem Krieg. Dort würden Wartungszyklen nicht eingehalten, Panzer im Einsatzgebiet notdürftig mit Ersatzteilen aus anderen Fahrzeugen repariert, um sie einsatzfähig zu halten.
Die Wartung sei aufwendig. Sie müssten aber nicht die Standards der Bundeswehr erfüllen, etwa im Hinblick auf die Straßenverkehrstauglichkeit und mehrere Prüfungen, die durchgeführt werden. „Das Ziel ist“, sagt Paulus, „funken, fahren, feuern. Dann kommen die Panzer zurück in den Einsatz.“ In der Regel dauert das knapp drei Monate.
Im KNDS-Werk hat man den Patria-Panzer aus Finnland auseinandergenommen. Nicht zur Wartung, sondern um zu sehen, wie der Bau später funktionieren kann und wie man die einzelnen Teile beschafft. Klar ist, dass etwa Fahrgestell und Motor aus Skandinavien angeliefert werden. Aber die Elektronik und viele kleinere Bauteile könnten bei KNDS oder einem Zulieferer gebaut werden.
Unternehmen, die seit vielen Jahren für die Autoindustrie fertigen, könnten zum Zuge kommen. Ein Beispiel für die Transformation ist der Fuchs Werkzeug- und Maschinenbau im saarländischen Lebach, etwa 40 Autominuten entfernt. Viele Jahre machte das Unternehmen mit rund hundert Mitarbeitern den meisten Umsatz als Autozulieferer. Vor rund zehn Jahren begann die Fertigung für die Rüstung. Der Anteil am Umsatz ist deutlich gewachsen, wie das Unternehmen dem Saarländischen Rundfunk mitteilte. Unter anderem werden Teile der Unterkonstruktion für das Flugabwehrsystem IRIS-T in der saarländischen Firma hergestellt.
Roland Theis, Verteidigungspolitiker der CDU im Bundestag, führt das Unternehmen Fuchs als positives Beispiel an. Der Vizechef der Saar-CDU erhofft sich, dass mehr kleinere mittelständische Zulieferunternehmen, die bislang Autokonzerne wie Ford belieferten, nun Einzelteile für die Rüstungsproduktion herstellen könnten. Theis erkennt allerdings zwei Hemmnisse. „Die kleineren Autozulieferer sind schon seit Jahren unter Druck. Deshalb fällt es ihnen nicht leicht, einen Kredit zu bekommen, um in eine Neuausrichtung investieren zu können.“
Das andere Problem ist die zusätzliche Regulatorik, der die Rüstungsindustrie unterliegt. So dürfen in bestimmten Positionen beispielsweise keine Mitarbeiter aus Staaten wie Russland oder Syrien beschäftigt werden. Da brauche es Unterstützung, um die Regeln kennenzulernen und sich für die Produktion qualifizieren zu können. In beiden Fällen wünscht sich Theis, dass die Rüstungsindustrie und die Landesregierung mit Geld und Know-how unterstützen.