Mit seiner Verhandlungstaktik, den Gegner mithilfe von Beleidigungen mürbe zu machen, hat Donald Trump in seinem Handelsstreit mit dem Rest der Welt schon viele Grenzen überschritten. Kanadas früherer Ministerpräsident Justin Trudeau sei nicht mehr als ein „Gouverneur“. Mexikos wichtigster Export seien „Drogendealer und Vergewaltiger“. Der Protektionismus der Europäischen Union sei „ekliger als China“.
Den Ausfällen konnte man bisher den Anstand, aber nicht immer die Wirksamkeit absprechen. Im Fall Indiens, das sich zum Leidwesen Trumps weiter ziert, den USA seinen Markt ohne Gegenleistung zu öffnen, könnte das anders sein. Trumps Tirade, das Land könne ohne Hilfe aus den USA seine „tote Volkswirtschaft“ zu Grabe tragen, ist lächerlich. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert ein Wachstum des indischen Bruttoinlandsprodukts im laufenden und kommenden Jahr von jeweils 6,4 Prozent. Damit bleibt das bevölkerungsreichste Land der Erde weiterhin die am schnellsten wachsende große Wirtschaft der Welt.
Damit Amerikas Agrarkonzerne an die 1,4 Milliarden Inder schnellstmöglich gentechnisch veränderte Mais und Soja verkaufen können, hat Trump zwei Tage vor dem Ende seiner selbst gesetzten Frist Indiens Ausfuhren in die USA mit einem Zoll von 25 Prozent belegt – und darüber hinaus „Strafen“ in unbekannter Höhe angekündigt, weil das Land Öl und Waffen aus Russland bezieht. Gleichzeitig will Trump mit Pakistan die Entwicklung großer Ölreserven voranzutreiben, die es dann seinem Erzfeind Indien verkaufen soll.
Damit provoziert Amerika ein Land, das es sich in seinem Bestreben, Chinas Aufstieg aufzuhalten, an seiner Seite wünscht. Die Frage ist, ob sich Indien dort sieht. Nach fünf Jahren diplomatischer Eiszeit dürfen nun wieder Chinesen in das Nachbarland reisen – während in den USA Inder ohne Papiere gefesselt in Militärmaschinen ausgeflogen werden. Man werde nichts tun, was den nationalen Interessen widerspreche, hieß es am Donnerstag aus Neu Delhi zu den Attacken aus Washington kühl. Möglich, dass damit nicht nur der Abbau von Importzöllen gemeint ist.