Die Kommentare über den amerikanischen Präsidenten Donald Trump ändern sich mittlerweile fast schneller als die von ihm angedrohten und erlassenen Einfuhrzölle. Zuerst galt Trump als ein Amok laufender Handelspolitiker, der mit seinen Beratern kruden Theorien folgt. Dann wurde Trump als Taco verspottet, als Präsident, der seine Drohungen nie wahr macht. Taco ist die Abkürzung von „Trump always chickens out“, frei übersetzt mit: Trump gibt immer nach. Jetzt greift die Erzählung um sich, dass Trump den von ihm angezettelten Handelskrieg gewinne.
Das scheint insoweit der Fall zu sein, als er die von ihm so geliebten Zölle durchsetzt. Seit April gilt ein genereller Mindestzoll von zehn Prozent, dazu kommen Spezialzölle auf Aluminium und Stahl von 50 Prozent oder auf Automobile von 25 Prozent. Einfuhrzölle auf Pharmaprodukte und Computerchips sind in der Mache.
Trump feiert Zolleinnahmen als gewaltigen Sieg
Bislang hat kein Land Trump große und durchgreifende Zugeständnisse abhandeln können: Nicht China und Kanada mit ihrem harten Kurs von Gegenzöllen und der Eskalation. Nicht das Vereinigte Königreich, Vietnam, die Philippinen oder Indonesien mit ihrer Bereitschaft zu schnellen Verhandlungen und rudimentären Ergebnissen. Auch nicht das wirtschaftlich wichtige und eng mit Amerika verbündete Japan. Trump belegt sie alle mit Zöllen. Amerika belastet die Handelspartner mit spürbar höheren Zöllen als vor Trumps zweiter Präsidentschaft.
Auch die Europäische Union ist im frisch vereinbarten Rahmenabkommen vor Trump eingeknickt. Ein genereller Einfuhrzoll von 15 Prozent, Stahl und Aluminium weiter mit 50 Prozent belastet, nur wenige Spezialbereiche wie Flugzeuge und Maschinen für die Halbleiterproduktion von Zöllen ausgenommen – Trump hat bekommen, was er wollte und die EU spielt mit.
Als Symbol des Erfolgs Trumps gilt, dass die amerikanischen Zolleinnahmen stark gestiegen sind. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres vereinnahmten die USA 87 Milliarden Dollar an Zöllen, 2,4 Mal so viel wie ein Jahr zuvor. Das ist nur ein kleiner Beitrag zur Stopfung des Haushaltslochs, das der Präsident mit seinem Haushaltsgesetz aufreißt. Doch Trump hat schon weniger als gewaltigen Sieg gefeiert.
Für die Vereinigten Staaten ist es gleichwohl ein Verlust. Trumps Erfolgsmeldung ist ein typisches Beispiel für einen Fehlschluss, den der französische Ökonom Frédéric Bastiat 1850 mit der Formel „Was man sieht und was man nicht sieht“ bloßstellte. Was man sieht, sind die 87 Milliarden Dollar, die ausländische Unternehmen an der Grenze abführen. Das Ausland zahle für das Recht, im wunderschönen Amerika Waren verkaufen zu dürfen, jubelt Trump.
Trumps Zölle sind nur eine Steuer für den Verbraucher
Was man nicht sieht, ist, dass die Zölle vom amerikanischen Verbraucher gezahlt werden. Nur die allerwenigsten ausländischen Exporteure erwirtschaften eine so hohe Gewinnmarge, dass sie den Zollaufschlag mal eben wegstecken können. Also erhöhen sie die Preise der von Amerika eingeführten Waren, also bezahlen die amerikanischen Nachfrager Trumps Zölle. Die Zölle wirken wie eine Steuer auf den Verbrauch. Es wird noch einige Monate dauern, bis dieser Preisschub bei den amerikanischen Verbrauchern voll ankommt. Insoweit hat Trump im Zollkonflikt bislang nur eine Schlacht, nicht aber den Krieg gewonnen. Der Unmut der Verbraucher wird sich noch zeigen.
Was man nicht sieht, ist darüber hinaus, dass die Verbraucher 87 Milliarden Dollar weniger haben, die sie für andere – überwiegend amerikanische – Waren ausgeben können. Amerikanische Unternehmen verlieren Geschäft, weil Trump Zölle an der Grenze erhebt. Was man nicht sieht, ist nicht zuletzt, dass amerikanische Unternehmen sich neue Lieferanten von Vorprodukten suchen müssen, wenn ihnen die zollbelasteten Vorprodukte aus dem Ausland zu teuer werden. Solch eine Umstellung der Produktion gelingt nicht von heute auf morgen, sie ist mit Verzögerungen, Reibereien und Ärger, kurz: mit Kosten verbunden. Die Zölle kosten die Amerikaner so weit mehr als die 87 Milliarden Dollar, die der Präsident als angebliches Plus aus dem Ausland verbucht.
Den Schaden, den die Vereinigten Staaten sich mit den Einfuhrzöllen zufügen, kann man aus anderer Perspektive beschreiben. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren war unter Entwicklungsökonomen die Idee der Importsubstitution modern. Entwicklungsländer sollten Zollmauern und Handelsschranken errichten, um notwendige Waren nicht mehr aus dem Ausland zu kaufen, sondern um sie selbst herzustellen. Die Idee geht auf die Ökonomen Raúl Prebisch und Hans Singer zurück. Jahrzehnte später weiß man, dass diejenigen Entwicklungsländer, die auf Importsubstitution setzten, sich wirtschaftlich erheblich schlechter entwickelten als die Länder, die ihre Märkte öffneten und die versuchten, mit hochwertigen Produkten im Ausland Käufer zu finden. Der Grund ist simpel: Hinter der schützenden Zollmauer lebt es sich bequem. Schlendrian kann Einzug halten. Wettbewerb auf offenen Märkten stärkt dagegen Innovation und Produktivität.
„Was nicht tötet, härtet ab“
Trumps Idee, mit hohen Außenzöllen verloren gegangene Industrieproduktion nach Amerika zurückzuholen, entspricht in vielem der Idee der Importsubstitution. Darauf weisen die Ökonomen Agnieszka Gehringer und Thomas Mayer in einer Studie für das Flossbach von Storch Research Institute hin. So wie die Importsubstitution viele Entwicklungsländer ins Unglück stürzte, so werde auch Trumps Politik zu Wohlstandsverlust in den Vereinigten Staaten führen.
Die Trumpschen Zölle schaden so den ausländischen Exporteuren, die es schwerer haben, ihre Waren in Amerika an den Mann zu bringen. Sie schaden aber vor allem den Vereinigten Staaten selbst. Analog gilt das für Europa. Hätte die Europäische Kommission auf Trumps Zölle mit Gegenzöllen auf Motorräder von Harley-Davidson oder auf Whiskey geantwortet, hätte sie der europäischen Wirtschaft nach Trumps Zollschock einen zweiten Schlag versetzt. Denn EU-Zölle träfen amerikanische Unternehmen, aber auch die europäischen Verbraucher und Unternehmen.
Trotz der verbreiteten scharfen Kritik an der Verhandlungsstrategie der Europäischen Kommission spricht deshalb Einiges dafür, dass es richtig war, dass Ursula von der Leyen den Konflikt nicht eskaliert und die amerikanischen Zölle hingenommen hat. Trumps Zölle könnten Europa sogar zum strukturellen Vorteil gereichen, argumentieren Gehringer und Mayer.
Salopp formuliert, lautet ihr Argument: „Was nicht tötet, härtet ab.“ So wie einst Aufwertungen der D-Mark die deutsche Exportwirtschaft zu Produktivitätssteigerungen angetrieben haben, so könnten Einfuhrzölle der USA in Europa einen Produktivitätsschub der Unternehmen hervorrufen. Im Idealfall könnte der zollpolitische Sturm sogar die Reformbereitschaft der Politik hin zu mehr Flexibilität beschleunigen. In gewisser Weise würde Trump so zum tatkräftigen Gehilfen all derjenigen, die schon seit Langem von Europa mehr Produktivität und Deregulierung fordern.
Frédéric Bastiat (1850): Ce qu’on voit et ce qu’on ne voit pas.
Agnieszka Gehringer, Thomas Mayer (2025): Asymmetrischer Protektionismus: Wie die EU auf Trumps Zölle reagieren sollte. Flossbach von Storch Research Institute, Makro 14. Juli 2025.